Venlo/Essen. Trotz Profikarriere hat Lukas Schmitz Wirtschaftsrecht studiert. Der Ex-Schalker erklärt, warum und wie er seine Zukunft im Fußball plant.
Am kommenden Wochenende kehrt in den Niederlanden nach rund sechs Monaten der Fußball zurück. Nachdem die Saison 2019/20 aufgrund der Coronavirus-Pandemie vorzeitig abgebrochen wurde, rollt in der Eredivisie nun wieder der Ball – und auch Zuschauer sind dabei. Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten dürfen die Stadien wieder zu rund 25 Prozent ausgelastet werden.
Bei VVV Venlo ist der Hattinger Lukas Schmitz (31) mittendrin. Im Interview spricht der Ex-Schalker über den Saisonstart, Spiele ohne Zuschauer, sein Studium während der Profikarriere, Materialismus und seine ehemaligen Teamkollegen Raúl und Klaas-Jan Huntelaar.
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Herr Schmitz, im Sommer sind Sie vom Wolfsburger AC in Österreich zu VVV Venlo gewechselt. Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?
Lukas Schmitz: Meine Familie und ich wollten wieder nach Hause. Meine beiden Kinder gehen jetzt in den Kindergarten und wir wollten ihnen etwas Stabiles bieten. Mit Kindern ständig umzuziehen, ist nicht optimal. Ratingen soll unsere Heimat sein, sodass ich verstärkt nach Klubs gesucht habe, die in der Umgebung beheimatet sind. Venlo passt deshalb perfekt. Von der Kita zum Training brauche ich nur eine halbe Stunde.
In den Niederlanden spielen Sie nun wieder in einer richtigen Fußballnation, wie Sie zuletzt selbst gesagt haben. Was ist in den Niederlanden anders als bei Ihrem Ex-Klub in Österreich?
Schmitz: Die Niederlande steht für Fußballbegeisterung, Stimmung und viele Fans im Stadion. In Österreich ist das anders. Es ist zwar ein wunderschönes Land mit hoher Lebensqualität, aber Fußball hat dort keinen hohen Stellenwert. In der vergangenen Saison haben wir einmal als Tabellendritter gegen den Zweiten gespielt und es kamen kaum mehr als 1000 Leute ins Stadion. Es gab immer wieder Situationen, in denen ich gemerkt habe, dass die Liga fast niemanden interessiert. Das hat natürlich auch Vorteile: Wenn es mal nicht gut läuft, ist es eben auch nicht so schlimm. (lacht) In Holland ist Fußball aber eine Religion – ähnlich wie in Deutschland.
Was macht die niederländische Eredivisie interessant?
Schmitz: Für mich als Verteidiger ist die Liga eine Herausforderung, denn es gibt richtig viele starke, schnelle Offensivspieler. (lacht) Da ist jeder gut am Ball und kann Fußball spielen. Der niederländische Fußball ist wirklich attraktiv. Ich bin ein Stück weit Fußballromantiker und sehe gern geile Spiele mit Offensivfußball. Ergebnisfußball ist nichts für mich und den sieht man in Österreich leider regelmäßig. Wenn man den Fußball liebt, mag man die Eredivise einfach.
Ex-Schalker Lukas Schmitz: "Alles ist besser als ohne Zuschauer"
Was sind Ihre Ziele in Venlo?
Schmitz: Wir haben einen der kleinsten Etats der Liga und in jeder Besprechung geht es nur darum, Wege zu finden, in der Liga zu bleiben. Dieser klare Fokus kann auch ein Vorteil sein. Denn in meinen vorherigen Klubs habe ich immer wieder erlebt, wie viel Druck aufkommt, wenn man der eigenen Zielsetzung nicht gerecht wird. Ich traue uns den Klassenerhalt aber zu.
Viele Fans dürfen zunächst allerdings nicht ins Stadion. Trübt das Ihre Freude auf das neue Abenteuer?
