Essen. Bei der Handball-WM war der Hallensprecher mehr Animateur und offen parteiisch. Die Stadionsprecher bei S04 und BVB lehnen Dauerbeschallung ab.
Natürlich hat Dirk Oberschulte-Beckmann die Handball-Weltmeisterschaft verfolgt, die am Wochenende zu Ende gegangen ist. Und natürlich haben die Spiele den Stadionsprecher von Schalke 04 auch mitgerissen. „Aber für mich als Fernsehzuschauer war es ein bisschen zu viel, was die Hallensprecher gemacht haben“, sagt er. Denn Kevin Gerwin, der die Spiele der deutschen Handballer am Mikrofon begleitet hatte, war mehr Animateur als Hallensprecher, er forderte die Zuschauer stets zum Anfeuern und Abfeiern der deutschen Nationalmannschaft auf – und löste damit Diskussionen aus: Darf ein Hallensprecher das? Darf er parteiisch sein, darf er eine Sportveranstaltung derart zum Ballermann-Event machen?
Die Meinungen dazu sind geteilt: „Kollegen aus der Marketingabteilung, die da waren, sagen: Entscheidend ist, dass es in der Halle ankommt“, so Oberschulte-Beckmann. „Und das ist es: Die Leute haben alle mitgemacht, der Sprecher hat die Leute mitgenommen. “
BVB-Stadionsprecher Dickel: "Ich begrüße alle Gegner gleich"
Bei einer Fußball-WM wäre das undenkbar: 2006 gab es vom Weltverband Fifa großen Ärger für Stadionsprecher Andy Wenzel – weil er es gewagt hatte, beim Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien zu rufen: „Unser Team braucht jetzt unsere Unterstützung.“ Schalkes Oberschulte-Beckmann fing sich 2011 einen Rüffel eines Uefa-Delegierten ein, weil er im Champions-League-Spiel gegen Inter Mailand den Torjubel mit „Grazie“ beendet hatte – das sei eine Provokation gewesen.
In der Bundesliga geht es weniger streng zu – von Verhältnissen wie beim Handball ist man aber weit entfernt. „Ich möchte nicht, dass im Stadion so eine Karnevalsveranstaltung stattfindet – und das ist nichts gegen den Karneval“, sagt Norbert Dickel. Zwar zählt der Dortmunder Stadionsprecher zu den lauteren und emotionaleren seiner Zunft, dennoch meint er: Die Zuschauer kämen wegen des Spiels – „und nicht, weil da irgendwelche Hupfdohlen herumspringen.“ Und auch Oberschulte-Beckmann, den sie auf Schalke liebevoll Quatscher nennen, wirbt für Zurückhaltung: „Wenn man die große Explosion als Stadionsprecher haben will, ist das mit mir kaum zu machen“, sagt er. „Und auch mit den meisten Fußballfans wäre das auch schwierig, gerade die Ultra-Szene steht solchen Ideen wohl eher kritisch gegenüber.“
Und wie ist es mit dem Thema Neutralität? „Ich begrüße alle Gegner gleich, egal ob es die Bayern sind oder Schalke, oder Hoffenheim oder Hannover“, sagt Dickel. „Nicht dass mir irgendwann mal vorgeworfen wird, dass ich parteiisch bin.“ Und dann muss der Ex-Profi selbst lachen – er weiß ja, dass er genau das ist und auch sein soll. So erwarten es ja die eigenen Fans. Natürlich werden nur Tore der Heimmannschaft laut abgefeiert, natürlich werden nur die eigenen Spieler euphorisch präsentiert, in Dortmund wie auf Schalke. „Dieses Stück Heimvorteil wollen wir uns nicht nehmen lassen“, sagt Oberschulte-Beckmann.
Grenzen der Verbände werden stark ausgereizt
Doch es gibt Grenzen, auch durch das Regelwerk der Verbände – und die werden schon stark ausgereizt, wenn Dickel in der Nachspielzeit alle Zuschauer auffordert, noch einmal Gas zu geben. Doch Paragrafen sind dem Publikumsliebling nicht das Heiligste. „Die wichtigsten Regeln sind die ganz normale Anstandsregeln, die jeder ins einer Jugend genossen haben sollte.“ Ähnlich hält es der Quatscher auf Schalke: „Ich versuche immer, unsere Gästefans als Gäste zu behandeln, solange sie sich auch wie Gäste benehmen.“
Und das nicht nur aus Gründen der Fairness: „Das Thema Sicherheit wird immer wichtiger, deswegen muss man vorsichtig sein“, erklärt Oberschulte-Beckmann. „Es darf nicht sein, dass man Leute aufhetzt oder zu sehr anheizt.“ Es ist eben etwas anderes, ob man 19.000 Handballzuschauer aufpeitscht – oder mehr als 50.000 Fußballfans.