Gelsenkirchen. Zwei Transferperioden haben Schalke-Vorstand Jochen Schneider und Kaderplaner Michael Reschke schon hinter sich. Eine Zwischenbilanz.

Auf einen kommt es bis Anfang Oktober beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 ganz besonders an: Kaderplaner Michael Reschke. Schalke hat nicht viel Geld, um den in der Rückrunde nach zahlreichen Verletzungen nicht konkurrenzfähigen Kader aufzumotzen. Reschke muss bei seiner Personalauswahl kreativ sein. Dass Reschke das kann, davon ist Sportvorstand Jochen Schneider überzeugt: "Wir haben einen der allerbesten Kaderplaner Europas zu uns geholt." Doch bei seinen vorherigen Stationen Bayer Leverkusen, Bayern München und VfB Stuttgart hatte Reschke stets viel Geld zur Verfügung. Die Forderung "ablösefrei oder ausleihen" ist für ihn neu.

Von Trainer David Wagner gab es an der Transferpolitik des Klubs in der Winterpause 2020 sogar Kritik: "Sie hat uns nicht so geholfen. Da hätten wir besser agieren können. Da müssen wir unsere Hände heben und das einsehen."

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Doch wie ist die Bilanz von Reschke und Schneider? Seit einem Jahr sind sie da, sieben externe Spieler kamen seitdem nach Gelsenkirchen. Eine Bewertung:

Volltreffer (Note 1)

  • Ozan Kabak (VfB Stuttgart, 15 Millionen Euro): Dieser Transfer geht auf Reschkes Konto - er hatte Kabak schon von Galatasaray Istanbul zum VfB Stuttgart geholt. Saß Kabak zu Saisonbeginn noch auf der Bank, entwickelte er sich danach zum Innenverteidiger Nummer eins auf Schalke, und das mit 20 Jahren. Schnell, kopfballstark, schwer zu schlagen im Zweikampf, gutes Timing bei Grätschen - Kabak hat eine große Zukunft vor sich. Spielt er so weiter, kann Schalke eine hohe Transfereinnahme in ein oder zwei Jahren erwarten.

Guter Griff (Note 2)

  • Jonjoe Kenny (FC Everton, ausgeliehen): Wagner kannte den talentierten Rechtsverteidiger aus England. Den Tipp des Trainers verfolgten Reschke und Schneider weiter. Bei seinem Heimatverein FC Everton hatte Kenny kaum Spielpraxis bekommen. Auf Schalke eroberte er sich aber schnell einen Stammplatz, war in der Hinrunde ein Volltreffer. Als die Mannschaft in der Rückrunde aber nachließ, spielte auch Kenny deutlich schlechter. Er bleibt aber: ein guter Griff.

Mitläufer (Note 3)

  • Benito Raman (Fortuna Düsseldorf, 6,5 Millionen Euro): Zwischen dem 29. Oktober 2019 und dem 4. Februar 2020 war der Stürmer aus Belgien ein Volltreffer, etwas über drei Monate lang. Da zeigte er, warum Schalke so viel Geld an Fortuna Düsseldorf überwiesen hatte. In diesem Zeitraum erzielte er in zwölf Spielen sieben Tore und legte vier vor. Kein Schalker stand so sehr für das Power-Pressing wie er. Doch die Saison hatte nicht nur drei, sondern zwölf Monate. Und in den übrigen neun war er ein Fehleinkauf. Er brauchte lange, um auf Schalke anzukommen - und je mieser in der Rückrunde die Serie wurde, desto schlechter spielte er. Er ließ den Kopf oft hängen, saß häufig auf der Bank, wirkte missmutig. Dementsprechend schlecht ist seine Bilanz in diesen beiden Perioden zusammen: 16 Spiele, kein Tor, keine Vorlage. Das macht ihn in der Gesamtbewertung nur zum Mitläufer.
  • Jean-Clair Todibo (FC Barcelona, ausgeliehen für 1,5 Millionen Euro): Ein Transfer, den Reschke forcierte. Dass der Innenverteidiger möglicherweise eine große Zukunft vor sich hat, konnte in den wenigen Einsätzen, die er hatte, jeder sehen. Das Problem: Er spielte nur zehn Mal für Schalke - und nur zwei Einsätze gingen über 90 Minuten. Er war in den sechs Monaten in Gelsenkirchen aber sehr verletzungsanfällig und nicht die erhoffte Verstärkung. Deshalb entschieden die Schalke, die Kaufoption über 25 Millionen Euro nicht zu ziehen. Und in der Gesamtbewertung ist Todibo nur ein Mitläufer.

Blieb hinter den Erwartungen zurück (Note 4)

  • Markus Schubert (Dynamo Dresden, ablösefrei): Schubert wurde von Wagner, Schneider, Reschke und Torwarttrainer Simon Henzler falsch eingeschätzt. Geholt wurde er mit der Perspektive, nach einem Jahr Ersatzbank möglicherweise Alexander Nübel zu beerben, sollte der Schalke verlassen - das war im Sommer 2019, als Schubert kam, noch unklar. Nübel geht nun, der Weg für Schubert wäre frei - die Königsblauen holen aber Alexander Schwolow vom SC Freiburg als neue Nummer eins. Und das hat gute Gründe: Spielerisch entwickelte sich Schubert nicht weiter, bei Flanken zeigte er in fast jedem Spiel große Schwächen. Und ihm unterliefen viele individuelle Fehler. Nun soll er verliehen werden.

Fehleinkauf (Note 5)

  • Michael Gregoritsch (FC Augsburg, ausgeliehen für 500.000 Euro): Der Stürmer kam im Januar vom FC Augsburg und bestritt ein gutes Spiel - das erste gegen Borussia Mönchengladbach. Beim 2:0-Erfolg erzielte er ein Tor und legte eins vor. Danach aber waren seine Leistungen stets katastrophal, er wirkte im Team oft wie ein Fremdkörper. Er kehrt nun nach Augsburg zurück.
  • Juan Miranda (FC Barcelona, ausgeliehen): Die Leihe des Linksverteidigers war auf zwei Jahre angelegt. Angekündigt wurde er als eines der größten Linksverteidiger-Talente Europas. Und dann? Kam er nicht an Bastian Oczipka vorbei, der gewiss ein ordentlicher Bundesliga-Spieler ist - aber kein Überflieger. Zwölf Spiele bestritt Miranda, die meisten davon in der Saison-Endphase, als Schalke fast jedes Spiel verlor. Überzeugen konnte er nie. Die Leihe endet nun vorzeitig - als großes Missverständnis. Auch seine Fähigkeiten hatten Schneider und Reschke falsch eingeschätzt.

Zusammenfassung

23,5 Millionen Euro gaben die Königsblauen aus - das ist in der Bundesliga nur das untere Tabellendrittel. Schneiders Vorgänger Christian Heidel hatte viel, viel mehr Geld zur Verfügung. Schneider musste sich zunächst einmal eher darauf konzentrieren, Spieler zu verkaufen als einzukaufen. Aber trotzdem: Die Transferbilanz des Duos ist bisher durchwachsen - unsere Durchschnittsnote beträgt 3,28. Das muss besser werden. Dass er einer der "allerbesten Kaderplaner Europas" sei, hat er auf Schalke noch nicht unter Beweis gestellt. In der vergangenen Saison überzeugten außer Kabak vor allem Heidel-Spieler: Omar Mascarell, Benjamin Stambouli, Suat Serdar und Amine Harit.