Gelsenkirchen. Jochen Schneider von RB Leipzig folgt auf Christian Heidel als Sportvorstand. Ein Sportdirektor wird noch gesucht. Jonas Boldt kommt nicht.

Seinen ersten großen Auftritt hatte Jochen Schneider mit 17 Jahren. Am 28. November 1987 nahm er in Saarbrücken an der ZDF-Unterhaltungsshow „Wetten, dass…“ teil. Nur durch Anschauen und Fühlen von 100 geworfenen Tennisbällen erkannte er fünf später dazugelegte. Das Publikum wählte ihn dafür zum Wettkönig. Der Mann, der als Teenager auch Thomas Gottschalk verblüffte, kehrt mit 48 Jahren auf die ganz große Bühne zurück.

Er wird Sportvorstand des FC Schalke 04.

Nur drei Tage nach dem Rücktritt von Christian Heidel hat der Fußball-Bundesligist einen Nachfolger gefunden. Keinen bekannten Namen wie Klaus Allofs, keinen ambitionierten Jung-Manager wie Jonas Boldt. Schneider ist seit 1999 im Profigeschäft, stand aber meist in der zweiten Reihe – ob beim VfB Stuttgart zwischen 1999 und 2015 oder danach bei RB Leipzig.

Deshalb ist über Schneider auch nicht viel bekannt. Er ist Fan von Celtic Glasgow, hat vor seiner Fußball-Karriere eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert – und sonst? Aus seinem alten Stuttgarter Kollegenkreis ist zu hören: Schneider sei ruhig, höflich und zurückhaltend. Ein Teamplayer mit einem großen Netzwerk. Schneider kümmerte sich vorrangig um Spielerverträge, zuletzt in Leipzig um die Internationalisierung des Klubs.

Lob von Kölns Sportdirektor Veh

Einer, der Schneider sehr gut kennt, ist Armin Veh. Der Sportdirektor des Zweitligisten 1. FC Köln war einer der 13 Trainer, mit denen Schneider in seiner Zeit beim VfB Stuttgart zusammenarbeitete. „Es hat mich gewundert, dass er noch nirgendwo die Nummer eins geworden ist, wenn ich ehrlich bin“, sagt Veh im Gespräch mit dieser Zeitung. Zweifel daran, dass Schneider überzeugt, hat Veh nicht: „Er ist für Schalke ein sehr guter Griff. Ich bin überzeugt davon, dass er es schafft – von seinem Charakter her, von seinem Können, von seiner Intelligenz. Das nötige Netzwerk hat er auch. Er hatte auch einen großen Anteil an unserer Meisterschaft 2007. Er war auch dabei nicht in vorderster Front, aber er hatte immer eine klare Meinung.“

Meister mit dem VfB Stuttgart: Jochen Schneider (r.) im Jahr 2007 mit Trainer Armin Veh.
Meister mit dem VfB Stuttgart: Jochen Schneider (r.) im Jahr 2007 mit Trainer Armin Veh. © imago

Auch Huub Stevens wird sicher ein gutes Wort für Jochen Schneider eingelegt haben. Denn auch Schalkes Jahrhunderttrainer, seit knapp einem Jahr im Aufsichtsrat der Königsblauen, arbeitete in Stuttgart zweimal mit Schneider zusammen – und er gilt als der wichtigste Ratgeber von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Der hatte die Suche nach einem Sportvorstand zur Chefsache erklärt. „Wir wollten einen erfahrenen Fußballfachmann, der über ein erstklassiges Netzwerk im nationalen und internationalen Profifußball verfügt und in den letzten Jahren mit Erfolg moderne Konzepte verfolgt hat“, sagt Tönnies. Er schlug dem Aufsichtsrat Schneider vor – und das Gremium stimmte gestern Mittag zu.

Schneider äußerte sich nur im Rahmen einer Pressemitteilung. „Für mich ist es zum einen eine große Ehre, zum anderen eine Riesenherausforderung, das Ressort Sport zu übernehmen. Schalke verfügt über eine ganz besondere Strahlkraft, die weit über das Ruhrgebiet und Deutschland hinausreicht“, erklärt Schneider.

Seine erste Aufgabe – er übernimmt sofort für Christian Heidel – ist schon deutlich formuliert: Er soll einen neuen Sportdirektor benennen. Im Gegensatz zu Heidel, der keine Unterstützung eines Kaderplaners hatte, will Schalke die Verantwortung zwei Personen übertragen. Jonas Boldt (37) spielt nach unseren Informationen keine Rolle mehr in Schalkes Planungen. Genannt werden im Klubumfeld auch die Namen Thomas Linke (Berater des FC Ingolstadt) und Sven Mislintat (früher beim BVB).

Für die Rolle eines Teammanagers ist Schalke-Legende Gerald Asamoah vorgesehen. Clemens Tönnies mag das Modell des Revierrivalen Borussia Dortmund, der Verantwortliche mit Stallgeruch gefunden hat. Der 40-jährige Asamoah, der seine Karriere 2015 beendet hat, ist seit 2016 Manager der U23. Zudem hat er ein Sportmanagement-Studium absolviert. Asamoah wäre der ideale Kandidat, um eine Rolle wie Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzspielerabteilung beim BVB zu übernehmen.

Auch Tedesco kennt Schneider

Doch was bedeutet das alles für Trainer Domenico Tedesco? Erst einmal nichts. Berührungspunkte zwischen ihm und Schneider gab es: 2013 übernahm Tedesco die Stuttgarter U17. Doch das ist lange her. Tedesco hat seinen größten Befürworter Heidel verloren – der Aufsichtsrat steht noch zu ihm.

Froh dürfte Tedesco darüber sein, dass es jetzt auf Schalke wieder um Fußball geht – und nicht mehr um Folgen des Heidel-Rücktritts. Der neue Sportchef Schneider gibt die Richtung vor: „Aus der aktuellen Situation ergibt sich, dass viel Arbeit auf uns alle wartet.“ Er, der Wettkönig von 1987, soll nun Schalke retten.