Gelsenkirchen. Als Vermarkter war Alexander Jobst auf Schalke erfolgreich: Verträge wie mit Veltins und Gazprom federn selbst den Absturz in die Zweite Liga ab.

Es ist erst wenige Wochen her, als auf Schalke nicht nur die Angst vor dem sportlichen Absturz immens war – mindestens so groß war die Sorge, wie der Klub nach einem Abstieg in die Zweite Liga überhaupt ein finanzielles Budget für den Wiederaufstieg zusammenbekommen sollte. Ein hochrangiger Schalke-Funktionär rechnete im Gespräch mit der WAZ durch, welche Einbußen man einkalkulieren müsste. Er nannte das Beispiel des Hamburger SV, derzeit der renommierteste Zweitligist in Deutschland. Drei Millionen Euro, vielleicht sogar etwas weniger, würde der HSV für seine Trikotwerbung kassieren.

Würde man diesen Vergleichswert herannehmen, drohe Schalke nach einem Abstieg allein in Sachen Trikotwerbung ein Einbruch von 17 Millionen Euro. Denn in der Bundesliga zahlt Hauptsponsor Gazprom 20 Millionen Euro pro Jahr, damit der Schriftzug auf den königsblauen Trikots präsent ist.

Ein Mehrfaches von dem, was der HSV kassiert

Seit gut einer Woche ist diese Furcht, dass mit dem Abstieg alleine 17 Millionen Euro für die Trikotwerbung flöten gehen, abgemildert. Schalke verlängerte den Vertrag mit Gazprom auch für die Zweite Liga zu Konditionen, die die meisten Erstligisten nicht haben. Zwischen acht und zehn Millionen Euro bekommt Schalke in der Zweiten Liga von seinem Hauptsponsor, ein Mehrfaches von dem, das der HSV kassiert. „Die Vertragsverlängerung mit unserem wichtigsten Partner Gazprom hat für Schalke 04 eine enorme Bedeutung und zeigt Vertrauen – insbesondere in schwierigen Zeiten“, sagte anschließend Alexander Jobst, der die Gespräche zusammen mit Aufsichtsrat Matthias Warnig in Russland geführt und abgeschlossen hatte.

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Dieser Deal ist nur ein Beispiel, dass Schalke 04 in der Zweiten Liga zumindest finanziellen Boden unter den Füßen haben wird. Zuvor hatten auch andere Sponsoren, so etwa Arena-Namensgeber Veltins, ihre Treue erklärt. Entsprechend durfte Alexander Jobst am Donnerstag, als er seinen Abschied von Schalke 04 zum 30. Juni ankündigte, behaupten: „Wir haben für die Zweite Liga bereits frühzeitig ein Fundament in den Vermarktungserlösen geschaffen, wie es die meisten Vereine in der 1. Liga nicht haben. Ich übergebe meinen Verantwortungsbereich in einem erstklassigen Zustand.“

Dieser Deal ging nicht auf: Bastian Oczipka präsentiert 2018 das neue Trikot von Umbro. Links Michael Scholz (Umbro), rechts Jobst
Dieser Deal ging nicht auf: Bastian Oczipka präsentiert 2018 das neue Trikot von Umbro. Links Michael Scholz (Umbro), rechts Jobst © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Mit Alexander Jobst geht nicht nur Schalkes dienstältestes Vorstandsmitglied (seit 2011), sondern auch das erfolgreichste – wenn man es allein auf die Geschäftszahlen bezieht. Als Jobst kam, lagen die jährlichen Vermarktungserlöse auf Schalke bei circa 55 Millionen Euro – der frühere Fifa-Mann trieb sie zwischenzeitlich auf mehr als 90 Millionen Euro: Dann begann die sportliche Talfahrt, die auch die Vermarktung zu spüren bekam. Nicht mehr jeder Deal ging auf, so erfüllten sich die großen Hoffnungen mit dem Wechsel von Ausrüster Adidas zu Nachfolger Umbro nicht; im Sommer 2022 wird man sich trennen. Einen neuen Ausrüster zu finden, wird jetzt die wichtigste Aufgabe, wenn die Nachfolge von Jobst geklärt ist.

Hier der Vermarkter aus der Geschäftsstelle, dort die Traditionalisten aus der Kurve

Dass Jobst so erfolgreiche Zahlen präsentierte, lag an seinem Verständnis, die Geschäfte zu führen. Er hat Schalke nicht nur durch die romantische Brille betrachtet, sondern vor allem auch als Unternehmen, sogar als „Produkt“, das es zu vermarkten gilt. Daran schieden sich zum Schluss immer mehr die Geister. Hier der Vermarkter aus der Geschäftsstelle, dort die Traditionalisten aus der Kurve. Ein Gegenüber, das zu Streit führte. Das Fachmagazin Kicker nannte Jobst am Donnerstag „eine Reizfigur mit Sachverstand“ – treffend.

„Ich gehe sehr, sehr schweren Herzens und habe lange mit dieser Entscheidung gerungen“, erklärte Jobst am Donnerstag zu seinem Abschied und fügte hinzu: „Schalke 04 ist einzigartig und hat die Kraft, auch sportlich wieder erfolgreich zu werden. Darauf kommt es an.“ Er hofft, dass seine Ideen und Anstöße zum Thema Ausgliederung Schalke wachgerüttelt haben, um neue Wege gehen zu können. Bis zur Vertragsauflösung am 30. Juni wird er nicht freigestellt, sondern er wird weiter arbeiten und verspricht: „Ich gebe alles für diesen fantastischen Verein; das bin ich unseren Mitarbeitern, den Mitgliedern, den Fans und unseren vielen Partnern und Sponsoren schuldig.“

Schalke hält noch ein Erbstück von Jobst

Ein Erbstück hat er Schalke noch hinterlassen: Die derzeit circa 20 Millionen Euro schwere Esport-Lizenz. Auf diese Idee, den Sport mit Computerspielen nach Schalke zu holen, wäre kein anderer gekommen. Hier Reizfigur, da Sachverstand.

Wie es weitergeht, wird man sehen. In sportlich erfolgreichen Zeiten wird Schalke auch in Zukunft gut zu vermarkten sein – die Kunst ist, dies in schwierigen Zeiten zu schaffen. Auch wenn manch ein Sponsorenvertrag für viele Traditionalisten vielleicht nicht so ganz nach dem Reinheitsgebot schmeckt, nach dem das auf Schalke so beliebte Bier von Veltins gebraut wird.