Gelsenkirchen. 2000 gab’s auf Schalke den Möller-Coup. Und es gab ständige Besuche von Beckenbauer und Co., die Schalke im Nachhinein geschadet haben
Es waren immer schöne Bilder, wenn der Kaiser kam, und Franz Beckenbauer ließ sich zu Beginn des neuen Jahrtausends oft auf Schalke sehen. In Gelsenkirchen wurde die Arena gebaut, das Prestige-Objekt zu dieser Zeit. Nicht nur für Schalke, sondern auch für die deutsche WM-Bewerbung für 2006. Bevor Deutschland im Juli 2000 den Zuschlag erhielt, sollte der Welt gezeigt werden, welch tolle Stadien hier entstehen: Aber nur auf Schalke und in Hamburg wurde tatsächlich schon gebaut – also kam der Kaiser in dieser Zeit mit seiner Gefolgschaft von der Fifa sowie dem umtriebigen Fedor Radmann oft nach Gelsenkirchen.
Stolz und gerne führten die Schalke-Bosse die internationalen Gäste immer wieder über die Baustelle. Das Kalkül dahinter: Wenn die WM nach Deutschland kommt, wird auch die Arena noch mehr aufgewertet. Was die Schalker damals nicht zu Ende dachten: Nach dem Zuschlag für Deutschland wurden im ganzen Land neue Stadien für die WM gebaut. Und Schalke verlor damit seinen Vorteil, unabhängig von der Weltmeisterschaft als einziger Verein ein Stadion mit solchen Möglichkeiten zu besitzen.
Bayern hätte ohne die WM kein neues Stadion bekommen
Peter Peters, zu dieser Zeit Schalkes Geschäftsführer, erinnert nur an das Beispiel München: „Der Bau der Allianz-Arena war zwingend mit der WM verknüpft. Franz Beckenbauer hat immer wieder gesagt: Wir müssen die WM nach Deutschland holen, damit wir in München ein neues Stadion bauen dürfen.“
Damals stand Schalke voll hinter der WM-Bewerbung und machte den Zirkus mit, Beckenbauer, Radmann und Co. die eigene Arena als Lokomotive für den deutschen WM-Zug zur Verfügung zu stellen. Heute gesteht Peter Peters: „Im Nachhinein war es ein Fehler, dass wir für die WM getrommelt haben. Es wäre für Schalke besser gewesen, wenn es keine WM in Deutschland gegeben hätte.“ Nachdenklich fügt er an: „2001 waren wir mit Bayern sportlich noch auf Augenhöhe.“
Schalke hatte Angst, dass Möller gar nicht kommt
Dafür hatte Schalke mit spektakulären Transfers gesorgt: Nach Ebbe Sand und Emile Mpenza kam im Sommer 2000 Andy Möller von Borussia Dortmund – ein Wechsel wie ein Erdbeben. Schon oft erzählt wurde die Geschichte, wie dieser Transfer im Haus von Peter Peters, der in Dortmund-Barop wohnt, klargemacht wurde: Alles lief in geheimer Mission, die Vorhänge wurden zugezogen, damit niemand von außen sehen konnte, wie der Dortmunder Spieler mit den Schalkern verhandelte. Heute ergänzt Peters aber, wie es am Ende wirklich ablief: „Wir hatten Zweifel, ob Klaus Gerster (der Berater, die Red.) und Andy Möller überhaupt kommen würden. Aber sie kamen, und dann haben wir alles ruckzuck finalisiert.“ Schalke hatte den Vertrag schon vorbereitet, nur das Gehalt musste noch eingetragen werden.
Ausgeheckt hatte diesen Coup, natürlich, Rudi Assauer. Auch der Aufsichtsrat wurde erst später eingeweiht, und zwar noch am gleichen Abend bei einer Sitzung im damaligen Schalker Stammquartier in Billerbeck. Ganz zum Schluss der Tagesordnung, erzählt Peters, habe Assauer das Wort ergriffen und beinahe beiläufig erwähnt: „Ich habe noch eine Kleinigkeit – wir haben heute Andreas Möller verpflichtet.“
Die versammelten Herren seien am Tisch förmlich zusammengesunken. Rolf Rojek, der damals als Fan-Vertreter im Aufsichtsrat saß, habe nur gestammelt: „Da kann ich nicht zustimmen...“ Ein ganzer Verein war in Aufruhr, doch Rudi Assauer wusste zu dieser Zeit ganz genau, was Schalke brauchte. Mit Möller spielte Schalke den besten Fußball seit den 1970er-Jahren, Höhepunkt war der 4:0-Sieg im September in Dortmund.
Peter Peters denkt aber auch an den ersten Spieltag dieser Saison 2000/ 2001, ein Heimspiel gegen Köln. „Wir mussten eine halbe Stunde später anfangen, weil die Kassierer nicht mehr nachkamen – so viele Leute wollten das erste Spiel von Andy Möller sehen. Nach zwei schlechten Jahren ging ein Ruck durch den gesamten Klub“, erinnert sich der langjährige Schalke-Vorstand und sagt: „Das zeigt: Kontroverse Entscheidungen motivieren und bringen einen weiter.“