Schmitz: Auf jeden Fall. Anders als in Deutschland startet die Liga vor Zuschauern. Doch die Auflagen sind rigoros, sodass bei uns in Venlo nur zwischen 1500 und 2000 Fans ins Stadion dürfen. Trotzdem ist alles besser als ganz ohne Zuschauer. Geisterspiele habe ich in Österreich erlebt und es war extrem merkwürdig. Ich kann kaum erwarten, dass die Pandemie vorbei ist und endlich wieder Fans in die Stadien dürfen.
Was halten Sie generell davon, dass trotz drohender zweiter Infektionswelle wieder Zuschauer in die Stadien zurückkehren?
Schmitz: Das liegt im Verantwortungsbereich anderer Leute. Ich als Profi kann nur sagen: Der Fußball lebt von den Fans. Ich bin natürlich kein Experte, aber mit Blick auf die aktuellen Zahlen scheint es vertretbar, dass ein Teil der Zuschauer zurückkehren darf.
Zuletzt waren Großdemonstrationen gegen die Corona-Auflagen ein großes Thema. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Schmitz: Die Fronten haben sich verhärtet und es geht immer mehr in Richtung der Extreme. Ein bisschen mehr Vernunft würde allen Beteiligten guttun.
Ex-Schalker Lukas Schmitz: "Ich bin kein Philipp Lahm, der mit Jobangeboten überhäuft wird"
Mit Blick auf Ihren Lebenslauf fällt auf, dass Sie schon immer über den Tellerrand hinaus geblickt haben. Ihre Studiengänge in Sportwissenschaften und Politikwissenschaften haben Sie abgebrochen, in Wirtschaftsrecht zuletzt den Bachelor-Abschluss gemacht.
Schmitz: Ich bin kein Philipp Lahm, der seine Karriere beendet und sofort mit Jobangeboten überhäuft wird, das ist mir bewusst. Wenn man so will, bin ich ein durchschnittlicher Bundesligaprofi. Im Profifußball habe ich gemerkt, dass man eine Waffe braucht, um es weit zu bringen. Das kann man auch auf die zweite Karriere übertragen. Das Studium als zweites Standbein könnte mein Türöffner für einen guten Job im Fußballbusiness sein. Trainer möchte ich nicht werden, sondern eine fordernde Aufgabe im Management übernehmen.
Wie war das Studium mit der Profikarriere zu vereinbaren?
Schmitz: Der Großteil des Studiums war schon geschafft, bevor meine Kinder geboren waren. Zeit war also nicht das Problem. Probleme haben nur Prüfungen gemacht, die an Spieltagen oder während Auswärtsfahrten geschrieben werden mussten. Zum Glück ist mir die Fern-Uni entgegengekommen, sodass ich den Bachelor in der Regelstudienzeit geschafft habe. Mein Plan ist, noch einen Master in Sportmanagement nachzulegen. So hätte ich optimale Chancen, im Sport zu bleiben. Fußball ist mein Leben und soll es auch noch lange bleiben.
Warum reicht es den meisten Profis, nur Fußball zu spielen?
Schmitz: Ich denke, egal wo im Leben, wenn man Erfolg haben möchte, muss der Fokus 100 Prozent auf dieses Thema gerichtet sein. Ich selbst lege immer meinen ganzen Fokus auf die Trainingseinheiten und die Spiele. Wenn die allerdings vorbei sind, nutze ich meine Zeit auch für andere Dinge. Nur auf den Fußball zu setzen, war mir zu risikoreich. Ich bin ein datengetriebener Typ, ich weiß, was die meisten Spieler verdienen und dass viele Profis nach der Karriere ebenfalls Jobs im Management übernehmen wollen. Deswegen wollte ich mit dem Studium auf Nummer sicher gehen.
Hat man als Profi ausreichend Zeit, sich unter der Woche weiterzubilden?
