Gelsenkirchen. In der Hinrunde spielte die Mannschaft des FC Schalke 04 an den Ansprüchen vorbei. Trainer Domenico Tedesco steht deswegen jetzt unter Druck.
Im Urlaub im Südpazifik hatte Ralf Fährmann nicht nur traumhaftes Wetter, feinen Sandstrand und kristallklares Wasser, sondern auch viel Zeit zum Nachdenken. Der Kapitän des FC Schalke 04 nutzte die Tage zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel, um ein turbulentes Jahr 2018 Revue passieren zu lassen. Fährmann erlebte mit den Königsblauen erst die Rückkehr in die Bundesliga-Spitze und feierte im Mai die Vizemeisterschaft. Danach folgte ein kaum für möglich gehaltener Absturz. Schalke steht mit 18 Punkten aus 17 Spielen nur auf Platz 13. Der Vizemeister wurde entzaubert.
Den einen Grund, an dem sich der Absturz des Klubs festmachen lässt, gibt es nicht. Es ist die Summe vieler kleiner Faktoren, die den Gang der Saison bestimmt: Schalke hat in einigen Bereichen nachgelassen, hat seine eklige Spielweise eingebüßt, agierte weniger effektiv, trat oft zu harmlos auf und war statt Heim-Macht eher Selbstbedienungsladen in der Arena. Von acht Heimspielen wurden nur drei gewonnen. Fünf gingen verloren. Zu wenig, um Ambitionen auf die Spitzengruppe gerecht zu werden.
Schalke: Im Sommer wurden unglücklich Entscheidungen getroffen
Im Sommer wurden unglückliche Entscheidungen getroffen. Neuzugänge wie Omar Mascarell (Real Madrid, vorher Frankfurt) und Sebastian Rudy (Bayern München) zündeten nicht. Die Wirkung des Weggangs von Nationalspieler Leon Goretzka (ablösefrei zum FC Bayern München) wurde unterschätzt. Goretzka war in der vergangenen Saison wichtig für das Team-Innenleben, korrigierte im Hintergrund, wenn es etwas zu korrigieren gab.
Ralf Fährmann kommt zu der Erkenntnis: „Es gibt keinen bei uns im Team und im Team darum, der keine Fehler gemacht hat. Ein Stück weit ist es manchmal auch Schicksal. Wenn man in schwierigen Phasen steckt, dann will man natürlich da rauskommen und möchte unbedingt etwas ändern.“ Der 30-Jährige bilanziert: „Man versucht, alles auf den Kopf zu stellen und seinen Anker, an dem man sich immer orientieren konnte, zurückzuholen. Nach der Hinrunde habe ich mir gesagt: Es war ganz gut, dass der Jahreswechsel anstand, und wir das Buch 2018 schließen konnten. Jetzt wird das neue Buch 2019 geschrieben.“
Darin sollen vor allem positive Kapitel stehen. „Die Stimmung ist gut, wir haben uns alle etwas vorgenommen. Das konnte man im Trainingslager in Benidorm sehen“, sagt Fährmann. Die Schalker Profis arbeiteten vom 4. bis zum 11. Januar bei optimalen Bedingungen.
Schalke: Viele Gespräche in Benidorm
Domenico Tedesco nutzte den Aufenthalt nicht nur, um mit seinem Team im taktischen Bereich zu arbeiten, sondern auch für viele Einzelgespräche. Dabei fiel dem Trainer unter anderem auf, dass sich Veränderungen in der Hierarchie entwickeln. Durch den Weggang von Naldo zur AS Monaco hat Schalke eine wichtige Persönlichkeit auf und außerhalb des Platzes verloren. Das Vakuum müssen nun andere Spieler ausfüllen. Vor dem Testspiel gegen Genk (2:2) ergriffen neben Spielführer Fährmann auch Benjamin Stambouli, Daniel Caligiuri und Bastian Oczipka das Wort. Tedesco gefiel das, weil er „nicht selbst pushen“ musste, sondern sich eine gewisse Eigendynamik entwickelt, „Naldo hatwegen seiner Erfahrung und Lebensweisheit bei uns eine große Lücke hinterlassen. Wenn so eine Lücke entsteht, gibt es andere, die da reinwachsen können“, sagt Fährmann, der sich als Kapitän zwar „mehr in der Verantwortung sieht“, aber sich nicht alleine fühlt: „Naldo hat mal gesagt, dass wir alle Kapitäne sind. Genauso sehe ich das auch.“
Fährmann weiß, was auf seinen Klub in den nächsten Wochen zukommt. Alleine in den ersten vier Spielen gegen Wolfsburg, Hertha, Mönchengladbach und Bayern treffen die Schalker auf vier Teams aus dem oberen Tabellendrittel. „Jedes Spiel ist für uns ein Stück weit wie ein Endspiel. In der tabellarischen Situation steht man in jeder Partie unter Druck“, skizziert Fährmann. Trainer Tedesco nennt das Motto für die zweite Halbserie: „Wir haben Bock darauf, den Bock umzustoßen.”