Gelsenkirchen. Thomas Ouwejan war der beste Schalke-Spieler der Hinrunde: als linker Verteidiger. Vor dem Top-Spiel beim HSV spricht er im Exklusiv-Interview.

Auf ein solches Lob ist Thomas Ouwejan gar nicht vorbereitet. Beim Zweitligisten FC Schalke 04 sei er nach Bewertung dieser Zeitung der beste Spieler der Hinrunde gewesen – darum soll es in der ersten Frage des Interviews gehen. Drei Tore schoss der Linksverteidiger selbst, sieben weitere legte er vor. Auch als Torjäger Simon Terodde (33) noch nicht verletzt war, konzentrierten sich die Gegner zunächst darauf, die Flanken des 25-Jährigen zu verhindern. „Schön, so etwas zu hören“, sagt Ouwejan, lächelt und ergänzt: „Aber ich denke, Simon ist Schalkes bester Spieler.“ Vor dem Topspiel an diesem Samstag beim HSV (20.30 Uhr/Sport 1 und Sky) spricht der Niederländer auch über unerwartete Karriere-Wendungen.

Vor einem Jahr, Weihnachten 2020, waren Sie verletzt und standen in Italien bei Udinese Calcio unter Vertrag. Was hatten Sie sich damals für 2021 vorgenommen?

Thomas Ouwejan: Zu dieser Zeit dachte ich, dass ich weiter für Udinese spielen würde. Aber da wusste ich noch nicht, dass Schalke im Sommer kommen würde. Wenn ich jetzt darauf blicke, war Schalke definitiv die richtige Wahl.

Was haben Sie von Ihrem Wechsel zu Schalke erwartet?

Ouwejan: Wenn ich ehrlich bin, wusste ich nicht, was mich erwartet. Ich kannte die 2. Bundesliga überhaupt nicht, wusste nur, dass es eine anstrengende Liga mit harten Gegnern sein soll. Gefreut habe ich mich auf die Heimspiele in der Arena. Ich hatte mir vorab Videos der Fans angeschaut, fand das Stadion direkt sehr schön. Mir wurde gesagt, ich solle ein wichtiger Spieler sein, der oft auf dem Platz steht. Aber sicher kann man ja nie sein.

Tor-Jubel: Nach dem 1:0 gegen Dresden freut sich Thomas Ouwejan (2. v. r.) mit seinen Schalke-Kollegen (v. l.) Marcin Kaminski, Simon Terodde und Rodrigo Zalazar.
Tor-Jubel: Nach dem 1:0 gegen Dresden freut sich Thomas Ouwejan (2. v. r.) mit seinen Schalke-Kollegen (v. l.) Marcin Kaminski, Simon Terodde und Rodrigo Zalazar. © firo

Nun gehören Sie zu den wichtigsten Spielern – als linker Verteidiger passiert das nicht oft.

Ouwejan: Ich habe gewusst, dass ich mit Flanken und Standards wichtig für Schalke werden könnte. Auch, dass ich Tore vorbereiten und schießen kann. Aber mit drei Toren und sieben Vorlagen nach der Hinrunde hatte auch ich nicht gerechnet.

Auch Co-Trainer Mike Büskens war linker Verteidiger. Reden Sie oft darüber?

Ouwejan: Wenn ich eine gute Flanke schlage, sagt er mir immer, er hätte es noch besser gemacht. (lacht) Das sind lustige Momente. Seine Hinweise sind wichtig für mich, damit ich auf einem hohen Level bleibe. Manchmal reden wir darüber, wie Spiele früher waren und wie sie heute sind – und was er geleistet hat. Wir sprechen darüber immer auf Deutsch – das ist ein gutes Deutsch-Training für mich…

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Alkmaar ist ihre Geburtsstadt, ihr Ex-Klub AZ ihr Heimatverein. Sind Sie enttäuscht, dass Sie dort keinen Stammplatz mehr hatten und verliehen wurden?