Schmitz: Ich höre häufig, dass sich andere Sportler wundern, wie wenig Profifußballer im Vergleich zu anderen trainieren. Aber es funktioniert auf Dauer einfach nicht, täglich zweimal zwei Stunden auf dem Fußballplatz zu trainieren, weil neben dem eigenen Körper der Ball im Mittelpunkt steht – kognitiv ist das sehr fordernd. Das wird unterschätzt. Ein Athlet wie Cristiano Ronaldo, der dem Fußball bekanntlich alles unterordnet, wird keine Zeit mehr haben, etwas anders zu machen, außer zu trainieren – nur so kommt man nach ganz oben.
Mit Blick auf Ihr abgeschlossenes Studium entsprechen Sie nicht dem Klischee des klassischen Fußballprofis, der eher durch Materialismus auffällt.
Schmitz: Es ist Quatsch, Fußballprofis in Schubladen zu stecken und zu verallgemeinern. Ich halte nicht viel von diesem Klischee. Es gibt tatsächlich Jungs, die verschwenderisch mit ihrem Geld umgehen, doch das ist nicht der Regelfall.
Hatten Sie – etwa zu Ihrer Zeit bei Schalke 04 – mal das Gefühl mithalten zu müssen, wenn Ihre prominenteren Teamkollegen von Autos und Luxus gesprochen haben?
Schmitz: Ich interessiere mich glücklicherweise nicht für Autos, habe da nie Wert drauf gelegt. Es macht mich nicht glücklicher, ein teures Auto zu fahren. Mir sind Erlebnisse wichtiger, zum Beispiel coole Urlaube. Ich hatte nie das Bedürfnis mich mit anderen zu messen.
Ex-Schalker Lukas Schmitz: "Raúl war der beste mit dem ich je zusammengespielt habe"
Inwieweit waren Luxus und Materialismus in der Kabine der Bundesliga Thema?
Schmitz: Auf Schalke habe ich beispielsweise mit Raúl und Klaas-Jan Huntelaar zusammen gespielt, die mit Sicherheit viel Geld verdient haben. Trotzdem waren sie nicht die Typen, denen man das Geld angemerkt hat. Beide waren Familienväter, sehr angenehm im Umgang und hatten es nicht nötig, zu prahlen. Raúl war ein Typ, zu dem ich immer aufgeschaut habe. Sein Verhalten war vorbildlich für jeden Profi. Er war extrem bescheiden, ist ohne Allüren auf junge Spieler zugegangen und wollte helfen, einfach eine große Persönlichkeit, die seinesgleichen sucht. Zusätzlich war er in Sachen Übersicht und Vororientierung auf dem Platz mit Abstand der beste Spieler, mit dem ich je zusammengespielt habe. Ich habe auch andere erlebt, die viel weniger Geld und Erfolg hatten, allerdings so aufgetreten sind, als hätten sie schon alles erreicht. Damit konnte ich nie etwas anfangen. Es war aber in all den Jahren meiner Profikarriere eher die Ausnahme.
Was war Ihre schönste Erinnerung an Ihre Zeit auf Schalke?
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Schmitz: Mein größter Erfolg ist, es in die Mannschaft mit all den großen Namen geschafft zu haben. Ich bin überzeugt, dass einem in der Bundesliga kein Einsatz und kein Sieg geschenkt werden. Kein Trainer stellt nach Sympathie auf, der Profifußball ist in der Spitze ein Geschäft, in dem nur Erfolge und Ergebnisse zählen. In meiner ersten Saison auf Schalke wurden wir Vizemeister und sind bis ins DFB-Pokal-Halbfinale gekommen. Diese Euphorie in Gelsenkirchen zu erleben, war unglaublich.
Inwieweit verfolgen Sie heute noch, wie es Ihren Ex-Klubs Schalke und Fortuna Düsseldorf ergeht?
Schmitz: Ich bin bis heute Schalke-Fan und sehe die aktuelle Entwicklung mit Sorge. Dass sie den eigenen Ansprüchen so weit hinterherhängen, tut weh. Da ich in Ratingen wohne, ist auch Fortuna noch sehr präsent. Es ist unglaublich schade, dass sie am letzten Spieltag noch abgestiegen sind. Ich hoffe, dass es für beide schon bald wieder aufwärts geht.