Gelsenkirchen. In der Schalke-Serie „Saisonende - kommt jetzt die Wende?“ geht es nun um Altlasten, die einen Neuanfang erschweren. Erzählt am Beispiel Bentaleb.
Und dann ist da noch Nabil Bentaleb. 24 Jahre alt, algerischer Nationalspieler, 20 Millionen Euro teuer. Vom Boulevard gerne mit der Bezeichnung „Problem-Profi” versehen, und so ganz verkehrt ist das in diesem Fall nicht. Derzeit hat Schalke gerade das Problem, was aus Bentaleb werden soll, obwohl dieser viel besser kicken kann als die meisten anderen im Kader.
Nach allem, was passiert ist, kann man sich den Mittelfeldspieler eigentlich kaum mehr im Schalke-Trikot vorstellen. Zweimal wurde Bentaleb binnen zwei Monaten von Huub Stevens aus dem Profikader geworfen; erst nach dem Spiel gegen Leipzig (am 16. März) und dann vor dem Spiel in Dortmund (am 27. April). In den zwei Wochen, in denen er zwischendurch wieder mit den Profis trainieren durfte, sei die Stimmung innerhalb der Mannschaft von einem Tag auf den anderen gleich wieder spürbar schlechter geworden – berichtet einer, der dabei war. Bentaleb gilt als einer, der die anderen Mitspieler runter zieht.
Wie Cristiano Ronaldo in der Weltauswahl
Einer seiner früheren Trainer hält sogar eine beinahe unglaubliche Geschichte für möglich: Es könne gut sein, dass Bentaleb mit seinem herausragenden technischen Vermögen die Zuspiele zu seinen Mitspielern mit Absicht so scharf spielt, damit diese den Ball nur mühsam aufnehmen können und auf dem Platz im Vergleich zu ihm selbst schlecht aussehen. Nach seinem Selbstverständnis fühlt sich Bentaleb auf Schalke wie Cristiano Ronaldo in der Weltauswahl: Er ist der Beste – und danach kommt erst einmal nichts.
Christian Heidel, der Nabil Bentaleb für 20 Millionen Euro Ablöse von Tottenham Hotspur geholt hat, hat stets betont, der Algerier sei „der beste Fußballer in der Mannschaft”. Doch Neuzugänge entwickeln sich auf Schalke oft in die verkehrte Richtung. Heidel hätte Bentaleb gerne zum Fixpunkt auf Schalke gemacht, doch das kann man sich – siehe oben – jetzt kaum noch vorstellen, obwohl man natürlich die Pläne des neuen Trainers David Wagner abwarten muss. Die Bild-Zeitung will erfahren haben, dass Schalkes neue sportliche Leitung Bentaleb loswerden möchte, dieser aber nicht daran denkt, vorzeitig zu gehen – sein Vertrag läuft bis 2021.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass ein sportlicher Neuanfang jedes Mal durch Altlasten erschwert wird. Schalke erlebt diese Situation jetzt gerade zum vierten Mal in zehn Jahren:
• 2009 kam Felix Magath und musste erst einmal mit den Spielern auskommen, die ihm das Vorgänger-Duo Andreas Müller/ Fred Rutten hinterlassen hatte. Geld für Neuzugänge war im ersten Sommer kaum da – der wichtigste Neuzugang kam damals aus der 2. Liga von Alemannia Aachen und hieß Lewis Holtby. Erst ein halbes Jahr später startete Magath seine legendäre Einkaufstour.
Heldt musste zwei Jahre auf Schalke aufräumen
• 2011 übernahm Horst Heldt das Ruder und war zwei Jahre lang damit beschäftigt, die Altlasten aus der Magath-Zeit abzutragen: In den ersten beiden Jahren wickelte Heldt auf der Abgaben-Seite mehr als 30 Spieler-Transfers ab, viele ließen sich nur auf Leihbasis bei anderen Vereinen unterbringen und standen ein Jahr später wieder auf der Matte. Einen teuren Profi wie Jose-Manuel Jurado (kam unter Magath 2010 für 14 Millionen Euro von Atletico Madrid) wurde Heldt erst zur Saison 2013/14 endgültig los. Der mehrfach verliehene Anthony Annan gehörte gar bis zum 30. Juni 2014 pro forma noch zur Schalker Masse – da war Magath schon drei Jahre weg. Die Altlasten, die Heldt von seinem Vorgänger übernahm, erschwerten lange Zeit eigene Transfer-Aktivitäten – dennoch kam Schalke dreimal hintereinander (2012, 2013, 2014) in die Champions League. Das gab es nie zuvor und auch danach nie wieder.
• 2016 bekam Christian Heidel den Generalschlüssel von Schalke und fand Spieler aus der Heldt-Zeit vor, mit denen seine Trainer Weinzierl und Tedesco nicht viel anfangen konnten (Junior Caicara, Sidney Sam, Dennis Aogo, Johannes Geis, Franco di Santo). Weil die Knappenschmiede aber damals reichlich neue Stars lieferte, konnte er Leroy Sané und Thilo Kehrer für insgesamt fast 90 Millionen Euro verkaufen und dafür Spieler holen, die seinem eigenen Gusto entsprachen. Spieler wie Breel Embolo (22,5 Millionen plus Zuschläge), Yevhen Konoplyanka (11 Millionen), Amine Harit (7,5 Millionen) oder eben den eingangs erwähnten Nabil Bentaleb (20 Millionen).
• 2019 muss nun Jochen Schneider sehen, welche Spieler aus der Heidel-Zeit er gebrauchen kann – und welche Altlasten Schalke loswerden muss. Auch wenn Schneider das öffentlich noch nicht gesagt hat, zeigt die Erfahrung, dass der Neuanfang dadurch erheblich erschwert wird, weil weniger Geld für die eigenen Wunsch-Transfers in der Kasse ist. Ein Verkauf zum Beispiel von Bentaleb könnte Geld einbringen, doch ob sich die 20 Millionen Euro jemals wieder reinholen lassen, scheint mehr als fraglich.
Unter Assauer gab’s das nicht
Zum vierten Mal binnen zehn Jahren fängt Schalke mit einer neuen sportlichen Leitung neu an. Früher war vielleicht nicht alles besser, aber doch anders. Rudi Assauers zweite Amtszeit dauerte 13 Jahre (1993 bis 2006), und bei ihm gab es das Gesetz, dass niemals die im Verein austauschbaren Personen (damals die Trainer) über Spielerverpflichtungen entscheiden sollten. So wollte Assauer sicherstellen, dass sich nicht der Nachfolger eines entlassenen Trainers über den Spielerkader seines Vorgängers mokieren konnte. Über die Zusammenstellung des Kaders entschied nur der Verein.
Und der Verein war damals: Rudi Assauer.