Paris. Während die Anhänger von Paris Saint-Germain vor dem Stadion mit Böllern feiern, findet man die BVB-Fans etwas abgelegener. Eine Reportage.

Die ältere Dame möchte ihren Namen keinem Journalisten verraten, schüttelt nur den Kopf, vermutlich weil sich ihr Geschäft im Graubereich der Legalität bewegt. Auf ihren Brillengläser spiegeln sich die Lichter der Pariser Nacht, im Mund qualmt eine Zigarette, um den Hals hängt ihr Businessplan: Champions-League-Schals, verziert mit den Logos von Paris Saint-Germain und Borussia Dortmund. Schön anzusehen sind sie, nur erweist sich der Verkauf nicht gerade als geisterspiel-sicher. Da die wenigen Fans, die hier, unweit des Prinzenparks, gut eine Stunde vor dem Anpfiff vorbei hasten, sowieso schon ausgerüstet sind mit allerlei Fan-Utensilien des französischen Meisters. Und BVB-Anhänger? Die, die da sind, schauen in den Kneipen der Stadt – doch da soll die Reise erst später hingehen.

Böller knallen vor dem Pariser Stadion

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Vor allem junge Pariser strömen zum Vorplatz des Stadions, um ihren Verein aus bestmöglicher Nähe zu unterstützten, wenn im Achtelfinale aufgrund der Covid-19-Pandemie schon keine Zuschauer zugelassen sind. Es knallen Böller, leuchten Raketen, brennen Pyrofackeln, vielleicht 1000 Anhänger singen so laut, dass man sie später im Fernsehen hören wird. „Wir wollen unsere Mannschaft irgendwie unterstützten“, sagt Jeremy Guerrier, 28 Jahre alt, in Paris geboren. „Der Klub bedeutet mir alles, mein Onkel hat mich mit dem PSG-Virus infiziert“, ergänzt er, ganz ohne Augenzwinkern, anscheinend fällt ihm gar nicht auf, dass dies in diesen Zeiten nicht die glücklichste Wortwahl darstellt.

Überhaupt lässt sich am Mittwoch beobachten, als Paris den BVB 2:0 schlägt und ins Viertelfinale einzieht, dass die Fans mit der neuen Situation in ihrer Sportart relativ entspannt umgehen. Der Fußball entfaltet seine verbindende Kraft (die für Virologen ja gerade das Problem ist) zwar nicht mehr im Stadion, dafür aber drumherum. Etwa in der Rush Bar, gut 30 Metro-Minuten vom Prinzenpark entfernt. Hier drängelt sich am Mittwoch ein Teil der angereisten Dortmunder. Tausende wollten kommen. Viele haben ihre Pläne gecancelt, seitdem seit Montag feststeht, dass die Ränge leer bleiben.

Sightseeing statt BVB live im Stadion

Mascha Breuker (23) und Merle Breuker (20) aus Wetter rauschten da schon mit Zug in Richtung Frankreich. „Es ist schade, weil es echt schwer war, an eine Karte zukommen“, meint Mascha Breuker. Sie und ihre Schwester waren noch nie in Paris, also nutzten sie die Zeit nun vor allem, um die Sehenswürdigkeiten zu inspizieren. Irgendwann habe sich dann herumgesprochen, dass viele Schwarz-Gelbe in die Rush Bar kämen, sagt Mascha. „Und die Stimmung ist gut“, erklärt Merle Breuker.

Marco Schalk (l.) und Mascha Breuker haben das Spiel des BVB bei PSG in einer Pariser Kneipe verfolgt - ins Stadion kamen sie wegen der Ausbreitung des Coronavirus nicht mehr.
Marco Schalk (l.) und Mascha Breuker haben das Spiel des BVB bei PSG in einer Pariser Kneipe verfolgt - ins Stadion kamen sie wegen der Ausbreitung des Coronavirus nicht mehr. © Marian Laske

Innen schmiegen sich die Schultern aneinander, die Luft ist stickig. Unwohl würde sich das Coronavirus hier auch nicht fühlen, aber das nur am Rande. „Dortmund, kämpfen und siegen“, singen die BVB-Anhänger, was in dem knapp 20 Quadratmeter großen Raum der Kneipe beachtlich dröhnt. Einige Pariser, ebenfalls anwesend, preisen ihren Klub an. Dazwischen Gemurmel. Mal französisch. Mal deutsch. Meist englisch. So ein Geisterspiel sorgt durchaus für Fan-Verständigung. Erst als das Geschehen auf dem Rasen turbulenter wird, Emre Can Rot sieht, fallen die ersten Schimpfwörter. Irgendwer singt laut: „Corona, oho.“ Was allerdings von niemandem erwidert wird. Irgendwo hört der Spaß auf, wie auch das Spiel. Paris kommt weiter. Die Dortmunder Anhänger tragen es mit Fassung.

BVB-Fan im Exil

Marco Schalk (46) wird in seiner Stammbar demnächst wieder mit deutlich weniger Menschen stehen. 20 Jahre hat er in Dortmund gelebt, im letzten Jahr packte er seine Koffer und zog der Liebe wegen in die Stadt der Liebe. „Schon klischeehaft“, gibt er zu. Dafür habe er sich unwahrscheinlich gefreut, als er wusste, dass sein BVB im Achtelfinale in Paris antreten würde. Natürlich habe er eine Karte gehabt. „Leider hat es nicht geklappt, wobei die Stimmung hier auch sehr geil war“, meint Schalk. „Im Stadion ist es aber schon schöner.“