Gelsenkirchen. Schalke spielt 23 Minuten in Überzahl. Zum ersten Saisonsieg reicht es beim 1:1 beim VfB Stuttgart allerdings trotzdem nicht. Die Analyse.

Wer unmittelbar nach dem Abpfiff auf den Rasen schaute und in die Gesichter der Spieler des VfB Stuttgart und des FC Schalke 04 blickte, der hätte vermuten können, beide Mannschaften hätten verloren. Aber das Spiel war 1:1 (1:1) ausgegangen. Die Stuttgarter schauten grimmig, weil sie schlecht gespielt hatten. Und die Schalker, weil sie trotz bester Chancen und einer 23-minütigen Überzahl nicht über einen Punkt hinauskamen. Sie hätten ihren ersten Sieg feiern müssen.

Das sah auch Sportdirektor Rouven Schröder so. „Heute wäre ein Sieg für uns verdient gewesen. Wir hatten allein kurz vor Schluss drei klare Chancen“, sagte er. Abwehrchef Maya Yoshida schaute ähnlich wie vor einer Woche, als Schalke mit 1:6 gegen Union Berlin verloren hatte. „Ein Punkt auswärts“, sagte Yoshida, „das ist eigentlich gar nicht so schlecht. Aber wir müssen in Überzahl einfach das zweite Tor schießen und drei Punkte holen.“

Schalke mit drei Änderungen in der Startelf

Schalkes Trainer Frank Kramer hatte seine Startelf auf drei Positionen ausgetauscht und zudem eine neue Taktik gewählt. Die Zugänge Sepp van den Berg und Jordan Larsson sowie Florian Flick rückten für Malick Thiaw, Rodrigo Zalazar und Alex Kral in die Startelf. Zudem setzte Kramer auf ein 4-3-3-System – Dominick Drexler gab den Spielmacher.

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In der Anfangsphase lieferten sich beide Teams ein offenes Spiel. Sie kamen auch durch gegnerische Abwehrfehler zu Torchancen und jeweils einem Treffer. Die Stuttgarter nutzten einen bösen technischen Patzer von van den Berg zum 1:0. Nachdem van den Berg den Ball nicht sauber stoppen konnte, traf Chris Führich (18.). „Da brauchen wir gar nicht drumherum reden – das war ein Fehler von Sepp“, sagte Kramer. Die Schalker, die schon vor dem Gegentor gut im Spiel waren, glichen nur vier Minuten später aus. Tom Krauß eroberte im Mittelfeld den Ball, Drexler spielte einen herrlichen Pass auf Simon Terodde – und der Torjäger erzielte seinen ersten Treffer zum 1:1. „Das war ganz wichtig, dass wir direkt zurückgekommen sind“, sagte Rouven Schröder. Passgeber Drexler dachte an Torschütze Terodde, dessen Bundesliga-Tauglichkeit zuletzt angezweifelt worden war: „Das war sehr schön, weil ich den Simon richtig mag. Die Vorlage war ein Automatismus, wenn man vier Jahre zusammenspielt. Ich habe schon gesehen, wohin Simon laufen will.“

Schalke-Gegner Stuttgart ohne Trainer Pellegrino Matarazzo

Nach dem Ausgleich hinterließen die Schalker den besseren Eindruck – und ab der 67. Minute spielten sie auch noch in Überzahl. Tobias Mohr hatte den Stuttgarter Josha Vagnoman getunnelt und war anschließend von ihm geblockt worden. Die Stuttgarter regten sich nun nicht mehr nur über die eigene Leistung, sondern bei jedem Pfiff über Schiedsrichter Florian Badstübner auf, obwohl der Platzverweis berechtigt war. VfB-Sportdirektor Sven Mislintat sah die Gelbe Karte, nachdem er einen Platzverweis für Drexler gefordert hatte (73.).

Enttäuscht: Sepp van den Berg leistete sich in Stuttgart einen üblen Patzer vor dem 0:1.
Enttäuscht: Sepp van den Berg leistete sich in Stuttgart einen üblen Patzer vor dem 0:1. © firo

Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo erlebte diese hitzige Atmosphäre von der Tribüne– er saß eine Gelb-Rot-Sperre ab. „Wir haben heute zum ersten Mal in dieser Saison schlecht gespielt. Wir hatten zu viele Ballverluste. Es war von uns eine ordentliche Anfangsphase und eine ordentliche Leistung in Unterzahl. Alles dazwischen war nicht ausreichend“, schimpfte Matarazzo sehr deutlich.

Schalke: Sportdirektor Schröder versucht den Druck zu nehmen

Der Sieg war für die Schalker nun ganz, ganz nah. Doch drei beste Chancen ließen sie ungenutzt. In der 79. Minute umdribbelte Tom Krauß im Strafraum zwei Gegenspieler, scheiterte aber an Torwart Florian Müller. Zehn Minuten später stand Rodrigo Zalazar nach einem Querpass von Marius Bülter allein im Fünfmeterraum – aber auch er schoss Müller an. In der Nachspielzeit erwischte Zalazar eine Flanke von Bülter nur mit den Zehenspitzen. Wäre er nur fünf Zentimeter größer gewesen – Schalke wäre als Sieger vom Platz gegangen. Es blieb aber beim 1:1. Und anders als Yoshida schaute Dominick Drexler glücklicher. „Das Positive überwiegt“, sagte Drexler, ergänzte aber: „Wenn man in Überzahl spielt, kurz vor Schluss die fetten Chancen hat und übers ganze Spiel gesehen die bessere Mannschaft ist, dann tut es schon weh.“

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In einer Woche sind die Schalker dann zum ersten Mal Favorit, wenn das punktlose Schlusslicht VfL Bochum in die Arena kommt (Samstag, 18.30 Uhr/Sky). Sportdirektor Schröder bemühte sich aber schon in Stuttgart darum, den Druck von den Profis zu nehmen. „Seit der ersten Sekunde in der Bundesliga spüren wir den externen Druck. Nach Bochum ist die Saison nicht zu Ende. Danach gibt es auch noch den sechsten Spieltag“, sagte Schröder.