Gelsenkirchen. Schalke wird zum dritten Mal in vier Jahren den Europapokal verfehlen. Die Spurensuche beginnt in der Zeit, als Platz fünf eine Enttäuschung war.

Es ist tatsächlich erst vier Jahre her. Am Pfingstmontag 2016 wurde auf Schalke ein Schlussstrich gezogen: Horst Heldt, damals der Sportvorstand, räumte nach fast sechs Jahren sein Büro auf der Geschäftsstelle aus. Seine Worte, fein gewählt zum Abschied von Königsblau, klingen heute fast wie ein Vermächtnis. Schalke sei auf seinem Weg nicht aufzuhalten, sagte Heldt, wenn nur endlich einmal Ruhe einkehren würde: „Dieser Verein hat eine Kraft, die eigentlich Berge versetzen kann.“

Doch wo ist sie hin, diese immense Schalker Kraft? Ja, es gibt mehr als 150.000 Mitglieder – eine Wucht. Es gibt ein wunderschönes Stadion und ein riesiges Vereinsgelände. Es gibt die Strahlkraft der Marke Schalke 04. Aber sportlich verpasst Königsblau mehr und mehr den Anschluss. In dieser Saison wird Schalke, wenn nicht noch ein sportliches Wunder passiert, zum dritten Mal in vier Jahren (2017, 2019, 2020) einen Europapokalplatz verfehlen. Nur 2018 gelang mit der Qualifikation für die Champions League noch einmal ein Ausreißer aus diesem Trend nach unten.

Dreimal in Folge Champions League

Dabei zählte Schalke noch vor gar nicht allzu langer Zeit zu den natürlichen Anwärtern für einen Platz ganz oben: 2012, 2013 und 2014 spielten die Gelsenkirchener dreimal in Folge in der Champions League – das gab es zuvor noch nie.

Die Spurensuche, was seitdem passiert ist, beginnt im Sommer des Jahres 2015, als auf Schalke der Gedanke reifte, den bis 2016 befristeten Vertrag mit Manager Horst Heldt auslaufen zu lassen – als mögliche Nachfolger galten Max Eberl (der absagte) und Christian Heidel. Letztlich wurde Heldt eine schwache Saison 2014/2015 zum Verhängnis, vor allem eine missglückte Trainerwahl mit Roberto di Matteo, der Jens Keller während der Saison abgelöst hatte. Mit di Matteo erreichte Schalke nach drei Jahren Champions League nur die Europa League – das galt als Enttäuschung.

Auf welchem Niveau Schalke vor fünf Jahren geklagt hatte, wird daran deutlich: Damals ging Platz fünf oder sechs in der Bundesliga als schlechte Saison durch – heutzutage endet eine schlechte Saison in der unteren Tabellenhälfte.

Mit gesenkten Köpfen: Die Schalker, hier Weston McKennie..
Mit gesenkten Köpfen: Die Schalker, hier Weston McKennie.. © Pool/firosportphoto

Schalkes Bundesliga-Platzierungen in den jüngsten vier Jahren haben eine klar Aussage: Zehnter (2017), Zweiter (2018), Vierzehnter (2019) und 2020 aktuell Zehnter (nach 29 von 34 Spielen). Tendenz abwärts: Seit elf Spielen wartet die Mannschaft auf einen Sieg.

Auf diese Ergebnisse bezieht sich eine Leserzuschrift, die die WAZ-Redaktion in den vergangenen Tagen erreicht hat: „Wenn man überlegt, dass wir Heldt rausschmeißen, der uns Jahr für Jahr in die Champions League geführt hat. Und Jens Keller als Tabellenzweiten. So dekadent konnten wir damals sein.“

Wenn Schalke heutzutage in die Champions League will, muss mittlerweile vieles zusammenkommen – wie in der Vizemeister-Saison 2017/ 2018 unter Domenico Tedesco. Ein guter Trainer, das nötige Spielglück, wenig Verletzte – dann kann es immer noch klappen. Auch die Hinrunde der aktuellen Saison mit David Wagner lief so – im Winter galt Schalke noch als Kandidat für die Champions League. Wenn diese Komponenten aber nicht mehr passen, geht es heutzutage in der Tabelle viel weiter nach unten als früher: Denn die Grundsubstanz im Schalker Kader, die eine natürliche Stärke vorgibt, ist in den letzten Jahren deutlich geringer geworden.

Schalke hatte mal so gute Spieler

Dass Schalke 2014/ 2015 unter Roberto di Matteo ein schlechtes Jahr wenigstens noch auf Platz sechs abschließen konnte, lag vor allem an der hohen Qualität im Kader: Damals gab es Spieler wie Julian Draxler (heute Paris Saint-Germain), Joel Matip (FC Liverpool), Sead Kolasinac (FC Arsenal), Max Meyer (Crystal Palace), Klaas-Jan Huntelaar (Ajax Amsterdam), Leon Goretzka (Bayern München), oder den jungen Leroy Sané (Manchester City). Spieler dieser Qualität sind im aktuellen Schalker Kader, zumindest in dieser Dichte, weit und breit nicht zu sehen.

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Viele dieser Spieler kamen damals aus der Knappenschmiede, die zu dieser Zeit von Oliver Ruhnert geleitet wurde – der ist heute, nachdem er auf Schalke für sich 2017 keine Perspektive mehr sah, Manager in der Bundesliga bei Union Berlin. Nach Ruhnerts Abschied kam der interne Lieferdienst von jungen Talenten ins Stocken: Auch ein Ahmed Kutucu, so sehr er manchmal in der Sehnsucht nach einem Überflieger gehypt wird, ist kein neuer Leroy Sané. Und ob aus Malick Thiaw ein zweiter Joel Matip wird, muss sich ebenfalls noch zeigen.

Schalkes aktuellem Kader fehlt es an der Qualität, die vor fünf, sechs Jahren auf Schalke noch vorhanden war. Dabei fehlte es gar nicht so sehr am Geld – jedenfalls nicht immer: 2016 konnte Schalke durch den Verkauf von Leroy Sané an Manchester City im großen Stil einkaufen und leistete sich etwa Rekord-Einkauf Breel Embolo für 22,5 Millionen Euro. Und 2018 ermöglichten die Teilnahme an der Champions League sowie der Verkauf von Thilo Kehrer an Paris Saint-Germain Transfers, die am Ende nichts einbrachten (etwa Sebastian Rudy).

Das Geld allein macht es nicht

Daran sieht man: Mit Geld allein kommt man auch nicht weiter – es muss vor allem sinnvoll investiert werden. Sollte Schalke in den nächsten Monaten ernsthaft über eine Ausgliederung diskutieren, wird auch das zur Debatte stehen. Der VfB Stuttgart beispielsweise ist, nachdem er Anteile am eingetragenen Verein versilbert hatte, sogar aus der Bundesliga abgestiegen.

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Der Schalke 04 wird mit all seiner unbestrittenen Kraft vieles richtig machen müssen, um dauerhaft wieder dahin zu kommen, wo der Klub einmal war – als Stammgast in der Champions League. Im Moment wäre man ja schon froh wenn’s wenigstens die Europa League wäre – wie im Sommer 2016.