Gelsenkirchen. Der Kult-Coach spricht im Interview über Torjäger Terodde, Keeper Fährmann, Bankjubel und den neuen Teamgeist.
Kult-Trainer Peter Neururer (66) sieht eine positive Entwicklung bei Schalke 04. Der langjährige Bundesliga-Coach, der am Samstag (20.30 Uhr) beim Schalker Heimspiel gegen Dynamo Dresden als Sport1-Experte im Einsatz ist, lobt im WAZ-Interview nicht nur den neu entstandenen Teamgeist bei den Königsblauen, sondern auch die Arbeit der Sportlichen Leitung.
Herr Neururer, Schalke hat die letzten drei Spiele in der 2. Liga gewonnen und zuletzt mit 8000 Fans den 1:0-Sieg in Hannover gefeiert. Machen Ihnen die Königsblauen wieder Spaß?
Peter Neururer (lacht): Ich muss keinen Spaß an Schalke haben, sondern die Leute, die dort arbeiten. Was die Punktausbeute angeht, haben die Verantwortlichen sicherlich Freude. Aber man muss auch feststellen: Es ist sicherlich die attraktivste 2. Liga aller Zeiten. Wenn es die beste 2. Liga aller Zeiten wäre, dann würde Schalke mit 19 Punkten nach zehn Spielen sicherlich nicht an dritter Stelle stehen.
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Sind Sie überrascht, dass Schalke 04 nach dem Abstieg und dem kompletten Umkrempeln des Kaders schon relativ früh eine so ordentliche Rolle spielt?
Wenn ich mir die Transferbewegungen von über 40 Spielern ansehe, dann kenne ich keinen anderen Verein, der punktemäßig so gut dasteht. Ich ziehe den Hut vor Sportdirektor Rouven Schröder. Was hier auf Schalke passiert ist, das ist eine Komplett-Umwandlung einer Mannschaft. Dabei ist keiner zu Schaden gekommen. Es gibt allerdings einen Leidtragenden. Und zwar Ralf Fährmann.
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Ex-Kapitän Fährmann musste nach der 1:2-Niederlage gegen Karlsruhe seinen Platz im Tor an Martin Fraisl abgeben.
Ralf Fährmann hatte mit keiner Niederlage in dieser Saison etwas zu tun. Dem 0:1 gegen Karlsruhe, das ihm angekreidet wurde, ging ein mannschaftliches Fehlverhalten voraus. Ob der Wechsel von Fährmann zu Martin Fraisl jetzt richtig oder falsch war, kann man nicht sagen. Er hat auf jeden Fall keinen Schaden angerichtet. Wenn Fraisl bei seinem Debüt in Rostock gepatzt hätte, hätte es anders ausgesehen. Dann wären beide Schalker Torhüter verbrannt gewesen.
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Mit Thomas Ouwejan hat Schalke endlich wieder einen Standard-Spezialisten, der über die linke Seite Dampf macht und gefährliche Flanken schlägt.
Er hat einen überragenden linken Fuß. Ich vergleiche ihn mit dem früheren Schalker Jörg Böhme. Ouwejan ist durch die Dreier-Kette nicht so stark in die Defensive eingebunden und kann deswegen seine Stärken nach vorne mehr zur Entfaltung bringen.
Auf Schalke wird nach vielen Frust-Monaten wieder ausgiebig gejubelt, zuletzt gab es ausgelassene Stimmung beim 1:0-Sieg in Hannover. Entsteht da ein neuer Geist?
Ich gucke beim Fußball nicht nur auf das Feld, sondern auch auf andere Bereiche. Wenn die Ersatzbank beim Torerfolg mehr hüpft als die Spieler auf dem Rasen, dann stimmt es. Die Jungs, die draußen sitzen, fiebern mit. Auch die Art und Weise, wie Simon Teroddes Tor beim 3:0 gegen Ingolstadt aufgelegt und anschließend gefeiert wurde, spricht für den Schalker Teamgeist. Simon Terodde ist zu 100 Prozent aufgenommen worden und passt zu 100 Prozent in diese Truppe. Ich hatte ihn ja früher selbst als Spieler und hoffe, dass ihm jetzt gegen Dresden sein 154. Zweitliga-Tor und damit der neue Rekord gelingt.
Was sagen Sie zu der These, dass ein Simon Terodde zum Aufstieg zu wenig ist und im Sturm eventuell im Winter nachgelegt werden muss?
Die Frage, was passiert, wenn Simon Terodde mal ausfällt, kam ja schon öfter auf. Welcher Zweitligist hat einen zweiten Stürmer dieser Kategorie? Das kann man finanziell gar nicht stemmen. Und wenn ein Verein überhaupt zwei Spieler vom Schlag eines Terodde hat, dann spielt er in der Bundesliga.
Wie sehen Sie Schalkes Aufstiegschancen?
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Es gibt acht Mannschaften, die um den Aufstieg mitspielen. Schalke gehört dazu. Das Team ist weiter, als viele gedacht hätten. Von Woche zu Woche kann man aber eigentlich einen neuen Favoriten benennen. Das qualitative Niveau von Schalke hat noch nichts mit Dominieren zu tun. Du verlierst 1:4 gegen Jahn Regensburg, spielst zuhause nur 1:1 gegen Erzgebirge Aue – spielerisch steckt bei Schalke sicherlich noch mehr drin. Wenn Kapitän Danny Latza nach seiner Verletzung zurück ist, dürfte sich das positiv auswirken. Er könnte dann der Kopf des Teams sein und zusammen mit Victor Pálsson sowie Simon Terodde eine Traumachse bilden.
Weder Bundesliga-Absteiger Werder Bremen noch der Hamburger SV mischen derzeit in der Zweitliga-Spitzengruppe mit. Kommt das für Sie überraschend?
Werder wusste bis zur Schließung des Sommer-Transferfensters noch gar nicht, was überhaupt los ist. Einige Spieler wollten noch weg, dann wurde Marvin Ducksch spät als Neuzugang geholt, zudem war Niclas Füllkrug verletzt. Diese Schwierigkeiten waren einfach da. Deswegen ist es keine Überraschung, dass Werder auch mal ein Spiel klar verliert. Wenn der HSV sein Auftaktspiel auf Schalke nicht 3:1 gewonnen hätte, dann wäre nicht die Rede von einem variablen Spiel gewesen, sondern von einem heillosen Durcheinander. In Hamburg wird ein unglaublicher Spektakel-Fußball gespielt, aber wenn der SV Sandhausen in Unterzahl fast einen Punkt mitnimmt, zeigt es, dass auch mit dieser neuen Ausrichtung noch längst nicht alles nach Wunsch läuft.
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Am Samstagabend kommt Dynamo Dresden zum Flutlichtspiel in die Veltins-Arena. Worauf müssen sich die Königsblauen gegen den Aufsteiger aus Sachsen einstellen?
Schalke 04 erwartet eine unglaublich kampfstarke Mannschaft. Dynamo Dresden ist heiß auf jeden Zweikampf, aber zuletzt ist ihnen der letzte Touch etwas abhandengekommen. Dynamo wird sich nicht hinten reinstellen. Es lohnt sich für jeden Zuschauer, ins Stadion zu gehen – oder das TV einzuschalten. Das Spiel geht nicht 0:0 aus.