Gelsenkirchen. . Vor dem Finale um die Deutsche U17-Meisterschaft spricht Schalkes Trainer Onur Cinel über das Lernen von der Weltspitze - und die S04-Top-Talente

Erstmals seit 20 Jahren könnte Schalke 04 am Sonntag (10.45 Uhr/Sky) wieder Deutscher Meister der U17-Junioren werden.

Vor dem großen Finale gegen den VfB Stuttgart im Parkstadion hat sich der Schalker Trainer Onur Cinel (36) Zeit für ein Interview mit der WAZ genommen. Dabei spricht er über das Lernen von der Weltspitze, die Schalker Philosophie, die Chancen seiner Mannschaft im Finale und Investitionen im Jugendfußball.

Die dramatischen Champions-League-Halbfinalspiele zwischen Real Madrid und Manchester City haben die ganze Welt begeistert. Welche Dinge können Ihre Spieler von solchen Top-Teams noch lernen?

Onur Cinel: Die Intensitäten waren außergewöhnlich – sowohl die Spiel- als auch die Laufintensität. Beide Mannschaften waren sehr offensiv ausgerichtet und haben hohen Druck aufgebaut. Da ist es enorm wichtig, bis zur letzten Sekunde aufmerksam zu verteidigen. Dass das wirklich nötig ist, hat Real Madrid mit den beiden Toren kurz vor Schluss bewiesen – das sollten sich auch meine Jungs merken. Bei Spielen auf diesem Niveau entscheiden oft die Details.

Karim Benzema erzielte das 3:1-Siegtor für Real Madrid.
Karim Benzema erzielte das 3:1-Siegtor für Real Madrid. © AFP

Inwieweit thematisieren Sie besondere Spiele wie diese auch in der Arbeit mit Ihrer Mannschaft?

Cinel: Es ist in der Analyse einfacher, über Spiele zu sprechen, von denen ich weiß, dass meine Jungs sie auch gucken. Im Laufe der Saison haben wir in Video-Analysen immer wieder auf Spitzenteams wie Liverpool oder Manchester City geschaut und dabei – je nach Themenschwerpunkt – gezielt einzelne Abläufe in der Offensive oder Defensive aufgezeigt. Wir sind in der Ausbildung und streben ein Top-Niveau an, daher müssen wir uns an den vermeintlich Besten orientieren.

Schalke im Finale der U17-Meisterschaft - alle Infos

Sie haben in der Knappenschmiede daran mitgearbeitet, eine jahrgangsübergreifende Spielphilosophie zu entwickeln. Bei Manchester City zum Beispiel ist die Handschrift von Pep Guardiola unübersehbar.

Cinel: Wenn Vereine eine klare Spielidee verfolgen und diese über Jahre perfektionieren, geht mir das Herz auf. (lacht) Das gilt aber nicht nur für ManCity, sondern auch für den FC Liverpool, Ajax Amsterdam oder Atlético Madrid, die mit einer komplett eigenen Herangehensweise sogar spanischer Meister wurden. Das ist bewundernswert.

Wie soll das Spiel der Teams in der Knappenschmiede in Ihrer Idealvorstellung aussehen?

Cinel: Von außen sollte klar erkennbar sein, dass es mutig, initiativ und intensiv ist. Wir wollen schnell umschalten, schnörkellos nach vorn spielen und möglichst häufig im gegnerischen Strafraum präsent sein. Das Ziel ist es, ständig Gefahr auszustrahlen und nach Ballverlusten ins Gegenpressing zu gehen.

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Wie gut setzt Ihre U17 diese Philosophie um?

Cinel: Ziemlich gut. Wir haben uns im Laufe der Saison enorm entwickelt. Wichtig ist aber zu betonen, dass es in der U17 nicht das wichtigste ist, die Spielphilosophie zu festigen, sondern, dass sich die Spieler individuell weiterentwickeln – und das hat herausragend funktioniert. Im Laufe der Saison haben es neun unserer Spieler geschafft, erstmals für ihre Nationalmannschaften nominiert zu werden. Das ist ein wahnsinniger Wert. Das ist mindestens mit unserem bisherigen Mannschaftserfolg gleichzusetzen.

Schalkes U17-Trainer Onur Cinel während des Halbfinal-Spiels um die Deutsche Meisterschaft gegen Fortuna Düsseldorf.
Schalkes U17-Trainer Onur Cinel während des Halbfinal-Spiels um die Deutsche Meisterschaft gegen Fortuna Düsseldorf. © getty Images

Obwohl die individuelle Entwicklung wichtiger ist als Titel: Welchen Stellenwert hätte ein Sieg im Finale um die Deutsche Meisterschaft?