Ouwejan: Die Geschichte ist kompliziert. Ich habe zwei Jahre lang von 2017 bis 2019 immer gespielt, wollte dann aber wechseln. Das durfte ich nicht, es gab Unstimmigkeiten mit dem Verein. Am Ende war es gut, dass ich nach dem dritten Jahr, in dem ich weniger gespielt habe, im Sommer 2020 nach Italien gehen konnte. Ich hatte ein gutes Jahr in Udine, der Klub wollte mich behalten. Aber dann kam Schalke, und ich habe mich anders entschieden.

Was ist so speziell an Schalke?

Ouwejan: Die Atmosphäre bei einem Sieg ist unglaublich. Ich habe mit Alkmaar mal in Old Trafford gegen Manchester United gespielt. Das ist ein sehr schönes Stadion, die Atmosphäre auf Schalke ist aber noch besser. Es gibt auch viele in meiner Heimat, die nachfragen, wenn ich ein Tor schieße oder vorlege. Schalke ist ein berühmter Klub in den Niederlanden…

… und hat viele niederländische Klub-Idole wie Huub Stevens, Youri Mulder und Klaas-Jan Huntelaar.

Das ist Thomas Ouwejan

Geboren ist Thomas Ouwejan (25) in Alkmaar, sein Heimatverein ist AZ Alkmaar. Dort wurde er Profi, er bestritt 81 Spiele in der Eredivisie. Nachdem er 2019/20 den Stammplatz verloren hatte, wechselte er für ein Jahr zu Udinese Calcio nach Italien (15 Spiele, kein Tor).

Er wohnt mit seiner Freundin in einem Appartement in Gelsenkirchen-Buer.

Ouwejan: Die kenne ich noch nicht persönlich. Aber das wird sich bestimmt noch ändern.

Was ist der größte Unterschied zwischen dem Fußball in den Niederlanden und in Italien und der 2. Bundesliga?

Ouwejan: In den Niederlanden ist der Fußball sehr technisch, das Positionsspiel ist wichtig, das ist das, was ich sehr mag. Das Tempo ist nicht so hoch wie in Italien oder in der 2. Bundesliga. In Italien ist es sehr taktisch, die 2. Bundesliga vor allem sehr physisch.

Ihre Flanken und Pässe haben eine erstaunliche Präzision. Sie spielen gern Golf…

Ouwejan: Genau, auch beim Golf geht es um ein gutes Ballgefühl und um Präzision. Außerdem ist Golf nicht so anstrengend, man kann es gut in der Freizeit spielen. (lächelt)

Auch im Ruhrgebiet gibt es viele Golfplätze.

Ouwejan: Das stimmt, aber hier habe ich noch nicht gespielt. Das werde ich aber definitiv, wenn das Wetter wieder besser wird – dann zusammen mit Victor Palsson, der auch Golf spielt.

Mehmet Can Aydin hat sie wegen ihrer Flanken als „David Beckham von Schalke 04“ bezeichnet. War Beckham tatsächlich Ihr Vorbild?

Ouwejan: (lacht) Als ich jung war, war Beckham ein großer Spieler und ich habe genau beobachtet, wie er die Freistöße geschossen hat. Er ist sicher ein Grund, warum ich eine Menge Freistöße schieße und im Training immer wieder übe.

Sie sind aktuell bis zum Saisonende ausgeliehen, Schalke kann Sie mit einer Option fest verpflichten – auch wenn der Aufstieg nicht gelingt. Denken Sie bereits an die kommende Saison?

Ouwejan: Nein. Es ist nicht nötig, darüber zu sprechen. Wenn wir aufsteigen, ist sowieso alles ganz einfach. Und wenn nicht, werden wir uns definitiv auch zusammensetzen.

Sie haben alle 17 Gegner in der 2. Bundesliga kennengelernt. Der Rückstand zum zweiten Platz beträgt drei Punkte – kann Schalke den Aufstieg schaffen?

Ouwejan: Ja, es ist möglich. Wir haben in der Hinrunde viele Punkte in Spielen verloren, die wir hätten gewinnen können, zum Beispiel gegen Aue, Darmstadt und Karlsruhe. Das müssen wir in der Rückrunde besser machen.

Nun steht Weihnachten 2021 vor der Tür – was ist Ihr Ziel für 2022?

Ouwejan: Aufsteigen und dann mit Schalke in der Bundesliga spielen – das sind meine sportlichen Ziele für 2022.