Gelsenkirchen. Die 35-Jährige ist am Samstag für Sport1 beim Topspiel im Einsatz. Im Interview spricht sie über das Aufstiegsrennen, Klischees und Häme im Netz.

Kompetent, schlagfertig, kritisch, charmant: Ruth Hofmann (35) hat sich in der Fußballszene längst einen Namen gemacht. Am Samstag (20.30 Uhr) ist die Sport1-Moderatorin beim Zweitliga-Topspiel zwischen dem Hamburger SV und Schalke 04 im Einsatz. Im WAZ-Interview spricht sie über die Königsblauen, das Aufstiegsrennen, ihren Job in einer Männerbastion und Anfeindungen im Netz.

Frau Hofmann, am Samstag steht das letzte Zweitliga-Topspiel des Jahres 2021 für Sport1 an. Freuen Sie sich schon auf das Verfolgerduell HSV gegen Schalke 04?

Ruth Hofmann Es ist großartig, zum Abschluss des Jahres so einen Kracher zu haben – und dazu noch mit so einer brisanten Ausgangslage. Wir wussten ja schon vorher, dass die 2. Liga bockstark ist. Aber jetzt ist sie mit Schalke 04 und Werder Bremen eben noch spannender geworden.

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Schalke steht aktuell auf Platz vier. Hätten Sie so eine Platzierung vor dem Saisonstart als Expertin erwartet?

Vor dem Auftakt war meine Prognose, dass Schalke von den großen Teams die besten Karten hat, aber sie haben natürlich mit dem Umbruch zu kämpfen. Sportdirektor Rouven Schröder musste bei Schalke viel basteln, er hatte schon erheblich etwas zu tun, um die Mannschaft neu zusammenzustellen. Zuletzt gab es bei den Schalkern dann auch noch die Ausfälle von Torjäger Simon Terodde und seinem Sturm-Partner Marius Bülter. Aber sie haben jetzt trotzdem die Chance, als Tabellendritter zu überwintern. Die Ausgangslage ist eigentlich ganz ordentlich.

Schalke 04: Ruth Hofmann lobt Tabellenführer St. Pauli

Sie haben kürzlich das Topspiel zwischen St. Pauli und Schalke moderiert. Wie stark ist St. Pauli?

Beim 2:1-Sieg hat man die Dominanz des Herbstmeisters gesehen. St. Pauli macht es richtig gut. Und der ehemalige Schalke-Stürmer Guido Burgstaller weiß einfach, wo das Tor steht. Er hat einen richtig guten Lauf, das flutscht bei ihm. St. Pauli steht zurecht da oben.

Und was trauen Sie dem Hamburger SV zu?

Beim HSV war bisher oft die Thematik, dass die Mannschaft eine Führung mit dem teils wilden Walter-Fußball verspielt hat. Mittlerweile haben sie sich stabilisiert und ihre letzten drei Heimspiele gewonnen. Die Geduld, an der Ausrichtung festzuhalten und sich zu entwickeln, scheint sich beim HSV auszuzahlen.

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Steht Werder Bremen bei Ihnen noch auf dem Aufstiegszettel?

Die Impf-Posse um den ehemaligen Trainer Markus Anfang hat Werder kräftig durchgerüttelt. Zuletzt haben die Bremer aber wieder Boden gutgemacht und sind sicherlich noch mit im Rennen dabei. Man sieht aber, dass sich alle drei großen Klubs in dieser Saison auch schwertun. Der Aufstieg ist kein Selbstläufer. Ich freue mich extrem, dass sich die Prognose einer spannenden Zweitligaspielzeit bisher bewahrheitet.

Sie haben Sport studiert, haben dann bei Bezahlsender Sky volontiert und sich mittlerweile bei Sport1 als Moderatorin im Fußball und Motorsport etabliert. Mussten Sie in der Männerdomäne Fußball eigentlich gegen viele Klippen ankämpfen und sich Sätze wie „was will die denn hier“ anhören?