Cinel: Es ist 20 Jahre her, dass Schalke zuletzt U17-Meister geworden ist. Dieses Spiel ist für uns ein absolutes Highlight. Der VfB Stuttgart ist Dauergast in der Endrunde, wir mussten lange auf ein Finale warten.Klar ist: Wenn man ein Finale spielt, will man es auch gewinnen.

Für viele Ihrer Spieler wird es das bisher größte Spiel der bisherigen Laufbahn. Wie gehen die Jungs mit diesem Druck um?

Cinel: Sie sind voller Vorfreude. Schon vor den Halbfinalspielen habe ich einen besonderen Spirit gespürt. Wenn es im Saisonverlauf darauf ankam, waren wir immer da. Diese Erkenntnis gibt uns einen riesigen Schub. In den K.o.-Spielen des NRW-Pokals haben wir geliefert, als wir mussten und haben den Titel geholt. Auch am letzten Spieltag der Liga haben wir geliefert und den entscheidenden Sieg geholt, um Westdeutscher Meister zu werden. Wenn solche großen Spiele anstehen, freuen sich die Jungs und wollen unbedingt alles geben.

Sie haben bereits die Stärke des VfB Stuttgart angesprochen. Ist Schalke im Finale nur Außenseiter?

Cinel: Die Stuttgarter sind, was die Einzelspieler betrifft, die beste U17-Mannschaft Deutschlands. Sie sind in dieser Saison noch ungeschlagen und haben sich im Halbfinale klar gegen Hertha BSC durchgesetzt, die bis dahin ebenfalls noch ohne Niederlage waren. Man könnte sagen, dass der VfB leichte Vorteile hat, aber in diesem einen Finalspiel ist alles möglich, es ist ein 50:50-Spiel. Auch wir haben eine richtig gute Mannschaft und brauchen uns nicht zu verstecken.

Was spricht für Ihr Team?

Cinel: Defensiv lassen wir enorm wenig zu. Mit Blick auf die Anzahl der Gegentore sind wir die beste Mannschaft Deutschlands. Und: Immer, wenn es wichtig war, sind meine Jungs über sich hinausgewachsen.

Schalkes U17 bejubelt den Final-Einzug um die Deutsche Meisterschaft.
Schalkes U17 bejubelt den Final-Einzug um die Deutsche Meisterschaft. © getty

In der aktuellen U17 mangelt es nicht an großen Talenten. Wie sehen Sie die Chancen, dass einige von Ihren Spielern in ein paar Jahren Profi werden?

Cinel: Das ist schwer zu sagen. Wir haben viele begabte Spieler, aber nach dieser Saison stehen für ein paar Jungs erstmal noch zwei Jahre in der U19 an. Einige bleiben sogar noch ein Jahr bei mir in der U17 – sie haben also alle noch ein bisschen Zeit, bis sie oben angreifen können und sollen. Viele von den Jungs bringen aber das Potenzial mit, um irgendwann auf Top-Level zu spielen. Nun brauchen sie auch die Ausdauer und den unbedingten Willen, es zum Profi zu schaffen.

Die Schalker U17 steht im Finale um die Deutsche Meisterschaft, die U19 im Halbfinale. Wo steht die Knappenschmiede im deutschlandweiten Vergleich?

Cinel: Es ist total erfreulich, dass wir es in diesem Jahr mit beiden Teams bis in die Endrunde geschafft haben. Für die Knappenschmiede ist es ein riesiger Erfolg. Es zeigt, dass wir gute Arbeit leisten- darauf können wir stolz sein.

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© Getty Images | Christof Köpsel

Der größte Konkurrent im Westen ist Borussia Dortmund. Wie schwer ist es, sich gegen den Revier-Nachbarn zu behaupten?

Cinel: Der aktuelle U19-Jahrgang des BVB ist außergewöhnlich gut. Individuell sind die Dortmunder stark besetzt. Ein Pluspunkt für Schalke kann die gute Durchlässigkeit von Jugendspielern in den Profibereich sein. Malick Thiaw zählt trotz seines jungen Alters bei den Profis mit zu den Führungsspielern, aber auch Jungs wie beispielsweise Mehmet Aydin oder Kerim Calhanoglu haben den Sprung geschafft.

Wie wichtig ist es, im Jugendbereich Geld in Spieler zu investieren?

Cinel: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es unausweichlich, in Spieler zu investieren – aus Deutschland, aber auch aus dem Ausland. Wenn man den Anspruch hat, spitze zu sein, ist man wahrscheinlich gezwungen mehr Geld auszugeben als es noch vor ein paar Jahren der Fall war.