Köln. Horst Heldt arbeitet seit drei Monaten in Köln. Vor dem Spiel gegen Ex-Klub Schalke verrät er im Interview: Es hätte fast eine Rückkehr gegeben.
Im Büro von Horst Heldt stehen zwei Geißböcke. Einer ist mit glitzernden Steinen überzogen, der andere aus Pappe. Unter dem Schreibtisch liegen seit Dezember, seit seinem 50. Geburtstag, rot-weiße Luftballons. Horst Heldt, das sieht man an seinem Arbeitsplatz, identifiziert sich mit dem 1. FC Köln. Der Sport-Geschäftsführer hat aber auch eine von Leidenschaft geprägte Schalker Vergangenheit. Vor dem Bundesligaspiel zwischen Köln und Schalke an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) spricht er über beide Klubs.
Wie war es während des Rosenmontags-Zugs auf dem roten Doppeldecker-Bus des 1. FC Köln?
Horst Heldt: Ich habe gehört, dass es richtig gut war.
Sie waren nicht dabei?
Heldt: Nein, ich bin in die Bürgergarde Blau-Gold als Ehrenleutnant aufgenommen worden und habe das Privileg genossen, auf deren Wagen mitzufahren. Es war ein unfassbar schönes Erlebnis, aber auch anstrengend. Siebeneinhalb Kilometer ist die Strecke lang, und die ganze Zeit wirfst du Kamelle, das ist schon ein bisschen Arbeit. (lacht)
Also darf Schalke 04 davon ausgehen, dass sich der FC in dieser Woche im Feiermodus befand und sich nicht gescheit auf das Spiel vorbereitet hat?
Heldt: Das können Sie so nach Schalke transportieren. (lacht)
Schalke hat zuletzt gegen Leipzig gespielt, Köln bei Hertha BSC. Schalke hat 0:5 verloren, der FC 5:0 gewonnen. Heißt das etwas für Samstag?
Heldt: Nein. Schalkes 0:5 ist für mich in der Bewertung der Kräfteverhältnisse bedeutungslos. Wir sind Aufsteiger und stehen im Abstiegskampf. Wir wissen, dass wir schwere Wochen vor uns haben. Jetzt treffen wir auf eine Mannschaft, die den Anspruch hat, international zu spielen – auch wenn sie momentan nicht an Bayern, Borussia Dortmund oder Leipzig herankommt.
Momentan steht der FC sechs Punkte vor dem Relegationsplatz, das ist derzeit kein großes Drama. Als Sie und Trainer Markus Gisdol Mitte November angefangen haben, stand der FC auf Platz 17. Was ist in diesen drei Monaten passiert?
Heldt: Eine Menge. Das alles bringt aber nichts, wenn wir am Ende unser Ziel Klassenerhalt nicht erreichen. Wir haben die Basis geschaffen, um bestehen zu können.
Wie zum Beispiel?
Heldt: Es ist wichtig, neue Impulse zu setzen, wie und mit welchem Personal man Fußball spielen will. Außerhalb des Platzes ist es wichtig, eine Gemeinschaft herzustellen. Als wir kamen, haben wir aus verschiedenen Gründen keine Euphorie vorgefunden. Die braucht es aber, um den Turnaround zu schaffen. Und den haben wir geschafft.
Aber man ist keine Einheit, nur weil man es sagt. Es muss doch Maßnahmen gegeben haben.
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Heldt: Wir haben Personal-Entscheidungen innerhalb des Teams getroffen und den Konkurrenzkampf erhöht. Das Leistungsprinzip gilt. Auch mit der Art und Weise, wie wir spielen, haben wir die Fans zurückerobert. Und außerhalb des Rasens haben wir es geschafft, die Menschen mitzunehmen, die sich für den FC begeistern und mit ihm leiden. Wir haben ihnen zugehört – und ihnen dann erklärt, worum es geht, damit sie bereit sind, einen schwierigen Weg mitzugehen. Ein Beispiel: Am letzten Abend im Trainingslager haben wir den Fan-Abend anders gestaltet als früher. Statt, dass die Mannschaft kurz bei den mitgereisten Fans vorbeikommt und jeder unter sich bleibt, haben wir die Fans in den Essensraum der Profis eingeladen und die Spieler an den Tischen verteilt. Alle haben miteinander gegessen und gesprochen.
Hat es Sie getroffen, dass Sie und Markus Gisdol beim Amtsantritt kritisch beäugt wurden – gerade Sie als ehemaliger Kölner Spieler?
Heldt: Es war eher Ansporn als Hindernis. Wie viele andere, die in der Öffentlichkeit stehen, bin ich es gewohnt, dass Menschen manchmal dazu neigen, voreingenommen zu sein, ohne vielleicht Fakten zu kennen.
Ihr Vertrag gilt nur für die Bundesliga. Müssen Sie nicht trotzdem zweigleisig planen?
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Heldt: Das müssen wir, und das tun wir. Gemeinsam mit meinem Geschäftsführer-Kollegen Alexander Wehrle stehe ich in der Verantwortung.
Sie haben aber bestimmt auch eine Vorstellung, wo Sie den 1. FC Köln hinführen möchten.
Heldt: Wir sind in den Planungen und bearbeiten die Themen zu fünft – das bedeutet: das dreiköpfige Präsidium, Alexander Wehrle und ich. Mittelfristig geht es um die Planungen für die nächsten ein, zwei Jahre, und in der Langfristplanung überlegen wir, wo der Verein in zehn Jahren stehen soll. Da gibt es klare Gedankengänge, aber nichts, was wir nach außen transportieren wollen.
