Gelsenkirchen. Schalkes Manager Christian Heidel zweifelt kein Stück an Trainer Domenico Tedesco. Im Interview zieht er eine Parallele zu Jürgen Klopp.

Schalkes Manager Christian Heidel (55) steht irgendwann vom Tisch auf. „Was brummt denn hier so?“, fragt er und schaut auf die Bagger, die 50 Meter vor seinem Büro den Boden für die Neugestaltung des Schalke-Geländes umpflügen. Auch in Heidels Kopf brummt es. Vor dem Heimspiel am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg (18.30 Uhr/Sky) spricht er im Interview mit dieser Zeitung über die angespannte Situation und stärkt Trainer Domenico Tedes­co bedingungslos den Rücken.

Herr Heidel, meldet sich Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies öfter bei Ihnen, weil es sportlich aktuell nicht läuft?

Christian Heidel: Wir haben immer regelmäßig Kontakt und Austausch. Wir sprechen jede Woche zwei-, dreimal. Es gibt niemanden auf Schalke, der sich keine Gedanken macht. Natürlich mache ich mir Sorgen, wenn wir in der Bundesliga nicht erfolgreich spielen. Uns allen gefällt die Situation nicht. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass wir eine große Chance haben, auch im ersten Halbjahr 2019 in der Champions League zu spielen. Im Pokal ist das ja schon der Fall.

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Zieht Sie Trainer Domenico Tedes­co in der aktuellen Situation mehr ins Vertrauen als im Vorjahr, in dem nahezu alles perfekt lief?

Heidel: Es ist extrem wichtig, dass der Trainer spürt: Der Zusammenhalt ist groß, und keiner zweifelt an ihm. Im letzten Jahr gab es – nicht nur bei mir – die Einschätzung: Endlich mal ein Trainer, der richtig zu Schalke passt. Und jetzt sollen wir nach elf Spielen in der Bundesliga zweifeln und plötzlich alles in Frage stellen? Das machen wir ganz sicher nicht. Domenico arbeitet von morgens bis abends akribisch daran, dass auch in der Bundesliga wieder gepunktet wird. Das hat er in der vergangenen Saison geschafft. Und das wird ihm auch in dieser Saison gelingen.

Müssen Sie ihn dabei besonders unterstützen?

Heidel: Wenn ich jetzt eine neue Rolle spiele und jeden Tag zu ihm sage: Domenico, es ist alles gut, das wäre der genau falsche Weg. Man darf sein Verhalten nicht großartig ändern im Vergleich zur erfolgreichen Phase. Er muss das Gefühl haben, dass wir die Situation genauso durchlaufen wie im letzten Jahr, als es gut lief.

Das Vertrauen in Tedesco ist also ungebrochen?

Heidel: Wir alle vertrauen ihm. Und trotzdem gibt es im Sport eben negative Phasen, auch wenn man einen Top-Trainer hat. Ich glaube, Jürgen Klopp war mit dem BVB mal vor ein paar Jahren im Winter sogar auf dem letzten Tabellenplatz. Und trotzdem ist er ein Top-Trainer, der Dortmund in der Bundesliga-Rückrunde wieder nach vorne gebracht hat.

Wie kommt Schalke jetzt da unten raus?

Heidel: Wir müssen Ruhe bewahren und wissen, dass es bis Weihnachten kein Zuckerschlecken wird. Nach der Winterpause müssen wir es komplett neu angehen. Ich will heute das Thema „Schalke läuft hinterher“ gar nicht mehr hören. Unsere erste Aufgabe ist, da unten raus zu kommen. Und dann können wir uns hoffentlich über andere Dinge Gedanken machen. Jetzt über eine mögliche Endplatzierung zu spekulieren, verbietet sich.

Nach der bisher schwachen Hinserie fliegt Ihnen die Kritik für die verfehlte Personalpolitik um die Ohren.

Schalkes Manager Christian Heidel (Mitte) im Gespräch mit Thomas Tartemann (r.) und Christoph Winkel (l.).
Schalkes Manager Christian Heidel (Mitte) im Gespräch mit Thomas Tartemann (r.) und Christoph Winkel (l.). © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Heidel: Das kann ich einordnen. Nur mal ein Beispiel: Ich glaube, ungefähr drei Viertel unseres Kaders inklusive der Neuzugänge standen zum Abschluss der vergangenen Saison in der Kicker-Rangliste. Im Jahr zuvor war dort fast keiner. Es sind aber zum Großteil die gleichen Spieler. Stehst du in der Liga oben, ist alles richtig. Stehst du hinten, ist alles falsch. Davon müssen wir uns lösen. Vor zwei Jahren wurde Benjamin Stambouli zum absoluten Fehleinkauf abgestempelt. Inzwischen wird er zu Recht als Topspieler gefeiert.

Stürmer Breel Embolo stand vor seinem Mittelfußbruch wieder arg in der Kritik, weil er zu wenig aus seinen Chancen gemacht hat. Für Sie nachvollziehbar?

Heidel: Breel ist 21 Jahre alt, hatte eine schwierige Zeit und spielte jetzt regelmäßig bis zu seiner Verletzung. Natürlich hätte auch er die eine oder andere Großchance, wie zum Beispiel in Istanbul, gerne genutzt. Positiv ist, dass er sich die Chancen erarbeitet, und ich bin sicher, dass er Schritt für Schritt auch die Effizienz findet. Wird er kritisiert, kommt immer das Preisschild ins Bild, wozu er nichts kann. Das finde ich sehr schade und nicht fair.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schalke im Winter auf dem Transfermarkt aktiv wird?

Heidel: Ich will es nicht ausschließen, aber es muss wohl überlegt und der Gesamtsituation angemessen sein.

Ist Anthony Modeste, der vor wenigen Tagen aus China zum 1. FC Köln zurückgekehrt ist, auch bei Schalke angeboten worden?

Heidel: Nein. Domenico Tedesco und ich haben über das Thema mal flapsig geredet, aber ich habe sofort gesagt: Das Risiko, Anthony Modeste zu holen, war alleine wegen der unklaren Vertragssituation zu hoch.

Haben Sie den Verlust von Leon Goretzka, der ablösefrei zu den Bayern gewechselt ist, unterschätzt?

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Heidel: Wir haben es nicht unterschätzt, sondern genau gewusst, welcher Spieler uns da fehlen wird. Leon war als Spieler und Mensch wichtig. Wir haben in der letzten Saison allerdings auch zehn Spiele ohne Leon absolviert – und davon nur eines verloren. Trotzdem fehlt er in der Kabine, er fehlt als Typ. Aber die Leute, die heute sagen, dass man Goretzkas Fehlen bemerkt, waren im letzten halben Jahr seine größten Kritiker. Unser Ziel wird sein, wieder einen Typen wie Goretzka zu entwickeln.

Wie lange dauert so etwas?

Heidel: So etwas geht nicht in drei Monaten, sondern dauert eine ganze Saison. Oder länger.

Kann Suat Serdar langfristig in Goretzkas Fußstapfen treten?

Heidel: Man sollte ihm nicht diese Bürde aufladen: Du musst jetzt der Nachfolger von Leon Goretzka werden – auch wenn er die gleiche Position spielt.