Gelsenkirchen. Der Aufstieg ist in Gefahr - die letzten neun Zweitliga-Spieltage geht Schalke ohne Dimitrios Grammozis an. Die Trainersuche soll schnell enden.
Es ist noch nicht lange her, da nahm Dimitrios Grammozis Glückwünsche entgegen. Am vergangenen Mittwoch war er genau ein Jahr Cheftrainer des FC Schalke 04, seine beiden Vorgänger hatten das nicht hinbekommen. Viele Tage kamen aber nicht mehr hinzu. Am Sonntagvormittag um 10 Uhr verkündete der Zweitligist die Trennung von dem 43 Jahre alten Trainer, vorausgegangen waren heiße Diskussionen am Samstagabend und eine unruhige Nacht, nachdem Schalke das Zweitliga-Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten Hansa Rostock mit 3:4 (2:2) vergeigt hatte.
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„Wir sind in der Phase der Saison angelangt, in der die großen Entscheidungen fallen. Die Überzeugung, dass unser Ziel, der Aufstieg in die Bundesliga, in der bestehenden Konstellation noch eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit besitzt, hatten wir nicht mehr“, erklärte Sportdirektor Rouven Schröder. Sechs Punkte Rückstand haben die Schalker zum dritten Platz, neun Spiele vor Schluss. Eine schwierige, aber nicht unmögliche Ausgangsposition.
Seit dem 22. Januar zeigen Form- und Ergebniskurve nach unten. Aus den vergangenen fünf Spielen holte Schalke nur sieben Punkte, die beiden Siege gegen Paderborn (2:0) und Regensburg (2:1) waren überglücklich, die Niederlagen in Düsseldorf (1:2) und nun gegen Rostock (3:4) peinlich. Stets hielt Grammozis an seinem bevorzugten 3-5-2-Spielsystem fest, seine Offensivstrategie bestand zu oft aus nur einem eingeübten Spielzug und der Stärke von Torjäger Simon Terodde, der gegen Rostock alle drei Tore erzielte.
Schalke: Nur auf Torjäger Terodde war zuletzt Verlass
Grammozis konnte sich zwar auf Terodde verlassen, aber nicht mehr auf die Zweikampfstärke seiner Mannschaft und eine sattelfeste Abwehr: Gegen Rostock unterliefen den Schalkern vor den vier Gegentoren groteske Fehler. „Der Mannschaft mangelte es seit Jahresbeginn an der notwendigen Konstanz, sowohl was Resultate, aber insbesondere auch die zentralen Leistungsparameter betrifft. Es ist gerade diese Konstanz, die Teams, die aufsteigen wollen, benötigen“, sagte Sportvorstand Peter Knäbel.
Er war es, der Grammozis in kritischen Phasen bisher stets verteidigt hatte. Knäbel hatte Grammozis zu einer Zeit verpflichtet, als Rouven Schröder noch gar nicht da war. Knäbel setzte sich auch in der Sommerpause 2021 für Grammozis ein, als Schröder über einen Trainerwechsel nachdachte und bereits Kontakt zu Steffen Baumgart (jetzt 1. FC Köln) aufgenommen hatte. Auch im Dezember, als Schalke schon einmal den Anschluss in der Tabelle zu verpassen drohte, war ein Trainerwechsel möglich – auch da ging die Initiative von Schröder aus.
Die Kommunikation zwischen Trainer und Sportdirektor sei immer aufrichtig gewesen, erfuhr diese Zeitung aus Grammozis’ Umfeld. Aber hundertprozentiges Vertrauen habe der Trainer nicht gespürt, nach Niederlagen habe er ein klares Bekenntnis nicht nur einmal vermisst. Doch nun konnte Schröder auch Knäbel von seiner Skepsis überzeugen und darf nun zum ersten Mal auf Schalke seinen Wunschtrainer verpflichten. „Um im Kampf um die Spitzenplätze erfolgreich sein zu können, benötigen wir eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die wir thematisiert, aber nicht gesehen haben“, sagte Knäbel.
Schalke: Auch zwei Assistenten müssen gehen
Teuer wird der Trainerwechsel für Schalke nicht – Grammozis’ ohnehin nicht üppig dotierter Vertrag gilt nur bis zum 30. Juni, hätte sich lediglich im Aufstiegsfall um ein Jahr verlängert. Am Sonntag leiteten die Athletiktrainer eine Regenerations-Einheit. Mit Grammozis freigestellt wurden Co-Trainer Sven Piepenbrock (39) und Torwarttrainer Wil Coort (61). Über die Athletiktrainer hinaus bleiben aus Grammozis’ Trainerteam nur Matthias Kreutzer (41, zuständig für Videoanalysen) und Mike Büskens (53).
Der Eurofighter wäre die erste Wahl, wenn Schröder seinen Wunschkandidaten nicht sofort verpflichten könnte. Schon zweimal war Büskens in ähnlichen Situationen eingesprungen. Allerdings drängt es Büskens nicht mehr in die erste Reihe. Mit seiner Rolle als „Hermann Gerland von Schalke“ ist er sehr zufrieden.
Als Trainer-Talent aus eigenen Reihen gilt Onur Cinel (U17), der sich als Assistent von Manuel Baum und Christian Gross in der Bundesliga-Abstiegssaison 2020/21 allerdings nicht bewähren konnte und 2017/18 als Trainer der U23 in der Oberliga ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg im Seniorenbereich hatte.
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Externe Trainer, die Rouven Schröder schätzt, die aktuell aber unter Vertrag stehen und mit ihren Teams noch Großes vorhaben, sind Thomas Letsch (Vitesse Arnheim, Europa-League-Achtelfinale), Bartosch Gaul (Mainz 05 U23, Regionalliga-Tabellenführer) und Kosta Runjaic (Pogon Stettin, Spitzenreiter der polnischen Liga).
Labbadia steht Schalke nicht zur Verfügung
Sofort einsteigen könnten Friedhelm Funkel (68) und Uwe Neuhaus (62), die schon verschiedene Aufsteiger formten. Kontakte zu ihnen soll es noch nicht gegeben haben. Ein Zweitliga-Kenner ist U19-Nationaltrainer Hannes Wolf (40), er stieg mit Stuttgart auf und kennt aus dieser gemeinsamen Zeit S04-Torjäger Terodde und Innenverteidiger Marcin Kaminski. Bruno Labbadia (56) steht Schalke nach unseren Informationen nicht zur Verfügung. Neu auf der Liste könnten Daniel Farke (45) und Markus Gisdol (52) auftauchen, die Engagements in Russland vor kurzem beendet hatten.
Im Laufe des Montags wollen die Schalker ihre Entscheidung verkünden – ob vorübergehend oder langfristig. Eines werden sie dann betonen: ihren Dank an Grammozis. „Er hat Schalke in einer sehr schwierigen Phase übernommen und sportlich stabilisiert“, teilten Schröder und Knäbel mit. Gehen musste Grammozis trotzdem.