Gelsenkirchen. Der Abstiegskampf geht Schalkes Marketingvorstand Alexander Jobst nah. Im Interview spricht er über Stevens, Tedesco und die 2. Bundesliga.
Der kriselnde Fußball-Bundesligist Schalke 04 hat sportlich eine Menge Kredit verspielt und muss sich in der kommenden Saison auf finanzielle Einbußen gefasst machen. Wegen des Verpassens des internationalen Wettbewerbs entfallen sportliche Prämien von großen Sponsoren. So soll sich unter anderem die Sponsoringsumme von Trikotpartner Gazprom reduzieren, wenn Schalke nicht international vertreten ist. „Dennoch sehe ich uns in den Vermarktungserlösen mit Blick auf die kommende Saison gut aufgestellt“, sagt Marketingvorstand Alexander Jobst. Im Interview bekennt sich der 45-Jährige auch im Falle eines Horror-Szenarios zum Ruhrgebiets-Klub.
Herr Jobst, Hand aufs Herz: Haben Sie sich vor dem Kellerduell am Sonntag in Hannover schon mit einem möglichen Schalker Zweitliga-Abstieg beschäftigt?
Alexander Jobst: Vorab: Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass dieser Fall für uns nicht eintritt. Gleichzeitig wäre es höchst unprofessionell und für den Verein verantwortungslos, wenn wir uns im Vorstand bei dieser Tabellensituation nicht damit beschäftigen würden.
Was bedeutet das konkret?
Jobst: Für meinen Verantwortungsbereich heißt das: Wir haben einige wenige Verträge, die im Falle eines Abstiegs Abschlagszahlungen beinhalten – also: Die Sponsoren würden dann weniger bezahlen. Trotzdem wären wir auch in einem „worst case“ Abstieg im Einnahme-Ranking noch in einem Bereich, der Platz acht bis zehn in der 1. Fußball-Bundesliga entsprechen würde. Es muss sich also niemand Sorgen machen, dass wir totalen Schiffbruch in den Sponsoringerlösen erleiden.
Ihr Vertrag auf Schalke läuft bis 2024. Wäre Ihre Mission bei einem Absturz in die Zweitklassigkeit vorzeitig beendet?
Jobst: Ich bin kein Typ, der bei Problemen wegrennt, deshalb stellt sich diese Frage für mich nicht. In schwierigen Zeiten muss man zusammenhalten und alle Kräfte bündeln. Das gilt für Fans, Mitglieder, Partner, Sponsoren und auch für mich persönlich als einer der Verantwortlichen. Ehrlich gesagt war das 0:4 gegen Düsseldorf vor wenigen Wochen mein schlimmster Tag in der siebenjährigen Amtszeit auf Schalke.
Warum?
Jobst: Dieser Ärger, aber auch die Frustration und Lethargie in unzähligen Gesichtern der Schalker in der Veltins-Arena: Ich hatte Tränen in den Augen. Und ich muss zugeben, dass es in diesem Jahr schon viele Nächte gab, in denen ich kaum geschlafen habe.
Droht Schalke angesichts der enttäuschenden Saison ein großer Verlust im Sponsoring-Sektor?
Jobst: In 2018 haben wir unsere Vermarktungserlöse nochmals um knapp zehn Millionen steigern können und mit 96 Millionen Euro alleine aus der Vermarktung für den Verein eine Ertragskraft, von der 15 andere Bundesligisten weit, weit weg sind. Der Klub besitzt so eine Kraft, dass wir selbst in schlechten Zeiten eine große Loyalität bei unseren Partnern und Sponsoren spüren. In den letzten Wochen und Monaten führe ich gemeinsam mit meinem Team sehr viele persönliche Gespräche mit unseren langjährigen Partnern. Zudem haben wir in den letzten beiden Jahren unsere großen Sponsoren wie zum Beispiel Veltins, Gazprom, Umbro oder die R+V-Versicherung, alle mit Weitsicht langfristig weiter an uns binden können.
Schalke 04 war in den letzten drei Jahren nur einmal in der lukrativen Champions League, die in dieser Saison rund 60 Millionen Euro eingebracht hat, dabei. Müssen Sie ab sofort kleiner denken?
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Jobst: Platz 15 kann nicht unser Anspruch sein. Wir sind mit unseren Strukturen im Verein auf das internationale Geschäft angewiesen. In einem Zeitraum von fünf Jahren sollten wir drei, vier Mal international dabei sein. Sonst funktioniert es in diesem harten Geschäft wirtschaftlich nicht. Wirtschaftlich gehören wir aktuell mit einem Umsatz von 350 Millionen Euro zu den Top-15-Vereinen in Europa und werden von unserer klaren Ausrichtung, auch zukünftig international zu spielen, nicht abrücken. Das ist das klare Verständnis von Aufsichtsrat und Vorstand.
Mit Huub Stevens soll es auf der Zielgeraden ein erfahrener Trainer richten. Was erwarten Sie von ihm?
Jobst: Ich möchte es mal so beschreiben: Huub wirkt für die Mannschaft wie ein Medikament, das uns helfen wird. Auf der Packungsbeilage kann man das Haltbarkeitsdatum zwar nicht mehr richtig erkennen (lacht), aber man weiß eben, dass es bei der Einnahme gut wirkt. Huub Stevens steht für Organisation und Disziplin, er steht für alle Werte, die Schalke ausmachen. Genau das brauchen wir in dieser prekären Situation.
Wie sehr hat Sie die Trennung von Domenico Tedesco getroffen?
Jobst: Aus meiner Sicht war Domenico der perfekte Trainer für Schalke 04. Nicht nur, was seine fachliche Kompetenz angeht, sondern auch, was die Markenbindung betrifft. Jung, dynamisch, emotional, voller Leidenschaft und mit totaler Identifikation zum Verein. Er hat für den Verein alles gegeben. Persönlich wünsche ich mir, dass ich mit ihm irgendwann nochmal zusammenarbeite, weil ich sicher bin, dass er ein großer Trainer wird.
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Muss Schalke nach der Aufgabe von Manager Christian Heidel und nach der Übergangsphase mit Huub Stevens bei Null anfangen?
Jobst: Nach der Vizemeisterschaft sind einige Dinge im sportlichen Bereich schiefgelaufen, anders kann man diese Saison nicht erklären. Es gibt enorm viel zu tun. Sportvorstand Jochen Schneider und sein Team werden in den kommenden Monaten alles daran setzen, dass die Identifikation zwischen Fans und Mannschaft wieder auf eine andere Ebene gestellt wird. Gemeinsam müssen wir es uns zur Aufgabe machen, dass Schalke wieder für Leidenschaft, Herz und Verstand steht! Bei unseren Fans, Mitarbeitern, Partnern und vor allen Dingen: auf dem Platz. Dazu gehört eine Mannschaft, mit der wir uns identifizieren können.
Schalke macht nach den letzten Eindrücken keinen Spaß, oder?
Jobst: Das Produkt, das wir anbieten, stimmt einfach nicht. Wenn wir einen Vergleich aus der Automobilindustrie nehmen, dann muss man feststellen: Die Karosserie ist schick lackiert, das Design stimmt, der Komfort ist top, die Navigation ist eingestellt. Nur kommen wir nicht von der Stelle, weil der Motor stottert. Und das müssen wir ändern.