Gelsenkirchen. Teil 19 der Schalke-Serie: So lief der Rauswurf von Magath. Peters über ein Jahr der Rückschläge: „Man konnte nur noch an Schalke verzweifeln.“
Peter Peters wusste, dass das, was Felix Magath tat, eigentlich nicht mehr mit ihm zu machen war. Kurz vor Transferschluss im Januar 2011 kam Ronny Gersch in sein Büro. Der war früher Stadionsprecher bei Energie Cottbus, Magath hatte ihn als persönlichen Assistenten nach Schalke geholt. Gersch hatte eine Mappe mit zwei Spielerverträgen dabei, die es zu unterzeichnen galt: Es waren die Verträge für Ali Karimi (32) und Angelos Charisteas (30). Peter Peters unterschrieb zunächst nicht. Er rief Clemens Tönnies an.
Die Karimi-Klemme: Ohne Vertrag „hätten wir uns sofort von Magath trennen müssen“
Gemeinsam berieten der Finanzvorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrates, was in dieser Lage zu tun sei – Felix Magath, so der Eindruck von Peter Peters, sei auf Schalke inzwischen „alles egal“ gewesen. Die Klemme, in der der Verein steckte: Wenn Finanzvorstand Peters die Verträge für Karimi und Charisteas nicht gegengezeichnet hätte, wäre Sportvorstand und Manager Magath brüskiert gewesen. „Dann“, verdeutlicht Peters heute im Gespräch mit der WAZ, „hätten wir uns sofort von Magath trennen müssen.“ Nach drei Spielen der Rückrunde hätte Schalke dann auch ohne Trainer dagestanden. Dies erschien Peters und Tönnies zu heikel: In ihrer Not beschlossen sie stattdessen ein Spiel auf Zeit.
Peter Peters berichtet: „Vom Aufsichtsrat kam Grünes Licht, dass ich die Verträge unterschreibe. Es war aber zugleich klar, dass wir nicht mehr lange mit Magath weitermachen. Wir haben dann nur noch den richtigen Zeitpunkt für die Trennung gesucht.“ Mit dieser Kröte konnte Schalke leben, zumal die beiden betagten Profis Karimi und Charisteas nur bis zum Sommer verpflichtet wurden. Ironie der Geschichte: Charisteas erzielte für Schalke sogar noch ein wichtiges Tor. Es war am 26. Spieltag das 2:1 gegen Frankfurt – mit einer Niederlage wäre Schalke in den Abstiegskampf gerutscht. Zugleich war es das letzte Spiel von Magath.
Der Aufsichtsrat brachte Magath den Umschlag zur Abberufung
Der Klub hatte schon vor dem Spiel beschlossen, dass nun der richtige Zeitpunkt für die Trennung gekommen war. Alles war vorbereitet. Nach dem Spiel ging Aufsichtsrat Ulrich Köllmann in die Trainerkabine und überreichte Magath einen Umschlag: Es war die Einladung zu einer Außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Abberufung des Sportvorstands Magath.
Intern war klar, dass nun Horst Heldt übernehmen würde: Der hatte bereits beim VfB Stuttgart als Manager gearbeitet, war auf Schalke aber seit seiner Verpflichtung im Jahr zuvor von Magath links liegengelassen worden. Die Wunschlösung als Trainer war Ralf Rangnick, dessen erstes Engagement auf Schalke (2004 bis 2005) so vielversprechend begonnen hatte. Das Problem war: Rangnick wollte sich nach seiner Trennung von Hoffenheim eigentlich bis zum Sommer eine Pause gönnen – Schalke überredete ihn, schon im März wieder einzusteigen. Sportlich ging die Rechnung zunächst auf: Rangnick führte Schalke ins Halbfinale der Champions League und vollendete auch den DFB-Pokalsieg im Finale gegen den MSV Duisburg (5:0) – bis heute der letzte große Titelgewinn.
Trotzdem kam Schalke nicht aus den Turbulenzen raus. Den Sommer überschattete der Wechselwunsch von Manuel Neuer, der dem Verein bereits Ende April mitgeteilt hatte, Schalke verlassen zu wollen. „Bis zum Pokalfinale in Berlin war aber offen, ob wir Manu tatsächlich abgeben“, versichert Peters und berichtet von unzähligen Gesprächen, in denen Schalke versucht habe, seinen Ausnahme-Torwart zum Bleiben zu überreden – es gab keine Chance.
War Schalkes permanente Unruhe ein Grund für Neuers Abschied?
Heute glaubt Peters zu wissen, was auch für Neuer ein entscheidender Wechsel-Grund gewesen sei: „Die Jahre von 2008 bis 2011 waren für alle eine enorme Belastung. Man konnte nur noch an Schalke 04 verzweifeln.“ Dieses Gefühl habe er auch bei Neuer gespürt. Trainer und Manager wechselten beinahe im Jahresrhythmus; dazu befand sich der Verein ständig in einer finanziellen Zwangslage.
Die letzte Episode dieses Jahres 2011 verfolgte Manuel Neuer zwar schon aus München, aber sie fügte sich in diese Gemengelage ein: Es war die Burnout-Erkrankung von Ralf Rangnick, der nach nur sechs Monaten im September als Trainer zurücktrat. Im Rückblick, sagt Peters, sei es „ein Fehler“ gewesen, Rangnick „gegen seine Überzeugung“ im März zum sofortigen Dienstantritt zu drängen: „Man hat ihm angemerkt, wie unwohl er sich dabei gefühlt hat“. Doch vorherzusehen war für Schalke diese Krankheit nicht – manche Dinge sind einfach auch nicht zu verhindern.
Rangnick-Berater Mintzlaff war ein Kandidat als Schalke-Vorstand
Persönlich beraten wurde Rangnick in seiner zweiten Zeit auf Schalke übrigens von Oliver Mintzlaff, dem heutigen Vorstandschef von RB Leipzig. Schalke führte damals mit Mintzlaff sogar weiterführende Gespräche – Peters berichtet: „Wir haben darüber gesprochen, ob er Marketing-Vorstand auf Schalke wird.“ Die Verhandlungen wurden aber beendet, weil eine Doppelfunktion als Marketing-Vorstand und Trainer-Berater schwierig gewesen wäre – so kam im Jahr 2011 Alexander Jobst nach Schalke.
Neuer Trainer wurde nach Rangnicks Rücktritt Huub Stevens – es kehrte tatsächlich mal etwas Ruhe ein. Wenigstens für einige Monate.