Gelsenkirchen. Schalkes Marketing-Chef Jobst spürt den Aufschwung in allen Bereichen. Tedesco und das Derby sind für ihn Zeichen einer neuen Mentalität.

Was spektakuläre Taten mit sich bringen, wird manchmal sogar am anderen Ende der Welt deutlich. Zum Derby hatte Schalke 04 Public-Viewing-Veranstaltungen in China und den USA organisiert – „am Ende sind die Menschen dort ausgeflippt“, berichtet Alexander Jobst (44).

Schalkes Marketing-Vorstand spürt, dass sich der sportliche Aufschwung seines Vereins in allen Bereichen niederschlägt – im WAZ-Interview kündigt er erneut starke Zahlen bei der Vermarktung an. Seit acht Bundesliga-Spielen ist Schalke ungeschlagen: An diesem Samstag (18.30 Uhr) steht das nächste Top-Spiel in Mönchengladbach an.

Herr Jobst, wie nehmen Sie das wahr, was sich gerade bei Schalke 04 zu entwickeln scheint?

Alexander Jobst: Ich spüre eine Mentalitätsveränderung innerhalb des Klubs, und die hängt vor allem damit zusammen, dass unser Herz wieder kräftiger schlägt. In den vergangenen Jahren haben unsere anderen Organe schon sehr gut funktioniert: Vermarktungs – und Medienerlöse entwickelten sich stetig, aber das Herz von Schalke 04 ist und bleibt der Fußball. Jetzt, wo es wieder kräftiger schlägt, können die anderen Organe im Klub noch erfolgreicher arbeiten. Um im Bild zu bleiben: der Lungenflügel der professionellen Vermarktung kann noch mehr Sauerstoff aufnehmen.

Der aktuelle sportliche Erfolg belebt also den ganzen Verein?

Jobst: Natürlich. Die Art und Weise, wie unser Trainer Domenico Tedesco mit seinem Team agiert, tut uns einfach gut. Vor und nach dem Spiel ist er sehr sachlich und überlegt – auf dem Platz zeigt er Emotionen. Das passt genau zu unseren Attributen mutig, innovativ, dynamisch und zielstrebig. Und so etwas spüre ich mit meinem Team in der täglichen Arbeit mit Fans und Sponsoren deutlich.

Wie zum Beispiel?

Jobst: Das Derby war so ein Moment, wo wir alle gesehen haben: Dinge können passieren, wenn man nur an sie glaubt. Wir haben zum Derby Public Viewings in einigen Städten in China und in den USA organisiert. Nach 28 Minuten habe ich gedacht: Wir können die Zelte abbauen – wir hatten vernichtende Social-Media-Kommentare. Nach 94 Minuten das komplette Gegenteil: Die Menschen sind ausgeflippt. Wir haben durch ein Ereignis, das lange in Erinnerung bleiben wird, bis zu 100 000 Follower und Fans in China und USA dazugewonnen.

Vor einem Jahr haben Sie an dieser Stelle im WAZ-Interview gefordert: Der Blick auf Schalke muss künftig ein anderer sein. Sie wollten eine positive, optimistischere Sichtweise – das scheinen Sie geschafft zu haben...

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Jobst: Geschafft haben wir noch gar nichts. Wir sehen ein positives Momentum. Es ist ein Prozess der Mentalitätsänderung, der vielleicht Jahre dauert und an dem alle Schalker beteiligt sind. Im Hospitality-Bereich hatten wir letztes Jahr um diese Zeit zehn Kündigungen von Logen in der Arena – bei 81 Logen insgesamt. Stand heute, haben wir dieses Jahr keine einzige Kündigung. Das zeigt, dass die Leute wieder spüren, dass sich etwas entwickelt bei Schalke 04. Wir hoffen natürlich, dass das eine Konstanz mit sich bringt. Der Verein sehnt sich nach Kontinuität, in allen Bereichen. Und niemand braucht sich dabei Sorgen machen, dass es zu ruhig wird: Schalke 04 wird nie langweilig werden, darf es auch nicht.

Obwohl Schalke seit drei Jahren nicht mehr in der Champions League gespielt hat, ist es Ihnen stets gelungen, die Vermarktungs-Erlöse konstant hoch zu halten – zuletzt waren es 88,5 Millionen Euro. Sie haben aber gewarnt, dass das nicht ewig so weitergehen wird – wie sieht es jetzt aus?

