Dortmund. Revierderby mit 300 Zuschauern, aber ein BVB-Fan nimmt einen Schalke-Anhänger mit. Wie es dazu kam, welche Rolle sein Opa spielt, verrät er hier.

Dass die Sache unerwartete Ausmaße annimmt, merkt Ben schon während der ersten Halbzeit. Sein Sitznachbar Dennis nämlich bekommt eine Nachricht nach der anderen; Freunde und Verwandte, alle melden sie sich bei ihm. Denn er ist im Fernsehen zu sehen und dabei äußerst leicht zu erkennen: Unter den zugelassenen 300 Zuschauern beim Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 (3:0) ist er der einzige Zuschauer im königsblauen Trikot.

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Eigentlich hätten nur BVB-Mitglieder und Dauerkarteninhaber im Stadion sein sollen, aber Dennis hat es hineingeschafft – dank Ben. Der ist 19 Jahre alt, BVB-Fan und kürzlich für seine Ausbildung ins niedersächsische Bückeburg gezogen. Seinen vollständigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, aber am Telefon erzählt er, wie das alles zustande kam: „Dennis ist mein neuer Nachbar. Wir haben uns direkt super verstanden, er hat mir bei einigen Dingen geholfen. Da habe ich gedacht, dass es eine schöne Sache wäre, wenn wir zusammen zum Revierderby gehen können.“

BVB-Fan Ben: Auch der Opa war Schalker

Also gab Ben den Namen des Nachbarn mit an, als er sich als Vereinsmitglied um zwei Tickets bewarb. Denn er schaut sich Spiele im Dortmunder Stadion gerne mit Fans der gegnerischen Mannschaft zusammen an. „Ich finde es schön, die Freude und Begeisterung am Fußball mit einem Zweiten teilen zu können“, erklärt er. Auch mit einem Schalker.

Denn Rivalität gehöre zwar dazu, aber „ich hasse niemanden, nur weil er Schalker ist“. Denn auch der Mann, der Ben an den Fußball heranführte, war Schalker: sein Großvater. „Wir haben früher in der Kneipe zusammen Fußball geguckt“, erzählt der 19-Jährige. „Leider ist er dieses Jahr gestorben, bis dahin habe ich jedes Spiel mit ihm geguckt. Er war Schalke-Fan, ich bin Dortmund-Fan, aber er war mein Ein und Alles.“

Mit dem Schalke-Trikot unter der Jacke ins BVB-Stadion

Und deswegen war es keine große Sache, einen Schalker mit ins Stadion zu nehmen. Der hatte natürlich ein Schalke-Trikot unter der Jacke. Die zog er im Stadion aus, und als sich die Schalke-Spieler direkt vor ihnen aufwärmten, versuchte Dennis, etwas näher heranzukommen. Da allerdings intervenierten die Ordner, baten ihn zurück zum Platz zu gehen und kontrollierten außerdem Ticket und Ausweis. Sehr fair sei das zugegangen, erzählt Ben. Dennis wurde gebeten, wieder die Jacke über das Trikot zu ziehen. Und nach dem Tor zum 2:0 ging er freiwillig, um zu verhindern, dass es auf den Rängen um ihn herum vielleicht doch noch unruhig geworden wäre.

Sein Dortmunder Nachbar hatte ohnehin etwas mehr Freude an dem Spiel: „Es waren leider nur 300 Zuschauer, aber deswegen war es einfach auch ein Privileg, dabei sein zu dürfen“, sagt er. „In diesem traumhaften Stadion zu sitzen, ist immer super. Der Abend hat sich absolut gelohnt. Das werden wir so schnell nicht mehr vergessen.“

Derby zwischen BVB und Schalke mit Zuschauern: Gesundheitsministerium verlangt Erklärung

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Gut möglich aber, dass das Revierderby vorerst das letzte Fußballspiel in Dortmund vor Zuschauern war. Denn das NRW-Gesundheitsministerium hat die Bezirksregierung Arnsberg aufgefordert, zu erklären, warum 300 Zuschauer zugelassen waren, obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen in Dortmund über 100 lag. Laut Corona-Schutzverordnung des Landes hätte das Derby als Geisterspiel stattfinden müssen.

Das Gesundheitsministerium werde einen Bericht bei der zuständigen Bezirksregierung anfordern, um die Gründe für die Entscheidung zu erfahren, teilte ein Sprecher des Ministeriums dieser Redaktion mit und verwies auf einen entsprechenden Passus der Verordnung. Darin heißt es mit Bezug auf bundesweite Teamsport-Veranstaltungen: „Wenn die 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in der Kommune des Austragungsortes am Tag vor der Veranstaltung 35 oder mehr beträgt und das Infektionsgeschehen nicht klar eingrenzbar ist, sind Zuschauer ausgeschlossen.“

DFL-Testphase für Zuschauer endet

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Die Stadt Dortmund konnte am Sonntag auf Anfrage keine Begründung für die Entscheidung nennen. Man wolle sich am Montag erklären, sagte eine Sprecherin. Das NRW-Gesundheitsministerium erklärte, die örtlichen Ordnungsbehörden und die Gesundheitsämter entschieden über die Auslegung und Anwendung der Regelungen, würden dann aber auch die Verantwortungen tragen. Die Bezirksregierungen seien bereits aufgefordert worden, eine einheitliche Auslegung der Normen der Corona-Schutzverordnung zu unterstützen.

Mit dem Oktober endet die sechswöchige Testphase für eine Fan-Rückkehr in die Stadien, auf die sich die Bundesländer verständigt hatten. „Die Regelungen werden in der kommenden Woche sicher bundesweit noch mal zu diskutieren sein“, teilte das NRW-Gesundheitsministerium mit. „Ob es dabei angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens zu Lockerungen kommen kann, erscheint jedoch fraglich.“