Gelsenkirchen. Schalke 04 plant seine erste digitale Mitgliederversammlung generalstabsmäßig. Dennoch bleiben Unsicherheiten, nur eines ist klar...

Wer auf Schalke Vereinsmitglied ist, konnte in den vergangenen Tagen im Internet schon mal einen Blick hinter die digitalen Kulissen seines Klubs werfen. Am Montagabend trafen sich die Kandidaten für die anstehende Wahl zum Aufsichtsrat zum verbalen Duell, und weil der Kreis in diesem Jahr stattliche zehn Personen umfasst, wurden für diese Veranstaltung zwei Diskussionsgruppen gebildet.

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Die Einteilung, wer mit wem die Argumente zu tauschen hatte, erfolgte dabei keineswegs einfach so nach Gutdünken: Es wurde gelost, und damit alles auch seine Richtigkeit hat, wurde diese Auslosung als filmisches Dokument transparent ins Internet gestellt und – mehr noch – sogar vom Vereinsjuristen vorgenommen. Allein daran sieht man, wie generalstabsmäßig der FC Schalke 04 seine Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag (ab 9.04 Uhr) plant.

Diese große Sorgfalt hat Gründe: Angesichts der Situation des Vereins ist diese Mitgliederversammlung die wichtigste seit Jahrzehnten. Und es ist die erste in der Vereinsgeschichte, die digital stattfindet. Während sich die Protagonisten wie gehabt auf einer Bühne in der Arena treffen, schalten sich die Mitglieder von zu Hause aus über ihren Computer zu. Allein dieser Umstand sorgt schon für Unsicherheit oder Erwartungen – wie man’s nimmt.

Wie viele Schalker werden kommen?

Denn: Niemand weiß, wie viele Schalker am Ende tatsächlich an der Veranstaltung teilnehmen werden. In normalen Zeiten pilgern 8000 bis 10.000 Königsblaue zur Mitgliederversammlung in die Arena, aber jetzt sind die Zeiten nicht normal. Schalke hat 160.000 Mitglieder, davon sind 125.000 stimmberechtigt – theoretisch könnten sich alle zuschalten, wenn sie sich im Vorfeld registriert haben.

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Über den Computer ist der Weg von zu Hause in die Arena kurz, Schalke rechnet daher mit deutlich mehr Teilnehmern als sonst, wobei die üblichen 10.000 ja auch schon eine stolze Zahl sind. Sebastian Buntkirchen, auf Schalke der Direktor für Fans und Vereinsangelegenheiten, prognostizierte zuletzt bei der Informationsveranstaltung MitGEredet eine Schalke-typische Zahl von 16.904 Teilnehmern. Sein Kollege Ashkan Maleki tippte auf 30.000 bis 40.000 zugeschaltete Schalker – das wären fast viermal so viele wie sonst. Maleki ist als Direktor Digital und Innovation der Kopf der technischen Umsetzung, er sagt daher auch: „Wir reden aber von 125.000 Menschen, die im besten Fall ihre Stimme abgeben wollen.“

Und das ist der Punkt, an dem sich die Erwartung mit der Unsicherheit mischt, ob auch alles funktioniert – technisch gesehen.

Hält die Technik?

Zwar sind digitale Treffen in Zeiten der Corona-Pandemie üblich, aber nicht in dieser Dimension – selbst DAX-Konzerne kommen bei ihren Jahreshauptversammlungen nicht annähernd auf solche Teilnehmerzahlen. „Ich kenne keine andere Veranstaltung in dieser Größenordnung“, erklärt Maleki. Er muss mit seinem Team sicherstellen, dass jede Stimme, die von zu Hause aus abgegeben wird, auch in der Arena ankommt. Und dass jeder Schalker, der sich bei den Aussprachen zu Wort meldet, auch erkannt und gehört wird. Denn, ganz wichtig: Die Mitglieder können Fragen stellen und Wortbeiträge liefern – so, als wären sie selbst in der Arena.

Dass es dabei zu technischen Störungen kommen kann, liegt auf der Hand – das ist kein Schalke-spezifisches Problem. „Wir rechnen, so ehrlich muss man sein, mit der einen oder anderen Unterbrechung“, sagt Buntkirchen. Und damit meint er nicht irgendwelche gezielten Angriffe von außen auf das Schalker System, sondern schlicht ganz normale technische Wackler.

Aber natürlich muss sich Schalke im Vorfeld auch mit der Frage von möglichen Hacker-Angriffen beschäftigen. Maleki betont, dass sich Schalke auch dagegen gewappnet hat: man habe „einen doppelten und dreifachen Boden aufgebaut“, um mögliche Angriffe abzuwehren. Zumindest wirkt der Technik-Experte nicht besonders besorgt, dass Schalkes Mitgliederversammlung am Ende daran scheitern könnte.

Wie lange dauert die Veranstaltung?

„Bis 23.59 Uhr müssen die Beschlüsse gefasst sein“: Sebastian Buntkirchen, Schalkes Direktor für Fans.
„Bis 23.59 Uhr müssen die Beschlüsse gefasst sein“: Sebastian Buntkirchen, Schalkes Direktor für Fans. © Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Was Schalke eher umtreibt, ist die Frage: Wie lange dauert eine solche Veranstaltung eigentlich, bei der man nicht weiß, wie viele Menschen wirklich teilnehmen und wie stabil die Technik ist? Mal ganz abgesehen davon, dass es auch eine stramme Tagesordnung abzuarbeiten gibt – nicht nur mit der Wahl von gleich fünf Aufsichtsräten. Schalke fängt extra zeitig um 9.04 Uhr an, und dennoch weist Direktor Buntkirchen auf einen Zwang hin: „Bis 23.59 Uhr müssen alle Beschlüsse gefasst sein. Wir können über 0 Uhr hinaus das Vereinslied singen, aber die Wahlen müssen am 13. Juni abgeschlossen sein.“ Schalke gibt sich 15 Stunden, um ein Jahr des Schreckens aufzuarbeiten – eigentlich sogar zwei Jahre, da die Versammlung 2020 ja aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden musste.

Buntkirchen rechnet mit einem lebhaften Verlauf, gewisse Befürchtungen hegt er aus dem Eindruck der vergangenen Monate: „Wie sich Schalker untereinander in der heutigen Zeit in sozialen Medien begegnen, ist unerträglich.“ Ob das auch für die Versammlung gilt, muss man abwarten. Der Fan-Direktor hofft, dass sich alle zusammenreißen.

Spannend wird’s auf jeden Fall, wenn sich die Schalker Vereinsfamilie das erste Mal digital zusammenschließt: Ein Austausch vom heimischen Wohnzimmer bis in die Arena. „Wir wissen, dass es möglicherweise lang und anstrengend wird“, sagt Buntkirchen, der mit vielen Wortmeldungen rechnet: „Die Hemmschwelle wird kleiner sein.“