Gelsenkirchen. Schalke zeigt im Abstiegskampf Nerven. Die Profis wirken gehemmt. Sportvorstand Schneider: „Wir brauchen eine andere Truppe und Einstellung“
Seit Mitte März steht Huub Stevens als Übergangstrainer bei Schalke 04 in der Verantwortung. Der 65-Jährige dreht seitdem an der einen oder anderen Stellschraube, aber Wunder kann auch er nicht vollbringen. Das 1:1 (0:0) beim Mitkonkurrenten 1. FC Nürnberg öffnete auch Stevens die Augen über eine limitierte, verunsicherte und streckenweise überforderte Mannschaft. „Dass eine Mannschaft wie Nürnberg so ein Spiel gegen Schalke macht, ist schon beachtlich“, meinte Nürnbergs Trainer Boris Schommers - und legte mit seiner Einschätzung das ganze Schalker Dilemma offen.
Nicht einmal gegen einen Abstiegskandidaten kann Schalke die Qualitäts-Trumpfkarte ziehen.
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Die Erklärung für die unterirdische Leistung fasste Stevens mit einem einzigen Wort zusammen. „Zweifel.“ Nach kurzer Pause wählte er zwei Wörter: „Schlechter Ratgeber.“ Dann folgten längere Sätze: „Du darfst nicht zweifeln. Die Mannschaft hat gezweifelt, weil der Gegner aggressiver und besser war. Dann verlierst du deine Zweikämpfe, du kommst nicht ins Spiel, dadurch kommen dann Zweifel auf.“ Die Frage ist, ob Stevens bis zum Saisonende an dieser Schalker Mannschaft verzweifelt - oder die Zweifel vom Tisch wischt. Dazu müssen in den letzten fünf Spielen, die mit der TSG Hoffenheim und Bayer 04 Leverkusen noch zwei Europa-League-Bewerber und mit Borussia Dortmund einen Titelaspiranten beinhalten, dringend Punkte her.
Stevens über das Spiel: „Das kann nicht sein“
Von den „positiven Schritten“, die Stevens zuletzt noch registriert hatte, war gegen den Vorletzten Nürnberg nichts zu sehen. „So wie wir gespielt haben, das kann nicht sein“, knurrte er nach dem seltsam gehemmten Auftritt seines Teams. Nur dem Sahneabend von Torwart Alexander Nübel und dem Ausgleich von Matija Nastasic (85.) war es zu verdanken, dass Schalke keine totale Bruchlandung erlebte und den Vorsprung auf den Drittletzten VfB Stuttgart sogar noch auf sechs Zähler ausbauen konnte.
Woran es liegt, dass die Königsblauen so schwächeln? „Das ist so im Abstiegskampf, da spielen die Nerven eine Rolle und die Angst, etwas zu verlieren“, meint Sportvorstand Jochen Schneider, „die Jungs können auch die Tabelle lesen. Der eine kann damit besser umgehen, der andere schlechter.“ Schneider fordert: „Wir dürfen uns jetzt nicht runterziehen. Gegen Hoffenheim brauchen wir eine andere Truppe, eine andere Einstellung, eine andere Leistung, damit wir in der Lage sind, zu punkten.“
„Schalke hat trotzdem großen Reiz“
Parallel zum Existenzkampf muss Schneider die Personalplanungen für die neue Saison vorantreiben. Es gibt einfachere Aufgaben. „Das muss man losgelöst davon sehen. Dass wir hier kein wunderschönes Bewerbungsschreiben abgeben, ist klar“, räumt Schneider ein, sagt aber auch: „Schalke 04 hat trotzdem einen unglaublich großen Reiz. Und die Chance, aus dieser Situation wieder etwas Positives aufzubauen, ist unbestritten da. Das überwiegt. Da wird kein potenzieller Kandidat, egal, für welche Position, sagen: da will ich nicht hin!“
Der ehemalige Leipziger steht heute seit 45 Tagen in der Verantwortung beim Malocherklub. Für eine fundierte Bewertung sieht Schneider den Zeitpunkt noch zu früh. „Wieviele Tage bekommt man in der Politik“, fragt er - und kennt die Antwort. Dort wird nach 100 Tagen ein Fazit gezogen. Schneider: „Deshalb bitte ich um Ruhe. Ob wir den Trainer oder den Sportdirektor am 13. April oder am 23. April oder am 3. Mai haben, ändert an der Situation hier jetzt nullkommanull. Ich wiederhole mich gerne: Da geht Qualität vor Zeit.“ Schneider lässt sich nicht treiben: „Ich weiß, dass hier alles ein bisschen aufgeregter, ein bisschen emotionaler, ist. Aber je unruhiger es im Umfeld wird, desto ruhiger werde ich.“