Gelsenkirchen. Tränen in der Kirche, Pils an der Arena: Der deutsche Fußball nimmt Abschied von Rudi Assauer und würdigt das Werk des früheren Schalke-Managers.
„Da isser!“, sagt Clemens Tönnies, dreht sich für einen kurzen Moment um und blickt ehrfürchtig auf das große Schwarz-Weiß-Porträt, das neben dem Altar in der Kirche St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer aufgestellt ist. Auf dem Bild zu sehen ist Rudi Assauer. Genau so, wie er sich wahrscheinlich selbst am besten gefallen hätte: akkurat gekleidet, charmant lächelnd, die Zigarre im Mund, den Uefa-Cup, den Schalke 04 1997 gewonnen hat, lässig geschultert. „Rudi war Macher und Anpacker“, sagt Tönnies, der Schalker Aufsichtsratschef. „Er sagte immer das, was er dachte. Er hat Schalke gepackt und an die Spitze der Bundesliga gebracht.“
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In der vergangenen Woche ist Rudi Assauer nach langer Demenzerkrankung im Alter von 74 Jahren verstorben. Drei Tage nach der Beisetzung im engen Familienkreis am Dienstag im Schlosswald in Herten-Westerholt hat der FC Schalke 04, sein FC Schalke 04, am Freitag zu einer Gedenkfeier eingeladen. Sehr emotional ist sie, die Feierstunde, vor 1100 Gästen. Darunter sind auch die Töchter Katy Assauer und Bettina Michel, die ihren Vater bis zuletzt pflegte.
Dass Rudi Assauer als Spieler, Trainer und vor allem als Manager Spuren hinterlassen hat, die weit über die Vereinsgrenzen hinausgehen, hätte wohl nichts eindrucksvoller unterstreichen können als dieser Gedenkgottesdienst. 27 Kränze und Blumengestecke schmücken den Altarraum. Assauers Jugendverein, der heutige Kreisligist DJK Spvgg. Herten, hat ebenso einen stillen letzten Gruß hinterlassen wie der Deutsche Fußball-Bund, die Deutsche Fußball-Liga und die meisten Bundesligavereine, mit denen sich Rudi Assauer über Jahrzehnte auch gerne Wortduelle geliefert hat. Auf einer Schleife ist sogar ein Bild abgedruckt, auf dem Rudi Assauer und ein ehemaliger Schalker Trainer Arm in Arm zusammenstehen. „Herzensgrüße Ralf Rangnick“, steht daneben geschrieben.
Hans-Joachim Watzke und Reinhard Rauball, die Klubspitzen von Borussia Dortmund, sind nach Gelsenkirchen gekommen. Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß, Bayer Leverkusens Sport-Geschäftsführer Rudi Völler und Toni Schumacher, Vizepräsident des 1. FC Köln, sind ebenfalls da. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sitzt in der ersten Reihe, die aktuelle Schalker Profimannschaft zusammen dahinter. Auch fast alle Schalker Eurofighter, die 1997 den Uefa-Cup gewannen, erweisen ihrem Manager die letzte Ehre. Sie alle haben feuchte Augen, als Schalkes Jahrhunderttrainer und Assauers enger Freund Huub Stevens spricht. „Assi hat einmal gesagt: Entweder schaffe ich Schalke, oder Schalke schafft mich“, sagt Stevens und ergänzt mit brüchiger Stimme: „Leider hat ihn dann die lange Krankheit geschafft.“
Das Stadion des FC Schalke 04 ist Assauers Lebenswerk
Als Dieter Burdenski, Repräsentant von Assauers Ex-Klub Werder Bremen, eine Geschichte über Rudi Assauer erzählt, wird in der Kirche aber auch laut gelacht: Assauer war damals junger Trainer der Bremer und hatte nach der dritten 0:4-Niederlage in Folge vor dem Spiel gegen den FC Bayern eine Idee. Am Abend vor dem Spiel wurde jeder Spieler von ihm verpflichtet, einen „doppelten Fernet“ zu trinken. „Was denken Sie, wie das Spiel ausgegangen ist“, fragt Burdenski und liefert die Antwort selbst: „7:0. Für die Bayern.“ Eine Anekdote, die viel über den gebürtigen Saarländer Assauer, der aber in Gelsenkirchens Nachbarstadt Herten aufgewachsen ist, aussagt. Wenn er etwas wollte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hat er es auch umgesetzt. So wie den Bau der Arena auf Schalke – das Stadion des FC Schalke 04 ist Assauers Lebenswerk. „Rudi ist einfach losmarschiert und hat es umgesetzt. Er war nicht nur der Architekt der Arena, sondern des neuen Schalke“, sagt Tönnies.
