Gelsenkirchen. Florian Flick, Blendi Idrizi und Henning Matriciani sind Schalke-Profis ohne NLZ-Ausbildung. Peter Knäbel erklärt die besondere S04-Philosophie.
Florian Flick stand vor drei Jahren in der Startelf von Waldhof Mannheims zweiter Mannschaft, in der Verbandsliga ging es gegen den VfB Gartenstadt. Unter Mike Büskens hat er nun beim FC Schalke 04 einen Stammplatz. Blendi Idrizi kickte vor vier Jahren Blau-Weiß Friesdorf in der Mittelrheinliga. Aktuell ist der Schalker mit der kosovarischen Nationalmannschaft unterwegs. Henning Matriciani spielte vor drei Jahren mit der U19 des SV Lippstadt gegen SuS Stadtlohn oder den Hombrucher SV. Vor wenigen Tagen wurde er unter dem Applaus von 55.512 Zuschauern beim S04-Heimsieg über Hannover eingewechselt.
Während andere Spieler schon als Teenager die Bundesliga aufmischen, sind diese drei einen anderen Weg gegangen: Sie sind quasi Profis auf dem zweiten Bildungsweg geworden. Das ist ungewöhnlich in Zeiten, in denen jeder Klub in Deutschland bis hinunter in die 3. Liga ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) betreiben muss, dort die Stars von morgen ausbildet.
Schalke 04 schätzt die Arbeit von Klubs wie Lippstadt oder Fortuna Köln wert
Es gibt nur wenige, die es komplett ohne die spezialisierte und individuelle NLZ-Förderung nach oben geschafft haben. Nationalspieler Robin Gosens fällt als Paradebeispiel ein. Dass aber gleich drei solcher Akteure im Profikader stehen, ist eine Ausnahme in der deutschen Fußballlandschaft. Ein Ausnahme, die bei Schalke zur Vereinsphilosophie gehört, wie Peter Knäbel erklärt.
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Für den Sportvorstand ist es kein „Umweg“, dass Flick (21), Idrizi (23) und Matriciani (22) nicht über den typischen NLZ-Weg direkt in den Profifußball gekommen sind. „Den Übergang vom Junioren- in den Seniorenfußball müssen wir als wichtigsten Teil der Ausbildung begreifen. Und dieser verläuft immer individuell“, sagt Knäbel. Die genannten Spieler – auch Marvin Pieringer, der aktuell vom SC Freiburg ausgeliehen ist und erste Schritte in der Regionalliga ging – hätten sich in ihrer Heimat entwickelt.
„Die gute Arbeit und den Wert der Vereine wie beispielsweise Waldhof Mannheim, Fortuna Köln oder auch SV Lippstadt 08 muss man sehen und wertschätzen“, so Knäbel. „Auch in den Spielern aus diesen Vereinen kann enorm viel Potential stecken, und genau das ist entscheidend für Schalke 04.“
Schalkes Peter Knäbel: „Spieler der zweiten Welle sollten wissen, dass sie gesehen werden“
Doch klar: Solche Talente, die wohl vermeintlich durchs Raster gefallen sind – immerhin schauen sich NLZ-Scouts bisweilen U12-Teams an – muss man erst einmal finden. „Dafür braucht man aber den Blick, die nötigen Strukturen und vor allem die notwendige Geduld. Die Spieler der zweiten Welle sollen wissen, dass sie gesehen werden und bei Schalke 04 eine echte Chance bekommen“, betont Knäbel.
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Er schließt zwei Dinge daraus, dass Flick, Idrizi und Matriciani bei der Zweitliga-Elf von Mike Büskens angekommen sind. „Zum einen bestätigt es die Entscheidung mit Manfred Dubski und Holger Floßbach zwei für diesen Bereich spezialisierte Scouts zu engagieren“, so Knäbel. „Zum anderen wird deutlich, wie eng hier auf Schalke die Verzahnung zwischen der Knappenschmiede und der Lizenzmannschaft ist. Wer in der U23 überzeugende Leistungen zeigt, kann und soll auch die Chance bekommen, sich bei den Profis zu beweisen.“
Das sei aber nur die Basis. „Wichtiger ist, dass alle drei Spieler in den vergangenen Monaten mit Fleiß, Geduld und dem nötigen Selbstvertrauen ihre Chance genutzt haben.“
An den Nachwuchsleistungszentren wird oft Kritik geübt. Sie reißen Jugendliche aus ihrem gewohnten Umfeld, richten den Fokus bei der Ausbildung nur auf den Sport, nicht auf die Persönlichkeitsentwicklung, heißt es oft. Wer im NLZ kickt, muss zurückstecken, verpasst seine Jugend und riskiert viel für den Traum, den Durchbruch zu schaffen. Nur ein Bruchteil einer U19-Mannschaft setzt sich aber später in den Bundesligen durch.
Niklas Castelle könnte der nächste Durchstarter beim FC Schalke 04 werden
Die NLZs hätten sowohl Vor- als auch Nachteile, glaubt Knäbel. Hier die Entwicklung in der Heimat, in der sich Talente womöglich freier und mit weniger Druck entwickeln könnten. Dort die Betreuung unter professionellen Bedingungen. „Wichtig ist, dass die Spieler genug Spielzeit erhalten, mit kompetenten, leidenschaftlichen Trainern und Ausbildern arbeiten und herausfordernde Wettbewerbe spielen können“, sagt der 55-jährige Funktionär.
Sicher ist also, dass Schalke weiter den Blick auf die Fußballplätze der Region werfen wird. Flick, Idrizi und Matriciani halten als Vorbilder her. Ein weiteres Talent schickt sich schon an, ihren Weg nachzugehen. Niklas Castelle kam im Sommer zur Regionalliga-U23 und hat sich einen Stammplatz erkämpft.
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„Wir müssen den Mut haben, Projekte dieser Art zu versuchen. Es freut mich für ihn, dass er in seinem ersten U23-Pflichtspiel direkt getroffen hat und bislang bei fast jedem Spiel in der Startelf stand“, so Knäbel über den 19-Jährigen, der vor drei Monaten noch in der Landesliga für den VfL Senden auf dem Platz stand – und zuletzt gegen Rot-Weiss Essen erstmals in der Veltins-Arena auflief.