Gelsenkirchen. Finanziell lag Schalke mit einem Kandidaten aus der Bundesliga für die linke Seite weit auseinander. Der kleine Kader kann Fluch und Segen sein.
Wenn die Arbeit beendet ist, sitzt Manager Christian Heidel oft noch mit Direktor Sport Axel Schuster zusammen, um den Tag Revue passieren zu lassen. Irgendwann nach 20 Uhr steigt Heidel in sein Auto, um nach Hause zu fahren. Dabei kommt er noch am Büro von Trainer Domenico Tedesco vorbei. Oft ist nach 20 Uhr noch Licht. Tedesco brütet dann über Videomaterial, Skizzen und Auswertungen. Mit großer Akribie bereitet sich der 32-jährige Bundesliga-Neuling auf Schalkes nächsten Gegner und auf die anstehenden Trainingseinheiten mit seinen Profis vor.
Da der Kader mit nur 19 Feldspielern plus drei Torhütern so klein wie nie ist, kann Tedesco die Trainings-Inhalte mit großer Intensität durchführen. Die Formel ist einfach: Kleine Gruppe, größerer Lernerfolg. Doch die geringe Kaderstärke kann für Schalke nicht nur Segen, sondern auch Fluch sein. Sollten ähnlich wie beim großen Verletzungspech in der Vorsaison, als zeitweise alle Stürmer zeitgleich angeschlagen waren, mehrere Schlüsselspieler ausfallen, wird es ziemlich eng auf Schalke.
In Christian Heidels Büro sind auf einem Flip-Chart alle Schalker Profis nach Positionen notiert. Unter Stammkeeper Ralf Fährmann stehen Alexander Nübel und Michael Langer. Unter den zentralen Mittelfeld-Männern Leon Goretzka und Nabil Bentaleb tauchen Talent Weston McKennie und Benjamin Stambouli auf, was im reduzierten Aufgebot fast schon eine komfortable Situation ist. Links wird es dagegen ganz eng: Bastian Oczipka ist gelernter Außenverteidiger. Hinter ihm kommt der eigentlich offensiv ausgerichtete Daniel Caligiuri schon als Notlösung.
Aussichtsreiche Gespräche geführt
Schalke wollte dort Abhilfe schaffen. „Wir haben darüber nachgedacht, noch einen Spieler für das linke Mittelfeld zu holen und haben Gespräche geführt“, sagt Christian Heidel. Mit einem Kandidaten aus der Bundesliga waren die Königsblauen schon relativ weit, aber zu einer Einigung kam es dann doch nicht. Heidel: „Bei den finanziellen Vorstellungen lagen wir zu weit auseinander.“
Dieses Gespräch fand noch Ende August statt, bevor Johannes Geis zum FC Sevilla nach Spanien ausgeliehen wurde. Anstatt Personal draufzupacken, bauten die Königsblauen noch ab. Ein riskantes Unterfangen. Und so ganz wohl war Heidel dann auch nicht beim Geis-Abschied, der zunächst für ein Jahr auf Leihbasis vollzogen wurde. „Sowohl Domenico Tedesco als auch ich hatten da schon Bauchschmerzen“, gibt Heidel zu.
Nach dem ersten „Nein“ der Verantwortlichen ließ Geis nicht locker, sprach noch einmal beim Trainer vor und zeigte seine verlockende Perspektive auf, in Sevilla wohl regelmäßiger Spielpraxis zu bekommen, als es bei den Königsblauen der Fall gewesen wäre. Geis stand in der S04-Rangfolge plötzlich nicht nur hinter den Nationalspielern Bentaleb und Goretzka, sondern auch hinter dem im Vorjahr enttäuschenden Benjamin Stambouli sowie Youngster Weston McKennie. Selbst in der Alternativ-Rolle als Innenverteidiger wäre Geis kein ernsthafter Einsatz-Kandidat gewesen.
„Johannes wollte den Wechsel nach Sevilla unbedingt und hat diese Bitte wiederholt bei Domenico Tedesco hinterlegt. Anschließend haben wir gemeinsam entschieden, dass wir ihn ausleihen“, so Heidel.
Schalke hofft nur darauf, dass der Not-Fall nicht eintritt und man mit dem aktuellen Kader problemlos in die Winterpause kommt. Vorher wäre nur das Verpflichten vertragsloser Profis möglich. Insofern ist die derzeitige Trainings-Teilnahme von Außenverteidiger Sascha Riether, dessen Arbeitspapier zum 30. Juni 2017 ausgelaufen ist, möglicherweise mehr als nur etwas Fithalten. Riether gilt als Team-Spieler, machte bei seiner Trainings-Aufnahme einen fitten Eindruck auf Tedesco. Auf den ersten Notfall könnte Schalke also rasch reagieren. „Es ist für beide Seiten eine gute Sache“, sagte Domenico Tedesco am Mittwoch. Auf die Frage, ob Riether denn erneut einen Vertrag auf Schalke bekommen wird, sagte der Trainer: „Das steht in den Sternen.“