Dr. Reinhard Rauball würdigt zunächst Assauers Verdienste als Spieler von Borussia Dortmund. Schließlich gehörte er zu der Mannschaft, die 1966 mit dem BVB den Europapokal der Pokalsieger gewann. Vielmehr galt Assauer aber als absolute Ausnahme: Denn wer wird schon von Schalkern und Dortmund gleichermaßen geschätzt? „Rudi war ein Schalker, den auch die Dortmunder liebten und verehrten“, sagt Rauball. „Rudi Assauer hat ein Zeichen für den Zusammenhalt aller Vereine gesetzt, er hatte Freunde in allen Vereinen. Das sieht man auch an der Präsenz der Klubrepräsentanten hier beim Gedenkgottesdienst.“
Gerne hätte Rauball Assauer im nächsten Jahr bei der Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund für dessen 50-jährige Vereinsmitgliedschaft geehrt. „Rudi Assauer war nicht nur eine Symbolfigur für das gesamte Ruhrgebiet. Er war ein geachteter Repräsentant des gesamten deutschen Fußballs. Ein Pfundskerl, den wir nie vergessen werden“, sagt Rauball, der auch als Präsident der Deutschen Fußball-Liga spricht. Von den Europapokal-Siegern von 1966 erweist unter anderem Sigfried Held der seinem ehemaligen Mitspieler die letzte Ehre.
Armin Laschet stimmt zu: „Rudi Assauer hat den wohl größten Konflikt im Ruhrgebiet gelöst: den zwischen Schalke und dem BVB.“ Der Ministerpräsident nennt Assauer einen „großen Sympathieträger für das Land“ und sagt außerdem: „Er hatte die Fähigkeit, Konflikt und klare Kante auf der einen Seite mit Charme und Herz auf der anderen Seite zu verbinden. Er hat Erfolg und Bodenständigkeit in einer Person vereint.“ Auf Assauers Wort sei immer Verlass gewesen. Vor allem, wenn er den Fans etwas versprochen hat. Laschet: „Sein Herz schlug für die Stehplätze und nicht für die VIP-Logen.“
Als mit Unterstützung des Ruhrkohle-Chors, der Grubenlampen dabei hat, das Schalker Vereinslied „Blau und Weiß“ in der Kirche angestimmt wird, singen Assauers Familie und die Ehrengäste genauso laut mit wie die knapp 400 Schalker-Fans, die sich um einen Platz beworben haben und statt in Schwarz viel lieber in Blau und Weiß gekommen sind. Wer keinen Platz in der Kirche findet, verfolgt die Gedenkfeier auf dem Videowürfel in der Arena auf Schalke, in der nach der Gedenkfeier noch zu Pils und Bratwurst geladen wird. In lockerer Runde – so, wie Rudi Assauer es mochte.
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Zuletzt allerdings nicht mehr. Die schwere Demenzerkrankung hatte dem Macher und Macho immer mehr Lebensqualität geraubt. Schon bei seinem letzten Besuch in der Arena vor einem Dreivierteljahr war die Krankheit weit fortgeschritten, Assauer saß da bereits im Rollstuhl. „Ein Idol so sehr leiden zu sehen, war schlimm. Rudi hat einen schweren Weg hinter sich gebracht – und es geschafft. Danke, dass es dich gegeben hat“, sagt Tönnies.
Tenor Lars-Oliver Rühl singt Frank-Sinatra-Hit "My way"
Als Lars-Oliver Rühl, ein Tenor aus dem Gelsenkirchener Musiktheater, den Frank-Sinatra-Hit „My way“ in der Kirche singt, kullern auch bei Assauers ehemaliger Lebensgefährtin Simone Thomalla und ihrer Tochter Sophia die Tränen. „I did it my way“, heißt es in dem Lied. „Ich habe es auf meine Art getan.“ So war Rudi Assauer.