Kiel. Fabian Reese trifft mit Kiel auf seinen Ausbildungsverein. Im Interview spricht er über seine Zeit auf Schalke, denen er den Aufstieg zutraut.
Als Fabian Reese (23) Schalke im Januar 2020 verlassen hat, waren die Königsblauen in der Spitzengruppe der Bundesliga. Der gebürtige Kieler Reese ging zurück zu seinem Heimatverein Holstein Kiel, und jetzt trifft man sich am Sonntag (13.30 Uhr/ Sky) zum Duell in der Zweiten Liga. Ein Gespräch über zwei Vereine, die nicht nur die Komfortzone unterscheidet.
Herr Reese, Sie sind einer von drei Ex-Schalkern in Kiel, die beiden anderen sind Phil Neumann und Steven Skrzybski. Bei wem merkt man denn am meisten, dass er heiß auf Schalke ist?
Fabian Reese: Da hat jeder seine eigene Geschichte. Der Vater von meinem besten Freund Phil Neumann hat eine Dauerkarte auf Schalke und fährt zu jedem Auswärtsspiel – in seiner gesamten Familie steckt die Schalke-DNA. Ich habe auch sieben Jahre auf Schalke verbracht, das ist ein großer Teil meines Lebens – dieser Verein hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Und Steven hat mit Schalke von der Champions League bis zum Abstieg alles erlebt.
Sie sind in Kiel geboren und wurden auf Schalke ausgebildet: Sie können am besten beurteilen, welche Bedeutung dieses Spiel für beide Vereine hat.
Es ist das zweite Saisonspiel, das erste haben sich beide anders vorgestellt, aber es war eben auch erst das erste Spiel. Auf jeden Fall sind beide Vereine ambitioniert. Am Sonntag wird man sehen, wer mit der ersten Niederlage besser umgehen konnte. (Anm. der Red.: Kiel verlor zum Start mit 0:3 in St. Pauli)
Liegen wirklich Welten zwischen beiden Vereinen?
Man muss fairerweise sagen: Als ich gegangen bin, stand Schalke auf dem dritten, vierten oder fünften Platz der Bundesliga – die heutige Situation kann ich schwer beurteilen. Aber grundsätzlich stimmt das schon: Schalke hat 160.000 Mitglieder – so viele wie sonst die gesamte Zweite Liga zusammen. Das sind wirklich zwei ganz unterschiedliche Welten, aber trotzdem spielen wir in der gleichen Liga, und Schalke wird da nicht jedes Spiel im Vorbeigehen gewinnen.
Woran merkt man diese verschiedenen Welten als Profi im Alltag?
Das sieht man schon an den Spielern, die geholt werden: Auf Schalke habe ich früher Spieler gesehen, die 20 oder 25 Millionen Euro gekostet haben – bei Holstein sind das vollkommen utopische Zahlen. Das sind einfach andere Hausnummern.
Ich wollte eher auf die täglichen Dinge hinaus wie zum Beispiel das Schuheputzen nach dem Training.
Da müsste ich jetzt aus dem Nähkästchen plaudern (lacht). Aber es ist schon so: Auf Schalke wird einem als Spieler vieles abgenommen, bei Holstein muss man vielleicht auch mal einige Dinge selbst machen. Aber das ist normal, wir haben hier einen anderen Etat und zu meiner Zeit spielte Schalke wie gesagt eine Liga höher – wie es jetzt ist, weiß ich nicht. Aber am Ende ist es auch egal, ob man zum Beispiel in einem Fünf-Sterne-Hotel oder in einem Drei-Sterne-Hotel schläft – das verändert es nicht, ob man das Spiel am nächsten Tag gewinnt. Ich schlafe meinetwegen auch in einer Jugendherberge, wenn wir gewinnen (lacht).
Ist Schalke für Profis wie eine Komfortzone?
Jeder Profi bei einem deutschen Verein lebt in einer Komfortzone, so ehrlich muss man sein. Wenn ich daran denke, was mir alles abgenommen wird, bin ich hier in Kiel auch in einer Komfortzone: Jeder Mitarbeiter bei Holstein tut wirklich alles für uns, und dafür bin ich sehr dankbar. Als Profi hat man den schönsten Beruf, und dafür sollte man dankbar sein.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie hören, dass Schalke einen Spieler wie Matija Nastasic nicht einsetzen kann, weil er eine Prämie von 30.000 Euro pro Punkt bekommt?
Eine schwierige Frage. So eine Zahl ist einfach schwer zu greifen, für Außenstehende utopisch.
Was hat Kiel, das Schalke nicht hat?
Kiel ist meine Heimat, als kleiner Junge habe ich hier angefangen zu kicken. Der Verein ist extrem familiär, jeder kennt jeden Mitarbeiter mit Namen. Es ist ein ehrliches, offenes Miteinander. Es macht riesig Spaß, hier zu spielen.
So wie einst auf Schalke in der Knappenschmiede?
Das kann man gut vergleichen, ja.
Norbert Elgert war Ihr größter Förderer auf Schalke.
Herr Elgert hat mich zu dem gemacht, der ich geworden bin und mich auf das Leben als Profi vorbereitet. Er hat uns Spielern auf dem Platz und neben dem Platz Werte vermittelt wie Demut, Härte oder Durchhaltevermögen. Er ist ein sehr guter Trainer und ein toller Mensch.
Haben Sie in der vergangenen Saison eigentlich mit Schalke gelitten, oder haben Sie sich schon klammheimlich auf das mögliche Wiedersehen in der Zweiten Liga gefreut?
Natürlich habe ich gelitten – ich habe es nicht glauben können, was da passiert ist und habe gehofft, dass wir uns in der ersten Liga wiedersehen. Leider ist es für beide Vereine anders gekommen, auch unser Scheitern in der Relegation gegen Köln war sehr bitter.
Sie kennen die Bundesliga und die Zweite Liga aus eigener Erfahrung: Was macht es so schwierig, sich auf die Zweite Liga umzustellen?
In der Zweiten Liga wird mehr über den Kampf entschieden, über eine starke Mentalität. Es ist eine andere Art Fußball, nicht so technisch versiert, aber mit sehr viel Leidenschaft. Die Plätze in der Zweiten Liga sind vielleicht hier und da nicht so gut, die Stadien sind hier und da kleiner als in der Bundesliga – obwohl es in diesem Jahr kaum noch Unterschiede gibt, wenn man sich die Namen der Vereine anschaut.
Schalkes neuer Torwart Martin Fraisl sagt, die Zweite Liga ist eine Teufelsliga. Hat er recht?
Ein bisschen schon, aber Teufelsliga hört sich böse an. Die Zweite Liga ist eine ganz unberechenbare, geile und spannende Liga, in der die Namen nicht entscheidend für den Erfolg sind.
Schalke setzt auf erfahrene Spieler, die diese Liga kennen – richtig?
Man braucht die richtige Mischung, um eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen. Ich glaube schon, dass Schalke die hat.
Reicht es am Ende für den Wiederaufstieg? Oder ist Kiel dran, das jetzt zweimal in der Relegation den Aufstieg knapp verpasst hat?
Ich traue Schalke den Aufstieg zu. Bei uns muss alles passen. Wir sind nicht der große Favorit, wir reden nicht vom Aufstieg, aber wir schauen mal, was im Sommer rauskommt…
Und was kommt am Sonntag raus?
Ein 2:1 für Holstein.