Gelsenkirchen/Stuttgart. Kevin Kuranyi freut sich auf das Duell seiner Ex-Klubs Stuttgart und Schalke. Kuranyi hat eine Spielerberater-Agentur gegründet. Ein Interview.
Kevin Kuranyi kann sich nicht entscheiden. Er weiß nicht, wem er beim Duell seiner beiden ehemaligen Vereine VfB Stuttgart und Schalke die Daumen drücken soll. Es sind die beiden Clubs, denen der 35-Jährige sehr viel zu verdanken hat. Kuranyi ist sicher, dass es ein hochinteressantes Spiel wird. Im Interview mit der WAZ spricht der Stürmer, der 2005 von den Stuttgartern nach Schalke kam und in fünf Jahren 87 Tore für die Königsblauen erzielte, außerdem über ein Treffen mit Domenico Tedesco, sein Abschiedsspiel und den Bauch von Gerald Asamoah.
Herr Kuranyi, Sie waren am vergangenen Wochenende auf Schalke...
Kevin Kuranyi: Ja, es war nur ein kurzer Besuch, für das Spiel gegen Hannover blieb mir leider keine Zeit. Ich habe aber viele Menschen wiedergetroffen, die ich aus meiner Zeit auf Schalke kenne und sehr schätze. Es ist immer schön, zurückzukommen. Am Samstagabend war ich zu Gast auf der „Gala der Herzen“ von Gerald Asamoah, der mit seiner Stiftung seit vielen Jahren Großartiges für herzkranke Kinder leistet.
Einmal Schalker, immer Schalker?
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Kuranyi: Ja, so ist es wirklich. Die fünf Jahre, in denen ich auf Schalke spielen durfte, waren mit die schönsten. Ich bin großer Schalke-Fan und sehr dankbar dafür, dass ich in diesem großartigen Verein und vor diesen großartigen Fans spielen durfte.
Auf Instagram verlinkt Gerald Asamoah Sie auffallend häufig, wenn er Bilder zeigt, auf denen er Sport treibt. Was steckt dahinter?
Kuranyi: Als ich meinen Freund Gerald vor einem Jahr getroffen habe, habe ich mich gewundert, wie rund sein Bauch geworden ist (lacht). Deshalb habe ich ihn aufgefordert, Sport zu treiben. Jetzt musste ich einsehen, dass mein Bauch mittlerweile dicker ist als seiner.
Naldo ist nur ein halbes Jahr jünger als Sie und auf Schalke noch der Abwehrboss...
Kuranyi: Auch Naldo habe ich am Samstag getroffen, er ist wirklich topfit. Aber nicht nur das: Er ist ein toller Typ, der perfekt nach Schalke passt. Naldo ist ein Spielertyp, wie Schalke ihn braucht. Claudio Pizarro ist sogar noch älter, er spielt mit 39 Jahren noch Bundesliga. Davor habe ich großen Respekt.
Von Ihnen gibt es Bilder aus der Kabine des Stuttgarter Verbandsligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen. Greifen Sie nochmal an?
Kuranyi: Nein, das schließe ich aus. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, meine Karriere im letzten Jahr zu beenden. Der Trainer der Mannschaft ist ein guter Freund, deshalb trainiere ich ab und zu mit. Ich werde das Angebot in nächster Zeit aber wohl häufiger annehmen, schließlich will ich bei meinem Abschiedsspiel am 6. Mai auf Schalke zumindest zehn Minuten durchhalten.
Bleibt Ihnen als Spielerberater so wenig Zeit für Sport?
Kuranyi: Ja, ich habe vor sechs Monaten eine Agentur gegründet. Ich möchte jungen Spielern auf dem Weg in den Profifußball helfen. Ich möchte ihnen Tipps geben, meine Erfahrung einbringen. Junge Spieler können viele leichtsinnige Fehler machen. Das fängt schon bei der Ernährung oder bei der Behandlung von Verletzungen an. Ich habe mich schon während meiner aktiven Zeit gerne um die jungen Spieler gekümmert und versucht, ihnen Hilfestellungen zu geben. Auf Schalke waren das zum Beispiel Manuel Neuer, Mesut Özil oder auch Benedikt Höwedes. Ich habe versucht, ihre Sichtweisen zu verstehen und war für sie immer eine Art großer Bruder.
