Gelsenkirchen. Nach dem Spiel in Bielefeld erlebte Schalke eine Nacht der Schande. Bei den früheren Abstiegen wurde noch ganz einfach nur um Schalke geweint.

Wer die Bilder der Nacht gesehen hatte, der musste zu dem Schluss kommen: Sogar absteigen konnte Schalke früher besser. Vermummte, die die Spieler nach ihrer Rückkehr aus Bielefeld nicht nur verbal, sondern auch physisch attackierten, sorgten nach Schalkes viertem Abstieg aus der Bundesliga für eine Nacht der Schande. Vor 40 Jahren, als Schalke das erste Mal abgestiegen war, wurde noch gemeinsam geweint – so ändern sich Zeiten und Menschen. Wie weh Schalke damals alles tat, zeigten 1981 die Tränen von Charly Neumann.

Es war am 6. Juni 1981, damals war Schalke am 33. Spieltag durch eine 0:2-Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern das erste Mal abgestiegen. Die Fans weinten bittere Tränen, Mannschaftsbetreuer Charly Neumann schluchzte mit ihnen und stammelte: „Wir steigen wieder auf, wir steigen wieder auf.“ Dass die Tränen für einen Boulevardfotografen am nächsten Tag noch mal ins Bild gesetzt wurden, spielte keine Rolle: Echt waren sie trotzdem.

Schalke bekam die Quittung für Misswirtschaft und konzeptlose Personalplanung

Schalke hatte in dieser Saison 1980/81 die Quittung für das bekommen, was selbst in der Vereinschronik mit Schlagwörtern wie „finanzielle Misswirtschaft“, „konzeptlose Personalplanung“ und der „Austragung endloser Privatfehden vor und hinter den Kulissen“ beschrieben wird. Die Spieler Rolf Rüssmann und Wolfram Wuttke wurden im Dezember, mitten in der Saison, verscherbelt: Wuttke ging für 950.000 Mark zu Borussia Mönchengladbach, Rüssmann für 800.000 Mark zum BVB, wo seit Saisonbeginn bereits Rüdiger Abramczik spielte. Trainer Fahrudin Jusufi konnte den Niedergang nicht aufhalten und wurde im Mai gefeuert – Manager Rudi Assauer setzte sich in den letzten Spielen selbst auf die Trainerbank.

Auch beim abschließenden Heimspiel am 13. Juni 1981 gegen den 1. FC Köln (1:2), als die Fans ihren Frust an Klaus Fischer ausließen, weil der mit Schalke nicht in die Zweite Liga gehen wollte – Fischer ließ sich in der Halbzeitpause entnervt auswechseln. Die Fans indes waren zum Schluss des Spiels auf den Rasen gestürmt und skandierten trotzig: „Und wir steigen wieder auf, Halleluja.“ Das große Drama hatte sich eine Woche zuvor in Kaiserslautern abgespielt.

Schalkes erster Abstieg wurde 1981 noch als Betriebsunfall abgesehen, der ein Jahr später mit dem direkten Wiederaufstieg repariert wurde. Doch es kam noch viel schlimmer in den 1980er-Jahren.

Der zweite Abstieg 1983: Jürgen Sundermann war doch kein „Wundermann“ – gegen Uerdingen ging’s runter.
Der zweite Abstieg 1983: Jürgen Sundermann war doch kein „Wundermann“ – gegen Uerdingen ging’s runter. © imago images/Horstmüller | HORSTMUELLER GmbH via www.imago-images.de

Und zwar am 19. Juni 1983, als Schalke zum zweiten Mal aus der Bundesliga abstieg – in der Relegation gegen den krassen Außenseiter Bayer 05 Uerdingen. Nachdem Schalke das Hinspiel in der Grotenburg-Kampfbahn überraschend mit 1:3 gegen den Zweitliga-Dritten verloren hatte, reichte es im Rückspiel vor 60.000 entsetzten Schalkern im Parkstadion nur zu einem 1:1 – der zweite Abstieg.

Trainer war damals Jürgen Sundermann, den Manager Assauer für die Rettungsmission geholt hatte, nachdem Aufstiegstrainer Sigi Held gehen musste. Schalke hatte zwar eine Truppe mit routinierten Spielern wie Bernard Dietz, Jochen Abel und Werner Lorant, aber mit Walter Junghans auch einen Flattermann im Tor. Schon der Relegationsrang wurde mit Glück erreicht, gegen Uerdingen aber war der Zauber von Sundermann als „Wundermann“ vorbei. Schalke war zur Fahrstuhlmannschaft geworden.

Wie schon nach dem ersten Abstieg ging es auch nach dem zweiten direkt wieder nach oben: In der Zweitliga-Saison 1983/84 weckte die Mannschaft um den jungen Olaf Thon (17) große Hoffnungen auf ein dauerhaftes Comeback in der Bundesliga. Doch das war nach vier Jahren wieder vorbei. Interne Machtkämpfe führten Schalke zum dritten Abstieg 1988.

Der dritte Abstieg 1988: Die Fans stürmen den Platz, aber es bleibt friedlich – Schalke wird sogar gefeiert.
Der dritte Abstieg 1988: Die Fans stürmen den Platz, aber es bleibt friedlich – Schalke wird sogar gefeiert. © imago images/Horstmüller | HORSTMUELLER GmbH via www.imago-images.de

Diesmal wurde der 14. Mai 1988 notiert – am 33. Spieltag war durch eine 1:3-Niederlage beim 1. FC Köln alles besiegelt. Mathias Schipper, damals Abwehrspieler, fühlt sich in der Rückschau an die aktuelle Saison 2020/21 erinnert: „Wir haben von Anfang an gegen den Abstieg gespielt, die Stimmung war schlecht.“ Auch die Gesamtsituation im Verein war vergleichbar: Schalke hatte auch damals keine Kohle, die Spieler sollten auf zehn Prozent der Gehälter verzichten.

Die Vorgeschichte spielte sich bereits in den Jahren zuvor ab. Günter Siebert hatte Schalke im Februar 1987 zum dritten Mal als Präsident übernommen, er musste das Erbe verwalten, das ihm sein Vorgänger Hans-Joachim Fenne nach einem ewigen Kompetenzgerangel mit Manager Assauer hinterlassen hatte. Siebert wollte eine neue Mannschaft um Olaf Thon und den beim 1. FC Köln gefeuerten Toni Schumacher aufbauen, aber das misslang. Auch der Trainerwechsel von Rolf Schafstall zu Horst Franz brachte nichts – Schalke stieg als Tabellenletzter ab. Schipper erinnert sich an die Szenen nach der entscheidenden Niederlage in Köln: „Danach bin ich wirklich ausgerastet. Denn einige von uns saßen nach dem Spiel in der Kabine und haben sich tatsächlich damit beschäftigt, wohin sie abends ausgehen würden.“

Das letzte Spiel am 21. Mai 1988 im Parkstadion gegen Werder Bremen (1:4) wurde zu einer trostlosen Angelegenheit. Werder Bremen stand schon als Deutscher Meister fest, Schalke hatte sich an den dritten Abstieg gewöhnt – Jagdszenen wie nun nach dem vierten Abstieg sind nicht überliefert.

Das einzige, was trösten mag: Königsblau kam immer wieder zurück.