Jobst: Wir werden für diese Saison bei über 90 Millionen Euro in den Vermarktungserlösen landen und damit weiter zulegen. Auf den großen Sponsoren-Ebenen sind wir mittel- bis langfristig sehr gut aufgestellt und werden in der nächsten Zeit noch den ein oder anderen Abschluss verkünden können. Wir haben wieder eine ganz andere Verhandlungsposition für die starke Kraft Schalke 04. Und im Bereich Merchandising macht sich sportlicher Erfolg sofort beim Kaufverhalten bemerkbar. Das Weihnachtsgeschäft hätte nicht passender kommen können. Allein am Black-Friday-Wochenende verzeichneten wir über eine Million Euro Umsatz – das war zufälligerweise auch das Derby-Wochenende.

Da haben Sie nach dem 4:4 Derby-Sieger-T-Shirts herausgegeben…

Jobst: Wir haben kurz überlegt, ob wir es bei einem 4:4 machen sollen. Innerhalb von Stunden haben wir 10 000 Stück verkauft.

Im Fußball wird die starke Kommerzialisierung kritisiert – auf Schalke haben Sie keine Angst davor?

Jobst: Mir wird diese Thematik teilweise zu pauschal betrachtet. Die Begeisterung für den Fußball ist ungebrochen, seit der WM 2006 haben wir in Deutschland zehn Millionen Fußball-Fans mehr gewonnen. Auf Schalke achten wir sehr genau darauf, wie weit wir gehen, um die Fans zum Beispiel nicht mit Werbebotschaften zu überfrachten. Schauen wir uns die VELTINS-Arena am Spieltag an: Im Vergleich zu anderen Stadien agieren wir sehr aufgeräumt und überziehen nicht mit Werbebotschaften. Die überwiegende Mehrheit aller Fans versteht, dass im Fußball die Vermarktung dazugehört. Ich kann aber in anderen Bereichen übergeordnet eine gewisse Kritik nachvollziehen.

Jobst versteht Kritik an irrsinnigen Ablösesummen

Besonders zu Saisonbeginn gab es Ärger, weil die Fans die Freitagspiele nicht mehr bei Sky sehen können, sondern nur noch über den Eurosport Media-Player.

Jobst: Zunächst einmal ist es ein Anliegen der Klubs und somit in der Verantwortung der DFL, die Medienerlöse weiter zu steigern, um die Bundesliga im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten. Wir sehen, dass das nicht ohne Komplikationen verlaufen ist – das ist dem Fan zu kompliziert. Hier muss man sich der Kritik stellen, und das tut die DFL auch. Unser Anspruch im Sinne der Attraktivität muss sein, dass der Zuseher in Zukunft möglichst unkompliziert Zugang zu den Spielen erhält, die digitalen Entwicklungen müssen wir dabei berücksichtigen.

Kann es denn ein Zurück geben?

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Jobst: Sicher nicht in der TV-Rechte-Periode bis 2021. Es geht auch nicht um ein Zurück, sondern in der Zukunft vielmehr um ein Optimieren des Angebots für den Fußballfan – möglichst unkompliziert in der Handhabung. Ich bin überzeugt, dass dazu DFL und Klubs sensibilisiert sind.

Überhaupt nicht nachvollziehbar sind für die Zuschauer die ausufernden Ablösesummen.

Jobst: In der Tat haben wir inzwischen ungleiche Wettbewerbsverhältnisse im europäischen Fußball. Wir können es aus Klubsicht kritisieren, aber leider nicht ändern. Die EU wirkt nicht so, dass sie sich des Themas annimmt. Es ist ein freier Markt. Vielmehr sind Fifa und Uefa unbedingt gefordert, einheitliche Regularien zu schaffen, um den Fußball zu schützen. Das Financial Fairplay hat bis dato nicht funktioniert beziehungsweise konnte es über seltsame Wege umgangen werden, ansonsten gäbe es diese Auswüchse wie zum Beispiel beim Neymar-Transfer von Paris St. Germain nicht.

Die 222 Millionen für Neymar waren ja eine Phantasiesumme – jede andere Summe wäre ja auch bezahlt worden, wenn sie im Vertrag gestanden hätte.

Jobst: Spätestens im vergangenen Sommer am Beispiel Paris St. Germain ist deutlich geworden, dass der Fußball Gefahr droht, in bestimmten Eigentumsverhältnissen als Politikum zu dienen, um Prestige und Image zu erlangen. Das ist gefährlich und Fans haben ein sensibles Gespür dafür. Die Identität des Fußballs und damit die Faszination müssen wir schützen. Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen kann – bei allen wirtschaftlichen Notwendigkeiten mit dem Anspruch auf sportlichen Erfolg.