Gelsenkirchen. . Die Schalker Spieler mussten einst auf der Trabrennbahn hinter einem Pferd bis zur Erschöpfung rennen – Norbert Nigbur erinnert sich.
Anruf bei Norbert Nigbur. Es soll um das legendäre Training gehen, zu dem Rudi Gutendorf die Schalker Spieler vor fast 50 Jahren vor der Zeche antanzen ließ, morgens um halb sechs. Gutendorf hatte noch vor eineinhalb Jahren anlässlich seines 90. Geburtstags im WAZ-Interview darüber erzählt: „Wir wollten ein Zeichen setzen, die Kumpel davon überzeugen, dass ihre Schalker Jungs alles geben.”
„Ja”, sagt Norbert Nigbur scheinbar gleichgültig zu dieser Episode, so hat es sich wohl zugetragen. Und dann holt die heute 69 Jahre alte Schalker Torwart-Legende ganz tief Luft und erzählt eine Geschichte, die doch viel besser sei als diese vom ollen Training auf der Zeche und die heute kaum noch jemand kennen würde: „Diese Story hat noch keiner geschrieben.”
Alle Mann im Pferdetempo hinterm Sulky
Es ist die Geschichte, wie Rudi Gutendorf die Schalker Fußballer über die Gelsenkirchener Trabrennbahn gejagt hat. Zum Lauftraining. Alle Mann im Pferdetempo hinterm Sulky von Trabrennfahrer Willi Roth.
Zugetragen hat es sich am Morgen. Die Schalker Spieler hatten sich zum normalen Training auf dem Platz bereit gemacht, als Trainer-Legende Gutendorf ein paar Kleinbusse vorfahren und seine Jungs einsteigen ließ. Als durchsickerte, dass es Richtung Trabrennbahn ging, war die Stimmung unter den Spielern prächtig, weil Schalke zu dieser Zeit öfter bei Prominenten-Rennen am Nienhauser Busch zu Gast war. „Einige”, erinnert sich Norbert Nigbur, „haben gedacht: Das wird eine gemütliche Runde im Sulky.” Doch dann fuhr Willi Roth vom Stall Kurier mit seinem Pferd vor und die Spieler mussten sich hinterm Sulky einreihen.
Zwei, drei Runden um den Nienhauser Busch
Gutendorf hatte ein Faible für alles, was schnell war – so auch für die Traber. Er ließ Willi Roth antraben und befehligte seinen verdutzten Spielern: „Hinterher! Schneller, schneller!” Zwei, drei Runden ging’s so um den Nienhauser Busch, und zwar über die Innenbahn – da, wo der Sand am tiefsten ist und jeder Schritt schwerfällt. „Wir alle waren riesig kaputt”, weiß Nigbur noch heute: „Nur bei Aki Lütkebohmert haben wir gedacht: Der überholt das Pferd gleich noch.” Der 1993 viel zu früh im Alter von nur 45 Jahren verstorbene Mittelfeldspieler Lütkebohmert war auch auf dem Platz immer der laufstärkste Mann.
Der tiefe Sand bringt Kraft
Gutendorf rechtfertigte den Ausflug auf die Trabrennbahn später so: „Das gibt Kraft, wenn man durch den tiefen Sand läuft.” Der Trainer, der Schalke von 1968 bis 1970 betreute, war halt immer für besondere Ideen zu haben – ob auf der Trabrennbahn oder eben auf der Zeche.
Auch diese Geschichte vom Training vor der Zeche hat Nigbur noch parat, aber sie gefällt ihm nicht so: „Wir mussten ein paar gymnastische Übungen vor dem Zechentor machen, und einige Kumpel haben dabei mitgemacht.” Aber die Idee dazu sei gar nicht von Gutendorf persönlich gekommen, sondern vom legendären Betreuer Ede Lichterfeld. Nigbur schüttelt den Kopf: „Was das sollte, weiß ich bis heute nicht.”
Die Geschichte vom Sulky ist einfach besser – zumindest für Norbert Nigbur: Er freundete sich später mit dem Trabrennfahrer Willi Roth an und machte ihn bei seiner ersten Hochzeit sogar zu seinem Trauzeugen.