Gelsenkirchen. . In der Schalke-Serie „Saisonende - kommt jetzt die Wende?“ blicken wir voraus: David Wagner soll Schalke ein fußballerisches Konzept verpassen.
Name: David Wagner. Alter: 47. Beruf: Fußballtrainer. Bundesliga-Erfahrung an der Seitenlinie: null. Und dennoch bringt Schalkes künftiger Coach alles mit, was S04-Sportvorstand und Ex-Leipzig-Boss Jochen Schneider („Sie wissen ja, wo ich die letzten dreieinhalb Jahre verbracht habe und welche Art von Fußball dort gespielt wird“) von seinem künftigen Übungsleiter erwartet. Schalke soll endlich klugen Konzept-Fußball darbieten, mit Pressing, präzisem Umschaltspiel und klarer Struktur im Herausspielen von Torchancen. Zyniker behaupten, in der Veltins-Arena habe es derartigen Sport seit 2011 (unter Ralf Rangnick) nicht mehr gegeben – zumindest nicht von Schalker Seite.
David Wagner, der 2017 mit dem „Underdog“ Huddersfield Town sensationell in die englische Premier League aufstieg und im Jahr darauf mindestens ebenso sensationell die Klasse hielt, steht für genau diesen modernen, ganzheitlichen Fußball: strategisch-kluges Besetzen der Räume in Ballnähe, entschlossenes Ersticken der gegnerischen Offensive, schnelles Kontern. Im Januar 2018 beschrieb Wagner dem englischen Fußballmagazin „Four Four Two“ sein Erfolgsgeheimnis in aller Ausführlichkeit: „Eines unserer Mantras ist, dass jeder für alles Verantwortung trägt“, dozierte der Schalker „Eurofighter“ von 1997. „Unsere Defensivspieler tragen Verantwortung für Angriff und Verteidigung, dasselbe gilt für die Offensivspieler.“
England feierte „The Wagner Revolution“
Wagners Ansatz, den Englands Presse 2017 als „The Wagner Revolution“ feierte, gleicht dem seines Freundes und Trauzeugen Jürgen Klopp (51) vom FC Liverpool. Das strategische Denken beginnt bereits im eigenen Strafraum: „Der Torwart sollte natürlich zuerst und vor allem ein Shot-Stopper sein“, skizzierte Wagner in „Four Four Two“, „doch er soll auch die Bälle verteilen können – er muss stark mit den Füßen sein. Ich will, dass meine Torhüter aufrücken und das Spiel antizipieren, so dass sie Bälle fordern und Angriffe einleiten können.“ Eine Philosophie, die Schalkes aktueller Nummer 1 Alex Nübel (20, Vertrag bis 2021) auf den Leib geschneidert zu sein scheint.
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Mindestens ebenso viel Beitrag zur Spieleröffnung erwartet Wagner von den Außenverteidigern, die laut seinem Anforderungsprofil „offensive Fähigkeiten besitzen müssen, damit sie sich am Angriffsspiel beteiligen können, sowie herausragende physische Attribute, damit sie 90 Minuten lang den Rasen rauf und runter rennen können“. Auch die zentralen Abwehrspieler müssen unter Wagner „nach vorne denken und selbstbewusst in Eins-gegen-eins-Situationen sein. Gute Fähigkeiten in der Luft sind ebenfalls wünschenswert, und wenn sie obendrein schnell sind, wäre das ein toller Bonus.“ Was irgendwie nach Salif Sané (28, Vertrag bis 2022) klingt.
Welche Schalke-Spieler passen könnten
Der Motor und die Steuerungsintelligenz von Wagners Pressingmaschine – in Huddersfield ließ er meist in einer 4-2-3-1-Grundformation spielen – sind im zentralen Mittelfeld untergebracht. „Wir haben normalerweise einen tiefer postierten Spieler, der sofort die richtige Position einnimmt, wenn wir den Ball verlieren, und es ist seine Aufgabe, diesen unmittelbar zurück zu erobern“, so der Ex-Stürmer (zwei Tore in 29 Bundesliga-Spielen für Schalke). „Dieser Spieler muss ein echter Arbeiter und Kämpfer sein.“ Eine Rolle, die etwa Omar Mascarell (26, Vertrag bis 2022) oder auch Weston McKennie (20, Vertrag bis 2022) zufallen könnte. „Daneben“, so verriet Wagner weiter, „haben wir einen etwas kreativeren Mittelfeldmann, der gefährliche Bälle hinter die letzte Kette des Gegners und auch den finalen Pass spielen kann.“ Im aktuellen S04-Kader besitzen am ehesten Sebastian Rudy (29, Vertrag bis 2022) und Nabil Bentaleb (24, Vertrag bis 2021) diese Fähigkeiten. Bei Letzterem jedoch scheint ein Verbleib mehr als fraglich.
Es müssen nicht immer die teuren Spieler sein
Doch Wagner führte schon in England vor, dass fehlende Qualitäten im Kader nicht immer zweistellige Millionen-Investitionen nach sich ziehen müssen: Der frühere Drittliga-Coach von Borussia Dortmund II holte die selbst hierzulande kaum bekannten Christopher Schindler (angeblich jetzt von Schalke umworben), Elias Kachunga, Chris Löwe, Collin Quaner und Michael Hefele aus Deutschland nach Huddersfield und machte aus ihnen wichtige Bestandteile des Kaders.
Eine Schlüsselrolle in Wagners Konzept kam den offensiven Außenspielern zu. „Unsere Flügel müssen schnell sein und eine überragende Ausdauer haben“, so der Coach. „Ich will, dass sie angreifen und verteidigen. Wenn sie darüber hinaus die Fähigkeit haben, gute Positionen in der Box zu finden, sind sie eine torgefährliche Waffe – das will ich sehen bei Außenspielern.“ Auf Schalke erfüllen u.a. Daniel Caligiuri (31, Vertrag bis 2020) sowie perspektivisch Rabbi Matondo (18, Vertrag bis 2023) und Hamza Mendyl (21, Vertrag bis 2023) diese Kriterien.
Uth und Kutucu im Fokus
Auch von seinen zentralen Angreifern erwartet der ehemalige Lehramts-Student Wagner (Sport und Biologie) eine gewisse Vielseitigkeit: Durchsetzungsvermögen im Dribbling innerhalb und außerhalb des 16-ers, gutes Passspiel, den Blick für die gefährlichen Räume und Abschlussstärke. „Überdies müssen sie dieselben Qualitäten mitbringen wie die restlichen Spieler. Sie müssen verteidigen können, denn wir wollen, dass sie in beiden Hälften des Platzes effektiv sind.“ Aktuell kommen wohl Mark Uth (27, Vertrag bis 2022) und Ahmed Kutucu (19, Vertrag bis 2022) dieser Beschreibung am nächsten.
Doch auch Spieler wie der von Verletzungen gebeutelte Breel Embolo (22, Vertrag bis 2021) könnten von Wagners Verpflichtung profitieren: Bei all seinen bisherigen Stationen (Hoffenheim-Akademie, BVB II und Huddersfield) erwies sich der Coach nämlich als geduldiger Spieler-Verbesserer, der etwa in Dortmund Talente wie den heutigen Leipziger A-Nationalspieler Marcel Halstenberg (27) entscheidend formte. Auch dieses Knowhow dürfte auf Schalke in den kommenden Jahren gefragt sein.