Gelsenkirchen. Am Samstag steht ein besonderes Derby an - Schalke tritt zu einem Geisterspiel beim BVB an. Wir haben mit Teammanager Sascha Riether gesprochen.

Das Interview beginnt ohne den sonst üblichen Handschlag – auch auf Schalke herrscht Vorsicht in diesen Zeiten. Sascha Riether (36), Koordinator der Lizenzspielerabteilung, steht aber trotzdem zum Gespräch bereit. Es soll um das Derby gehen, doch an Coronavirus und Geisterspiel kommt man nicht vorbei.

Herr Riether, nehmen Sie diesmal Desinfektionsmittel mit nach Dortmund?

Sascha Riether: (lacht) Ich hoffe, dass wir mit guter Laune nach Dortmund fahren. Ich glaube, dass wir uns nicht so viele Gedanken über das Desinfektionsmittel machen sollten, sondern darum, eine gute Leistung abzuliefern.

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Das Coronavirus bestimmt die Diskussionen. Hat sich in den täglichen Abläufen etwas verändert?

Riether: Wir sagen den Spielern natürlich, dass sie zu nicht oft in die Stadt oder zu Großveranstaltungen gehen sollen, dass sie möglichst zu Hause bleiben. Und wir halten die empfohlenen Hygienemaßnahmen ein. Dafür haben wir zum Beispiel überall Desinfektionsmittel stehen. Grundsätzlich ist es schwer, alles zu vermeiden.

Werden Sie die Nacht vor dem Derby in einem Hotel verbringen?

Riether: Nein, jeder wird zu Hause schlafen und dann treffen wir uns im Tageshotel, um zum Spiel zu fahren. Ist ja auch nicht so weit... Aber das haben wir schon während der ganzen Saison bei Heimspielen oder Partien in der näheren Umgebung so gehandhabt.

Blenden die Spieler in der Kabine das Thema Coronavirus aus?

Riether: Natürlich ist das Thema in den Köpfen der Spieler – und das spätestens dann, wenn sie am Samstag ins Stadion einlaufen und links und rechts keine Fans auf den Tribünen sind. Wenn der Schiedsrichter anpfeift, wird es aber wie immer darum gehen, möglichst die drei Punkte zu holen.

Lässt sich eine Anspannung aufbauen?

Riether: Natürlich. Aber ich bin gespannt, wie die Spieler zum Beispiel in Zweikämpfen reagieren, wenn keine Reaktion von den Rängen kommt. Man hört plötzlich alles, was die Spieler sagen. Das Derby lebt von Zuschauern, von Gesängen, von der Rivalität. Es wird eine komische Atmosphäre sein. Man wünscht sich das nicht, aber die Lage erfordert es.

Am Samstag sind keine Zuschauer im Stadion - da dürfen Sie nicht so viel schimpfen...

Riether: Ja, ich muss aufpassen und mich zurückhalten. (lacht)

Sind Sie so emotional an der Seitenlinie?

Riether: Als Spieler kannst du die Emotionen auch mal rauslassen auf dem Platz. Wenn du Wut in dir hast, machst du ein Foul oder ein Tackling - und dann ist die Wut weg. Nun bekommt der vierte Offizielle alles ab.

In Paris und Mönchengladbach sind einige Fans zum Stadion gekommen. Appellieren Sie an die Schalker, nicht nach Dortmund zu fahren?

Riether: Ich verstehe den Impuls der Fans, der Mannschaft helfen zu wollen. Aber das ist nicht Sinn der Sache. Deshalb muss ich appellieren: Bitte fahrt nicht nach Dortmund und wartet nicht vor dem Stadion, auch wenn ihr uns sicher nur unterstützen wollt. Wir wissen, dass wir von euch getragen werden. Aber aktuell müssen wir alle an unsere Mitmenschen denken. Deshalb hoffe ich, dass die Fans das Derby dort gucken, wo sie nicht zu Tausenden sind.

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Die Dortmunder hatten schon ein Geisterspiel. Die wissen, wie das ist. Hilft Ihnen das?

Riether: Ich glaube, dass es nützlich sein kann, wenn man so ein Spiel schon gespielt hat...

Man könnte aber auch sagen: Es sind weniger Zuschauer da, vielleicht hilft es der Auswärtsmannschaft.

Riether: Für uns ist es ein grundsätzlich ein Nachteil, auf unsere Fans verzichten zu müssen, gerade in einem Derby. Sogar, wenn die Anhänger des BVB in Dortmund dann zahlenmäßig in der Überzahl wären.

Wie erleben Sie die Mannschaft, den Trainer, das Team in dieser sportlichen Krise? Haben Sie erhöhten Redebedarf?

Riether: Wir hatten schon immer einen guten Austausch. Da hat sich nicht viel geändert. Wir wissen, warum die Situation so ist, wie sie ist. Wir haben das Problem, dass uns wichtige Säulen der Hinrunde weggebrochen sind – nicht eine oder zwei, sondern fünf oder sechs. Jede Mannschaft hätte da Probleme. Aber eine Ausrede soll das nicht sein. Wir können daran nichts ändern, sondern müssen und wollen das Beste daraus machen. Und das werden wir. Die Jungs, die aktuell auf dem Platz stehen, machen es gut, hauen alles raus. Die Fans haben Verständnis, wenn in dieser Situation das ein oder andere nicht klappt. Was wir aber erwarten können, ist, dass jeder, der auf dem Platz steht, Vollgas gibt.

Von der Derby-Elf der Hinrunde sind fünf Spieler verletzt, dazu ist Alexander Nübel nicht mehr dabei. Über die Hälfte der Mannschaft.

Riether: Wenn man sieht, welche Konkurrenz wir in der Hinrunde hatten... Da hat sich der eine oder andere Spieler, der Form und Klasse hatte, zu spielen, trotzdem auf der Bank wiedergefunden. Jetzt sind wir froh, wenn wir die Bank überhaupt füllen können.

Ist die Stimmung in der aktuellen sportlichen Krise mit der im vergangenen Jahr vergleichbar?

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Riether: Wir haben eine andere Situation: Letztes Jahr war Abstiegskampf, jetzt sind wir auf dem sechsten Tabellenplatz, vor allem wegen unserer starken Vorrunde. Wir haben ein anderes Trainerteam, einen anderen Staff, wir hatten einen Neuanfang. Jeder hat in der Hinrunde aufgrund der Art und Weise, wie wir gespielt haben, gesehen: Auf Schalke bewegt sich was. Wir wussten, dass das nicht zwingend ewig weitergehen kann, dass es Tiefen geben wird.

Es war der Mannschaft schon anzumerken, dass sie die Misserfolge mit sich herumträgt, vor allem in Köln.

Riether: Wir haben viele junge Spieler auf dem Platz, Persönlichkeiten wie Benjamin Stambouli, Salif Sané oder Omar Mascarell fehlen schmerzlich. Wenn du keine Erfolgserlebnisse hast, und dann nach wenigen Minuten durch einen Standard wie in Köln in Rückstand gerätst, dann fällt es schwerer, sich aufzurappeln.

Müssen Sie ein paar Spieler mehr aufrichten – zum Beispiel Amine Harit?

Riether: Amine war ja krank, auch deshalb hat ihn der Trainer nicht eingesetzt. Wir haben umgekehrt Spieler, die in der Hinrunde nicht so auf dem Radar waren, die können sich jetzt zeigen. Zum Beispiel Guido Burgstaller – der ist jetzt Kapitän. So schnell geht das im Fußball.