Gelsenkirchen. . Nach dem 1:2 gegen Bremen droht den Königsblauen in der Bundesliga der Sturz aus der Spitzengruppe. Für Lamentieren bleibt keine Zeit: Schon Mittwoch geht es gegen VfL Wolfsburg ums Pokal-Halbfinale.
Florian Kohfeldt grinste wie ein kleiner Junge, der gerade entdeckt hat, dass das, was er für Steine hielt, Bonbons sind. „Es war ein guter Auftritt von uns – und trotzdem ein glücklicher Sieg“, sagte der Trainer von Werder Bremen nach dem 2:1-Erfolg in letzter Minute. Dann betonte er geradezu ehrfürchtig: „Wir haben auf Schalke gespielt!“ Als sei dieses Schalke übergroß wie Bayern, Barcelona oder Manchester.
Okay – auf Schalke zu gewinnen, das war zuvor in dieser Saison nur dem FC Bayern gelungen. Aber schon bei den Unentschieden gegen Wolfsburg, Köln und zuletzt Hannover war ein Muster zu erkennen: Jedes Mal fehlten den Königsblauen Mut und Konsequenz, jedes Mal konnte der Gast spät zuschlagen. Werder gelang das zweimal.
Für die Schalker war das ein unerwarteter K.o.: Sie drohen nun aus der Spitzengruppe abzurutschen – ihr nächster Auswärtsgegner ist am Samstag der FC Bayern.
Trainer einig: Ein 2:0 war möglich
„Wir wussten immer, dass mal ein Rückschlag kommen würde“, sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel unaufgeregt. „Jetzt ist dieser Rückschlag da.“ Der Schwäche-Anfall kommt dennoch ungelegen, denn schon am Mittwoch brauchen die Schalker Nervenstärke und Durchschlagskraft: Dann geht es daheim gegen den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal um den Einzug ins Halbfinale.
Deshalb bemühte sich Routinier Naldo, der frühere Bremer und frühere Wolfsburger, sofort um eine positive Grundhaltung: „Natürlich dürfen wir nach dieser Niederlage enttäuscht sein – aber nur kurz, weil wir uns auf das Spiel gegen Wolfsburg konzentrieren müssen“, sagte der Deutsch-Brasilianer. „Wir wollen ins Pokalfinale nach Berlin!“
Das haben auch die Bremer vor, die am Dienstag im Viertelfinale in Leverkusen antreten. Doch für Werder muss der Klassenerhalt Priorität haben – egal, wie der gelingen mag. Trainer Kohfeldt versuchte erst gar nicht, den überraschenden Auswärtssieg überschwänglich zu erklären. Er gab zu: „Wir hätten mit 0:2, vielleicht sogar mit 0:3 zurückliegen können, dann wäre das Ding gegessen gewesen.“
Diese Analyse war eine Steilvorlage für Domenico Tedesco. „Wir müssen uns diese Niederlage selbst vorwerfen, sie hatte nichts mit Glück, Unglück oder individuellen Fehlern zu tun“, sagte der Trainer des FC Schalke. „Wir haben in der ersten Halbzeit nicht gut gespielt, wir haben glücklich geführt, und in der zweiten Halbzeit hätten wir das zweite Tor machen müssen.“
Schalke fehlt derzeit ein Torjäger
Beim 1:0 ließ Werder-Torwart Jiri Pavlenka den Fernschuss von Yevhen Konoplyanka durch die Finger flutschen (24.). Doch wieder einmal versäumten es die Schalker, nach einer Führung ihre Konter sauber auszuspielen. Und dann sah Verteidiger Matija Nastasic Gelb-Rot (78.), patzte ausnahmsweise auch mal Torwart Ralf Fährmann, staubte Max Kruse zum 1:1 ab (79.), waren die Bremer auch in der 90. Minute gedankenschneller: als Zlatko Junuzovic der Siegtreffer gelang.
In Unterzahl hatte Schalke naiv gespielt, Tedesco beklagte, dass sein Team „in so einem Spiel nicht auch mal mit einem Punkt zufrieden“ gewesen sei. Und folgerte: „Wir waren heute sehr grün hinter den Ohren.“
Er selbst hatte allerdings mit einer Aufstellung verblüfft, die bereits wenig Torgefahr versprach. Franco Di Santo rechtfertigt seine Nominierungen allenfalls durch Fleiß – sein Schuss Richtung Seitenaus bei einer Top-Torchance war erneut bezeichnend. Schalke fehlt ein kühler Knipser, einer, der vor dem Tor nicht lange nachdenkt. Auch Guido Burgstaller wirkt derzeit nicht unbelastet, und die Frage, ob Breel Embolo zu früherer Stärke zurückfinden kann, scheint noch nicht ausreichend beantwortet zu sein.
Die Harmlosigkeit der Angreifer und die fehlende Stabilität des gesamten Gefüges gingen in diesem Heimspiel eine für Schalke verhängnisvolle Partnerschaft ein.
Und nun? Wird sich Domenico Tedesco erstmals in dieser Saison auch als Moderator einer schwierigen Lage bewähren müssen. Auch er muss darauf hoffen, dass sich durch Lust auf den Pokal der Frust in der Liga schnell verdrängen lässt.