Haben Sie bereits Profispieler unter Vertrag?
Kuranyi: Ein Spieler mit dem ich zusammenarbeite, ist Profi in der 2. Liga in England. Ansonsten sind es viele talentierte Spieler. Von einigen wird man aber noch eine Menge hören.
Sie haben acht Jahre für den VfB Stuttgart gespielt, anschließend fünf Jahre auf Schalke. Für welchen Verein schlägt Ihr Herz heute Nachmittag?
Kuranyi: Mein Herz wird geteilt sein, es schlägt für beide Clubs. Ich habe diesen Vereinen fast alles zu verdanken. Sowohl in Stuttgart als auch auf Schalke hatte ich eine tolle Zeit.
Wer wird das Spiel gewinnen?
Kuranyi: Wenn man die Teams vergleicht, gehen die Schalker sicher als Favorit ins Spiel. Domenico Tedesco leistet unglaublich gute Arbeit. Den Stuttgartern fehlt als Aufsteiger noch die Reife, aber sie sind sehr heimstark. Daher wird es ein hochinteressantes Spiel.
Mario Gomez ist nach Stuttgart zurückgekehrt.
Kuranyi: Ich finde Marios Entscheidung großartig. Er ist beim VfB aufgewachsen, dort Profi und Nationalspieler geworden. Ein toller Typ und eine echte Verstärkung. Ich bin ein großer Fan von Mario und sicher, dass er viele Tore schießen wird.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Domenico Tedesco?
Kuranyi: Ich wollte Domenico Tedesco schon immer mal kennenlernen, das hat kurz vor Weihnachten zum Glück geklappt. Andreas Hinkel, ein Freund von mir, war sein Co-Trainer in der Stuttgarter Jugend. Daher wusste ich schon einiges über ihn und seine Arbeit. Auch mein ehemaliger Mitspieler Christian Tiffert hat mir sehr viel Gutes über seine Arbeit bei Erzgebirge Aue erzählt. Domenico Tedesco beeindruckt mich. Mit seiner ruhigen Art und seiner großen Ausstrahlung ist er der perfekte Trainer für Schalke. Man hört immer, dass für ihn nicht nur die Spieler zählen, sondern der Koch, der Platzwart und der Zeugwart genauso viel. Seit ich ihn getroffen habe, weiß ich: es ist wirklich so.
Haben Sie Verständnis für Leon Goretzka, der Schalke nach der Saison verlassen wird?
Kuranyi: Kein Spieler macht sich die Entscheidung leicht, Schalke zu verlassen. Leon Goretzka ist eines der größten Talente in Deutschland, er hat auch schon in der Nationalmannschaft gezeigt, was er drauf hat. Er will den nächsten Schritt gehen, deshalb wird er zu den Bayern wechseln. Dort hat er die Garantie, jedes Jahr in der Champions League zu spielen. Ich kann seine Entscheidung nachvollziehen. Natürlich verstehe ich aber auch die Fans, die enttäuscht sind.
Wie haben die Fans reagiert. als feststand, dass Sie Schalke nach fünf Jahren verlassen und zu Dinamo Moskau wechseln?
Kuranyi: Ich musste mir auch einiges anhören, weil viele Fans wahrscheinlich bis heute glauben, dass ich Schalke wegen eines finanziell besseren Angebots von Dinamo Moskau verlassen habe. Ich möchte es noch einmal klarstellen: Von Schalke hat es nie das Angebot einer Vertragsverlängerung gegeben.
Was trauen Sie Schalke in dieser Saison zu? Ist die Rückkehr in die Champions League realistisch?
Kuranyi: Wenn Domenico Tedesco in Ruhe weiterarbeiten kann, dann wird Schalke wieder in der Champions League spielen. Aber wahrscheinlich noch nicht in der nächsten Saison, dafür ist es noch zu früh. Die Entwicklung ist nach der vergangenen schlechten Saison deutlich zu sehen. In der Bundesliga gibt es aber noch ein paar andere Mannschaften, denen ich, zumindest in dieser Saison, mehr zutraue als Schalke. Aber ich lasse mich gerne positiv überraschen.