Um die Klischees gleich mal abzurunden: Und dann bin ich auch noch blond (lacht). Nein, im Ernst: Ich habe mich eigentlich schnell in dem Business zurechtgefunden. Die ersten Steps beim Fernsehen sind natürlich Lehrzeiten, da spielt eine gewisse Nervosität mit. Aber mit der Zeit kommt die Routine. Meine Arbeit macht mir riesig Freude. Ich bin jetzt seit zehn Jahren in dieser Sport-TV-Branche dabei und habe mir ein gewisses Standing erarbeitet. Natürlich ist das noch eine Männerdomäne, aber auch als Frau bringe ich Fußball-Fachkompetenz mit. Das merken meine Gesprächspartner auch sofort. Ich finde, dass ich als Sportmoderatorin nicht auf große Widerstände treffe.

Das gilt leider nicht für alle Kolleginnen. Bei der Fußball-Europameisterschaft gab es vor wenigen Monaten erneut Hetze gegen ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann, die einen regelrechten Shitstorm über sich ergehen lassen musste. Können Sie so etwas nachvollziehen?

Kritik sollte grundsätzlich immer sachlich bleiben und nie in Beleidigungen abdriften. Im Livekommentar fällt sich die Kritik einzelner Zuschauer vielleicht stärker aus, weil da Frauen noch seltener sind. Was die Moderation angeht, haben sich in den letzten Jahren immer mehr Frauen im Fußball etabliert. Weibliche Kompetenz gibt es genug. Ich wünsche mir auch, dass es künftig noch mehr Kolleginnen gibt, die Fußballspiele kommentieren und moderieren.

Peter Neururer und Ruth Hofmann bei einer Sport-1-Übertragung.
Peter Neururer und Ruth Hofmann bei einer Sport-1-Übertragung. © imago images/Eibner | Ewert /Eibner-Pressefoto via www.imago-images.de

Haben Sie selbst schon Anfeindungen in sozialen Netzwerken erlebt?

Wer kennt das nicht? Zum Glück sind die Fälle aber überschaubar. Grundsätzlich möchte ich, dass man sachlich und auf einem guten Niveau diskutieren kann. Das gelingt im Netz leider nicht immer.

Haben Sie Verständnis dafür, dass Profis oder Funktionäre unmittelbar nach dem Abpfiff erstmal abkühlen wollen, anstatt sich sofort zum Interview vor die Kamera zu stellen?

Wir haben genau den Fall nach Schalkes Spiel in Bremen erlebt als Werder durch einen Elfmeter in der letzten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 ausgeglichen hat. Da wollte von den Schalke-Spielern keiner etwas sagen, was ich natürlich wegen des Frusts verstehen konnte. Bei Trainern ist es auch oft so, dass sie nach Spielende erst in die Kabine wollen. Aus journalistischer Perspektive ist es mir aber am liebsten, wenn direkt nach dem Abpfiff jemand bei uns am Mikrofon steht, denn dann ist er noch voller frischer Eindrücke. Für die Zuschauer und uns ist so etwas am schönsten, weil dann die Übertragung richtig rund wird.

Mit HSV-Trainer Tim Walter sind Sie nach einem Spiel mal etwas angeeckt.

Das war die Phase, in der es beim Hamburger SV diese wiederkehrenden Probleme gab. Meine Aufgabe als Moderatorin ist es dann, nachzuhaken, woran die Probleme liegen. Dass ein Gesprächspartner dann mal etwas emotionaler reagiert, ist für mich vollkommen okay. Ich habe Tim Walter dann beim nächsten Spiel wiedergetroffen und mich ganz normal mit ihm unterhalten. Da ist nichts hängengeblieben. Genau so muss es auch sein.

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Wir bewegen uns rasant auf das Weihnachtsfest zu. Liegt bei Ihnen irgendetwas Sportliches unter dem Tannenbaum?

(lacht) Eine Dauerkarte von Schalke 04 oder Ähnliches liegt wahrscheinlich nicht unter dem Weihnachtsbaum – und auch sonst nichts Sportliches. Wir halten das mit den Geschenken in der Familie ohnehin recht klein. Das Beisammensein steht im Vordergrund.

Schlussfrage: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2022?

Was die 2. Liga angeht, wünsche ich mir, dass wir ein ganz spannendes Aufstiegsrennen erleben und die Entscheidung erst am letzten Spieltag fällt. Privat bin ich sehr glücklich, da kann alles so bleiben. Schön wäre es noch, wenn wir das Corona-Virus so eindämmen könnten, dass es uns nicht mehr stark einschränkt.