Als Sie Manager in Hannover waren, haben Sie vor dem ersten Spiel gegen Schalke im Interview mit dieser Zeitung gesagt, Schalke sei ein Mehrwert für Ihr Leben gewesen, weil es ein verrückter, hautnaher, hochemotionaler Verein sei. Ist der 1. FC Köln ein ähnlicher Klub für Sie?
Heldt: Wenn ich anfangen würde, meine Stationen zu ranken, würde ich den anderen nicht gerecht. Lassen Sie mal Schalke und Köln weg: In München habe ich meine Frau kennengelernt, in Frankfurt bin ich Nationalspieler geworden, da wurde mein Kindheitstraum wahr. Und dann habe ich noch nicht über die Deutsche Meisterschaft 2007 als Manager mit dem VfB Stuttgart gesprochen. In Köln hat alles angefangen. Hier bin ich Profi geworden, habe ich die entscheidenden Schritte gemacht. Das ist meine Heimat. Das ist ganz tief verankert im Herzen. Und Schalke...
Sie haben Schalke gelebt.
Heldt: Ich war megastolz, bei diesem großen Verein zu arbeiten. Bei all meinen Stationen in meinem Leben habe ich nur einmal geweint. Und das war zum Abschied auf Schalke. Damit ist alles gesagt.
Finden Sie, dass Ihr Vermächtnis auf Schalke nicht genug geschätzt wird?
Heldt: Mir ist das nicht wichtig.
Welche Verbindungen haben Sie noch nach Schalke?
Heldt: Den intensivsten Austausch habe ich mit Clemens Tönnies. Den möchte ich auch nicht missen, wir treffen uns oft. Auch zu ganz vielen Menschen in der Geschäftsstelle sind bleibende Freundschaften entstanden.
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Hatten Sie im Sommer 2019 ein Angebot von Schalke 04?
Heldt: Wir haben uns ausgetauscht. Es gab ein Treffen zwischen Jochen Schneider und mir, als auch Michael Reschke schon da war. Am Ende hat sich der Verein gegen eine Dreier-Konstellation entschieden.
Was hat Schalke dem FC denn voraus? Zum Beispiel die Infrastruktur? In Gelsenkirchen wird gerade gebaut.
Heldt: Der FC kann rückblickend ganz viel Tolles über sich und seine Zeit erzählen, aber man muss neidlos anerkennen, dass es viele Dinge gibt, die andere geschafft haben, die wir noch hinbekommen müssen. Natürlich hat Schalke uns das Trainingsgelände voraus. Da entsteht Gewaltiges. Jetzt wird das Parkstadion bald eröffnet.
In den älteren Jugendmannschaften ist der 1. FC Köln momentan besser als Schalke…
Heldt: Sowohl in der U19 als auch in der U17 sind wir Tabellenführer in der Bundesliga West. Ganz viele Menschen machen das hier richtig gut, es gibt eine enge Verzahnung nach oben. Wenn wir jetzt noch ein zeitgemäßes Trainingsgelände hätten, wäre das begrüßenswert. Wir performen unter sehr schweren Bedingungen top. Die Bedingungen wollen und müssen wir verändern.
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Haben Sie Sorge, dass der FC seine größten Talente verlieren könnte?
Heldt: Habe ich nicht. Denn auf Schalke habe ich die Erfahrung gemacht, dass es immer weitergeht. Was haben wir Talente verkaufen müssen, dann sind andere hochkommen. Wer ist nicht alles gegangen – nach Mesut Özil gab es…
… Manuel Neuer, Julian Draxler, Sead Kolasinac, Leroy Sané.
Heldt: An Manuel Neuer kann ich mich gut erinnern. Ein Jahr vor Vertragsende haben wir ihn für 30 Millionen Euro verkauft – ganz schön viel Geld damals. Keiner konnte sich vorstellen, dass Schalke überhaupt Fußball spielen könnte ohne Manuel Neuer. Dann kam Ralf Fährmann und hatte eine super Zeit mit hoher Identifikation. Jetzt gibt es Alexander Nübel – und danach kommt auch wieder einer. Was ich sagen will: Ich habe aus mehreren Gründen keine Angst davor. Wir können ganz viel bieten für junge Spieler, haben eine gute Philosophie und sind konkurrenzfähig. Aber wir werden nicht jeden behalten können.
Wo stehen der 1. FC Köln und Schalke 04 am Saisonende?
Heldt: Dass Schalke in der Bundesliga bleibt, ist ja klar. (lacht)
Wird Schalke denn einen europäischen Wettbewerb erreichen und der FC einen sicheren Platz ohne Abstiegsangst belegen?
Heldt: Uns würde ich einen sicheren Klassenerhalt wünschen. Wir dürfen uns aber nicht ausruhen. Ich glaube, dass Schalke die Saison auf einem internationalen Platz abschließt. Man kann das ja auch über den DFB-Pokal erreichen. Wenn ich Verantwortlicher von Schalke wäre, würde ich viel auf das Pokal-Viertelfinale gegen Bayern München setzen.
Eine B-Elf der Schalker in Köln, eine A-Elf gegen Bayern – das würde Ihnen gefallen…
Heldt: (lacht) Das habe ich nicht gesagt.
Ihr Sohn Paul war glühender Schalke-Fan. Ist er es mit nun bald zehn Jahren immer noch?
Heldt: Als Manager-Sohn hat er es ja nicht leicht. Ich glaube, dass er noch ganz starker Schalke-Sympathisant ist. Er will die Zeit nicht missen, und er schickt Clemens Tönnies auch hin und wieder Bilder. Aber Fan? Fan ist er vom 1. FC Köln.