Gelsenkirchen. . Seit dem Aufstieg 2019 hat sich Union Berlin in der Bundesliga etabliert. Für Schalke sind die Köpenicker ein Vorbild - findet auch Frank Kramer.

Als Frank Kramer am Donnerstag auf die Spielweise von Union Berlin angesprochen wurde, holte der Trainer von Schalke 04 weit aus. Der 50-Jährige geriet regelrecht ins Schwärmen. Die Köpenicker seien ein Team, das dem Gegner „nichts schenkt“, sagte er. Gegen sie müsse man sich alles hart erarbeiten. Der Coach lobte die „gute Körperlichkeit“ und die großartige Arbeit im Kollektiv bei Union. „Sie spielen mit wenig Schnickschnack, ganz gradlinig und klar“, so der Schalker. Dies sei ein „Markenzeichen“ des Berliner Trainers Urs Fischer, dessen Arbeit er mit einem Schweizer Uhrwerk vergleicht.

Lauscht man Kramers Vortrag über Union Berlin, die an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) in der Schalker Arena zu Gast sein werden, wird schnell klar, dass er sich eine solche Spielweise auch von seiner Mannschaft wünscht – zumindest mittelfristig. Aktuell ist Union Berlin in sportlicher Hinsicht ein Vorbild für Schalke 04. Auch die Königsblauen wollen ein Team werden, das gradlinig agiert, immer dagegenhält und für jeden Gegner unangenehm zu bespielen ist. Denn die Grundidee von Union und Schalke ist ähnlich: Beide Teams wollen ihre Gegner mit hoher Laufbereitschaft zermürben und Fehler eiskalt ausnutzen.

Union Berlin ist Schalke in der Spielweise einen Schritt voraus

Während das bei den Königsblauen an den ersten drei Spieltagen nur in Ansätzen gelungen ist, konnte Union Berlin mit dieser Spielweise schon reichlich Punkte einfahren. Mit sieben Zählern aus drei Spielen ist das Team in die Bundesliga gestartet. Erst in der vergangenen Woche düpierte die Mannschaft von Urs Fischer den Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig beim 2:1-Sieg dank typischer Union-Tore. Kleinste Fehler des Gegners wurden ausgenutzt, nach Umschaltsituationen dann die Treffer erzielt. Dass die Köpenicker nach 90 Minuten bei nur 24 Prozent Ballbesitz standen und lediglich zwei Drittel ihrer Pässe ankamen, spielte letztlich keine Rolle.

Siege einfahren, obwohl der Gegner mehr vom Spiel hatte – bei Union Berlin ist das längst keine Seltenheit mehr. Seit dem Bundesliga-Aufstieg 2019 erkämpfte sich der Klub auf diese Art und Weise Punkt um Punkt. Innerhalb von nur drei Jahren haben sich die Berliner im Oberhaus etabliert – mehr noch: Zweimal schafften sie zuletzt sogar den Sprung in den internationalen Wettbewerb. Im vergangenen Jahr spielten sie noch in der Conference League, nun in der Europa League. Von solchen Entwicklungen dürften auch die Schalker träumen – wobei es für die Gelsenkirchener zunächst darum gehen dürfte, die Klasse zu halten und sich mittelfristig dann in der Bundesliga zu etablieren. Das internationale Geschäft ist aktuell noch weit weg.

Gelungen ist den Berlinern dieser Sprung ins obere Drittel der Bundesliga auch durch kluge Transfers. So wurde in den vergangenen zwei Jahren nicht etwa auf große Namen gesetzt, sondern eher auf Spieler, die ihr Potenzial bei ihren vorherigen Stationen nicht komplett ausschöpfen konnten – etwa Taiwo Awoniyi, der beim FC Liverpool nie eine Chance bekam. Der Nigerianer entwickelte sich in Berlin dann zu einem Top-Stürmer und wurde vor wenigen Wochen für 20 Millionen Euro zu Nottingham Forrest nach England verkauft. Und Awoniyi ist nicht der einzige Leistungsträger, der Union in den vergangenen Jahren verlassen hat – auch Max Kruse, Sebastian Andersson, Marvin Friedrich und Robert Andrich konnten wurden für gutes Geld verkauft. Erstaunlich ist, dass alle adäquat ersetzt werden konnten – mal durch einen Neuzugang, mal im Kollektiv. Einen ähnlichen Weg würden die Schalker auf dem Transfermarkt auch gern gehen.

Tüfteln an Kader und Spielweise von Schalke 04: Trainer Frank Kramer (links) und Sportdirektor Rouven Schröder.
Tüfteln an Kader und Spielweise von Schalke 04: Trainer Frank Kramer (links) und Sportdirektor Rouven Schröder. © firo

Ex-Schalker Oliver Ruhnert als Kader-Architekt von Union Berlin

Architekt des Berliner Kaders ist sogar ein ehemaliger Schalker: Oliver Ruhnert. Der ehemalige Chef der Knappenschmide ist inzwischen Geschäftsführer Sport bei Union. „Olli hat einen beeindruckenden Weg hinter sich“, lobt Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder seinen Kollegen. „Er hat ein gutes Gespür dafür, einen Kader zusammenzustellen und man sieht bei jedem Transfer eine gewisse Handschrift“, so Schröder. Auch der Sportdirektor schätzt die „harte Arbeit“ beim kommenden Gegner.

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Im Schatten der launischen Hauptstadt-Diva Hertha BSC läuft bei Union sogar vieles ohne Nebengeräusche ab – auf Schalke ist das nicht immer so. „Da nehme ich Union als kleines Vorbild“, sagt S04-Trainer Frank Kramer. „Als Kollektiv sitzen dort alle in einem Boot. Bei Urs Fischer und Oliver Ruhnert läuft vieles geräuschlos und harmonisch ab. Keiner ist größer als der Verein, das ist das Allesentscheidende.“