Gelsenkirchen. Teil 26 der Schalke-Serie: 2018 machte Schalke die Fehler im Erfolg. Heidel suchte die nicht bei sich. Er sprach S04 die Wettbewerbsfähigkeit ab.
Die Tür war zu. Es begann im November 2018, als die Veränderung von Christian Heidel auch an einem kleinen Detail in der Vorstandsetage auf der Geschäftsstelle des FC Schalke 04 sichtbar wurde: Die Tür zu seinem Büro war plötzlich jeden Tag geschlossen – früher hatte sie immer offen gestanden. Der Manager arbeitete nur noch für sich – seine Vorstandskollegen Peter Peters und Alexander Jobst hätten anklopfen müssen, um Zugang zu Heidel zu bekommen. Der Mann, der eigentlich vorangehen sollte, hatte sich in der sportlichen Krise abgekapselt.
Peters: „Heidel hat vergessen, dass er die Mannschaft zusammengestellt hat“
Christian Heidel hatte, wie Peter Peters später erfuhr, in diesen Wochen für sich die Erkenntnis formuliert, dass Schalke in der Bundesliga nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Die Königsblauen waren immer noch als eingetragener Verein unterwegs, mit RB Leipzig eroberte ein neuer Konkurrent den Markt – in diesem Umfeld wären die gehobenen Tabellenplätze laut Heidel nicht mehr realistisch. Dabei war Schalke ein halbes Jahr zuvor, im Mai 2018, noch Vize-Meister geworden. Auf Schalke fragte man sich, wie das zusammenpasst. Während Heidel unter der sportlichen Bestandsaufnahme mit einem trüben Mittelplatz in der Bundesliga resignierte, kamen seine Vorstandskollegen zu einer anderen Erkenntnis. „Christian Heidel“, sagt Peter Peters deutlich, „hat dabei vergessen, dass er diese Mannschaft so zusammengestellt hat.“
Der Rudy-Transfer und eine Vertragsverlängerung „ohne Not“
Auf Schalke bewahrheitete sich im Sommer 2018 wieder einmal ein alter Leitsatz, der aus der Zeit von Männern wie Rudi Assauer stammt: Im Erfolg werden die größten Fehler gemacht. So gab Schalke kurz vor Transferschluss dem Drängen von Trainer Domenico Tedesco nach, der noch Sebastian Rudy verpflichten wollte – „unbedingt“, wie Peters ergänzt. Zwar hatte Schalke mit Omar Mascarell zuvor bereits einen anderen Spieler für diese Position geholt, aber Tedescos Rat war in dieser Zeit einfach Gesetz – so sehr hatte der nun 32-Jährige die Schalker in seiner ersten Saison beeindruckt. Heidel hatte in der Sommerpause auch den Vertrag mit Tedesco verlängert, weil er sicher war, dass dieser Trainer noch lange Jahre auf Schalke verbringen würde.
Davon war auch Peters überzeugt, aber trotzdem merkt er an, dass die Vertragsverlängerung zu diesem Zeitpunkt „ohne Not“ erfolgt sei. Der Trainer war ja auch so noch länger an Schalke gebunden.
„Es wurden falsche Entscheidungen getroffen, die den Verein wirtschaftlich belastet haben“, sagt der damalige Finanzvorstand heute und ergänzt mit Blick auf die großen Anstrengungen um Rudy: „Zum Beispiel Spieler zu holen und diese dann nicht einzusetzen.“
Domenico Tedesco waren keine leichtfertigen Vorwürfe zu machen – das Gegenteil war der Fall: Eher hatte der junge Trainer sich und auch seine Kräfte überschätzt. Selbst im Sommerurlaub zwischen den beiden Serien hatte er gearbeitet und sich zum Beispiel stundenlang Videos von möglichen Neuzugängen angesehen, weil Schalkes Scouting-Abteilung eben doch nicht so gut aufgestellt war. „Domenico hat seinem Körper im Urlaub keine Auszeit gegönnt, sondern er hat teilweise Management-Aufgaben übernommen, die er nicht machen sollte“, beschreibt Peters: „Das führte dazu, dass er nicht frisch aus dem Urlaub zurückkam sondern so wirkte, als ob er schon 30 Spieltage hinter sich hätte. Und mit ausbleibendem Erfolg hatte er dann nicht mehr die Ausstrahlung, die wir von ihm kannten.“
Christian Heidel hätte dies als Manager auffangen sollen, flüchtete aber bei seiner Analyse der sportlichen Krise in die eingangs erwähnte Theorie der plötzlich fehlenden Wettbewerbsfähigkeit. Peters findet dafür heute ein Bild, wie er Manager und Trainer in dieser Zeit erlebt hat: „Beide waren auf die schiefe Bahn geraten.“
Die seltsame Weihnachtsfeier im Goldenen Anker
Deutlich zutage trat das bei der Weihnachtsfeier der Schalker Gremien im Dezember 2018 im Goldenen Anker in Dorsten. Die Schalker Vorstände geben bei dieser Gelegenheit auch einen Ausblick zu ihren Geschäftsfeldern – Peters hat den von Heidel als „absolut leblos und perspektivlos“ in Erinnerung: „Er hat nicht aufgezeigt, wie wir aus dieser Situation wieder herauskommen, sondern er hat festgestellt: Schalke kann das nicht schaffen.“
Spätestens da war klar, dass die Wege von Heidel und Schalke in unterschiedliche Richtungen führen – Ende Februar gab der Sportvorstand nach dem Spiel in Mainz seinen Rückzug bekannt.
Über die Jahre „sehr viel Geld ausgegeben“
Sechs Manager hat Peter Peters in seinen 27 Schalker Jahren erlebt. Er, der als Geschäftsführer begann und als Finanzvorstand aufhörte, erinnert sich mit allen an die Diskussionen über das Geld, das locker gemacht werden soll, um die Mannschaft zu verstärken. Peters hat sich nie als derjenige verstanden, der beurteilen sollte, ob ein möglicher neuer Stürmer eine Verstärkung sein könnte – diese Einschätzung hat er der sportlichen Leitung überlassen. Seine Aufgabe waren die Rahmenbedingungen..
„Fast jeder Manager macht dabei seine eigene Rechnung auf“, berichtet Peters. Und zwar die, „dass er nicht zu viel Geld ausgegeben hat, sondern zu wenig. Horst Heldt hat das nicht gemacht, aber Christian Heidel hat es wie Felix Magath gemacht.“ Natürlich würde Heidel seine Rechnung begründen können, räumt Peters ein, aber für ihn als Finanzvorstand bleibt als Fazit der Zeit mit dem Manager aus Mainz: „Wenn man die Jahre zusammenrechnet, hat er sehr viel Geld ausgegeben. Über Personalkosten und Beraterhonorare hatten wir eine Mannschaft auf Champions-League-Niveau, die aber in dieser Zeit nur einmal in der Champions League gespielt hat.“
Schalkes bislang letztes Spiel dort fand am 12. März 2019 statt – die Mannschaft verlor bei Manchester City mit 0:7. Danach musste auch Domenico Tedesco gehen.