Gelsenkirchen. Vor fast genau sechs Monaten verletzte sich Schalkes Verteidiger Benjamin Stambouli. Ob er noch einmal zurückkehrt, ist offen. Ob er bleibt auch.

Was hat Benjamin Stambouli (29) in seinen fast vier Jahren im Aufgebot des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 nicht alles erlebt. Der Franzose, im Sommer 2016 für acht Millionen Euro von Paris St. Germain ins Ruhrgebiet gekommen, enttäuschte im ersten Jahr (37 Pflichtspiele, kein Tor, keine Vorlage), galt als Transfer-Flop. In der Vizemeister-Saison 2017/2018 aber begeisterte er (32 Pflichtspiele, zwei Vorlagen) - mit guten Leistungen und der Tatsache, dass er schnell Deutsch gelernt und sich auf Schalke eingelassen hatte. Im dritten Jahr hatte er sich eine Führungsrolle erarbeitet, trug in der Rückrunde 2018/2019 sogar die Kapitänsbinde - doch im Abstiegskampf musste er diese an die Fans nach einer schlechten Mannschaftsleistung abgeben. Er bestritt immerhin 27 Pflichtspiele (zwei Vorlagen). Und im vierten Jahr, dem letzten seines laufenden Vertrages?

Schalke: So äußert sich Stamboulis Berater

"Wir sind an einem toten Punkt", sagte Stamboulis Berater zu Sky. Die Verhandlungen mit dem Vorstand sind unterbrochen, was nicht nur mit Stambouli persönlich zu tun hat, sondern vor allem mit der ungewissen finanziellen Situation durch die Corona-Krise.

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Doch was ist passiert? Neun Spieltage lang bildete Stambouli in der aktuellen Saison gemeinsam mit Salif Sané eine beinahe unüberwindbare Innenverteidigung, bevor er sich im Revierderby gegen Borussia Dortmund (0:0) am 26. Oktober 2019 den Fußwurzelknochen brach. Der Zeitpunkt von Stamboulis Comeback wurde immer wieder verschoben, es gab ständig Rückschläge. Zunächst hatte Trainer David Wagner gehofft, ihn sogar noch vor Weihnachten 2019 wieder einsetzen zu können. Doch daraus wurde nichts, Stambouli kam über Lauftraining nicht hinaus. Das neue Ziel: der erste Spieltag der Rückrunde.

Doch Untersuchungen im Januar 2020 ergaben ein anderes Bild: Die Knochenheilung war noch nicht so fortgeschritten wie erhofft. Der neue Termin: Februar. Im März berichtete Bild dann, das Saison-Aus würde drohen - Trainer David Wagner wies das zurück: "Wenn ich erzähle, dass wir große Hoffnungen hoffen, dass er im März wieder ins Mannschaftstraining einsteigt, dann ist das so. Ich verstehe nicht, wie ich drei Tage später so ein Ding aufmachen kann. Größere Enten gibt es nicht." Stambouli würde sehr viel investieren, um wieder spielen zu können.

Schalke: Vier Innenverteidiger stehen unter Vertrag

Nun ist der April fast beendet, die Verletzung sechs Monate her - und noch immer nimmt Stambouli nicht am Mannschaftstraining auf Schalke teil, auch wenn er sich regelmäßig auf dem Vereinsgelände aufhält. "Ich habe die Chance, meine Behandlung weiterzumachen“, sagte er Anfang April zu Schalke-TV. „Dafür komme ich jeden Tag auf das Gelände, mache danach ein kleines Training, fahre nach Hause und mache ein kleines Schläfchen.“ Am Abend stünde dann eine zweite Einheit auf dem Fahrrad an. Aufgegeben hat Stambouli die Hoffnung nicht, dass er bald wieder normal mittrainieren kann: „Jetzt ist es schon viel besser und die letzten Bilder waren sehr gut. Ich kann nicht über Zeit sprechen, aber ich hoffe, dass ich dabei sein kann, wenn die Bundesliga wieder losgeht.“ Ende April sieht das etwas anders aus: Nach unseren Informationen ist für Stambouli momentan nur leichtes Lauftraining drin. Ein Trainingseinstieg? Nicht vorhersehbar.

Doch geht es für Stambouli über das Saisonende hinaus auf Schalke weiter? Für die kommende Saison, wann immer sie beginnt, stehen auf Schalke bereits vier Innenverteidiger fest eingeplant: Ozan Kabak (Vertrag bis 2024), Matija Nastasic (Vertrag bis 2022) und Salif Sané (Vertrag bis 2022) sind noch langfristig gebunden, Malick Thiaw aus der U19 (20 Spiele, 8 Tore in der U19-Bundesliga) soll einen Profivertrag erhalten. Auch Bastian Oczipka und Weston McKennie haben in der aktuellen Saison schon im Abwehrzentrum ausgeholfen.

Schalke-Vorstand Schneider: "Keine Verlängerungen aus Dankbarkeit"

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Bedarf hat Schalke also nicht. Und auf seine Verdienste kann sich Stambouli, der im August 30 Jahre alt wird, auch nicht verlassen. Im Februar, kurz vor dem vorläufigen Saison-Abbruch, hatte Sportvorstand Jochen Schneider im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt: "Max Eberl hat neulich einen ganz klugen Satz gesagt: Es gibt keine Verlängerungen aus Dankbarkeit. Die Leistung ist immer das entscheidende Kriterium. Benjamin Stambouli hat bis zu seiner Verletzung überragend gespielt. Er ist ein Leader in der Kabine und darüber hinaus ein Spieler, der sich auch intensiv um die jüngeren Spieler in unserer Mannschaft kümmert."

Doch es deutet sich immer mehr an: Stambouli wird Schalke wohl verlassen, möglicherweise ohne noch einmal das Trikot anzuziehen und ohne sich von den Fans in einer ausverkauften Arena verabschieden zu können. Ein solch leiser Abschied wäre bitter.