Gelsenkirchen. Nach der Hinrunde stand Schalke sieben Punkte hinter Herbstmeister Leipzig. Nun läuft es nicht mehr. Was das mit Trainer David Wagner zu tun hat.
Erstaunlich ruhig verfolgte David Wagner die Endphase des Derbys bei Borussia Dortmund. Aber was hätte er, der Trainer des FC Schalke 04, auch sagen sollen. Das Spiel, das 0:4 (0:2) endete, war schon zu Beginn der zweiten Hälfte verloren. Ein Spiel, über das der 48-Jährige nach dem Abpfiff sagte: „Es gilt, sich zu schütteln und es deutlich besser zu machen.“
Schalke: Vier hohe Niederlagen seit Mitte Januar
Wenn das so einfach wäre. Schalke ist in der Rückrunde abgestürzt, die Zahlen sind erschütternd. Die Hinrunde hatte Schalke noch als Tabellenfünfter abgeschlossen – der Rückstand auf Herbstmeister RB Leipzig betrug nur sieben Punkte, nur drei Mannschaften hatten weniger Gegentore kassiert. Der Fall in der Rückrunde ist umso schlimmer: Nur ein Spiel von neun hat Schalke gewonnen, musste dabei 19 Gegentore hinnehmen, nur zwei weniger als in der kompletten Hinrunde – und im Schnitt mehr als zwei pro Spiel. Viertletzter ist Schalke in der Rückrundentabelle. Und schon viermal ging Schalke 2020 unter.
Denn desolat spielte Schalke nicht nur in Dortmund. Im Januar erlitt das Team eine 0:5-Packung in München. Wagners Rhetorik? Ähnlich wie nach dem Derby: „Wir werden daraus lernen, uns schütteln und schauen, dass wir es im nächsten Spiel besser machen.“ Nach dem 0:5 gegen RB Leipzig im Februar analysierte Wagner: „Viele Spieler müssen viel spielen, obwohl sie eine Pause verdient hätten. Andere sind nicht ganz fit.“ Und nach der desaströsen 0:3-Pleite beim 1. FC Köln, dem spielerischen Tiefpunkt bisher, sagte er: „Die Situation ist, wie sie ist – und wir nehmen sie an.“ Die schwierigen Tage häufen sich.
Es sind viele Probleme, die Wagner momentan nicht gelöst bekommt. Da wäre zum Beispiel die Torwart-Frage. Zunächst hielt Markus Schubert für den gesperrten Alexander Nübel, dann kehrte Nübel für den verletzten Schubert zurück – und seitdem Nübel in Köln böse patzte, steht Schubert wieder im Tor. Besser wurde es nicht: In Dortmund verschuldete Schubert zwei Gegentore. Einen erneuten Wechsel hat Wagner ausgeschlossen. Vor dem Derby sagte er: „Ich habe vor Wochen gesagt, dass Markus Schubert – wenn er gesund bleibt – die restlichen Spiele in dieser Saison für uns bestreitet. Dabei bleibt es.“ Eine Entscheidung, die ihn erheblich unter Druck setzt.
Schalke: Erhebliche Verletzungssorgen im Frühjahr
Das gilt auch für die Taktik. In der Hinrunde stand Schalke für ein raffiniertes Pressing, eine Raute im Mittelfeld, schwer zu kontrollierende Mittelfeldspieler wie Amine Harit und Suat Serdar. Durch große Verletzungssorgen und die Formschwäche von Harit war Wagner gezwungen, die Taktik zu ändern. Fortan verteidigte Schalke mit einer Fünferkette, versuchte, den eigenen Strafraum zu verbarrikadieren. Das klappte nicht: Viele Gegentore gab es trotzdem – und vorn erarbeitete sich Schalke kaum noch Chancen. In den acht Spielen nach dem 2:0-Erfolg zum Rückrundenauftakt gegen Mönchengladbach kam Schalke nur noch zu 20 Chancen – Minuswert in der Liga. War Wagner durch viele Ausfälle oft zu Umstellungen gezwungen, hatte er in Dortmund Alternativen. Doch er blieb bei der Fünferkette. Und Harits Formschwäche dauert an – als hätte es die lange Pause nicht gegeben.
Kein glückliches Händchen bewies Wagner zuletzt auch bei der Personalauswahl – zum Beispiel im Angriff: Sturm-Joker Ahmed Kutucu, der eines der vier Rückrundentore erzielte, spielt selten länger als 15 Minuten. Guido Burgstaller, vor der Pause als Kämpfer überzeugend, saß in Dortmund zunächst auf der Bank.
Die Gründe für die sportliche Krise sind vielfältig. Einen schnellen Rauswurf muss Wagner aber nicht befürchten. Finanziell wäre eine Beurlaubung des Trainers aktuell nicht zu stemmen, Wagners Vertrag gilt bis 2022. Außerdem vertraut Sportvorstand Jochen Schneider seinem Trainer. Schneider sieht eher eine durch die Erfahrungen der Vorsaison erwartbare Delle als einen Trend – auch wenn die Zahlen dagegen sprechen.