Gelsenkirchen. Schalkes Sportvorstand Christian Heidel kann die Fan-Sorgen verstehen. Im Interview wehrt er alle Angriffe ab und spricht über Identifikation.
- Schalkes Sportvorstand Christian Heidel kann die Fan-Sorgen verstehen
- Im Interview wehrt er aber alle Angriffe ab
- Zudem spricht der Ex-Mainzer über Identifikation
Der FC Schalke 04 hat seine Personalkosten um rund 30 Millionen Euro heruntergefahren. Das aktuelle Team kostet 48 Millionen Euro an Jahresgehältern – plus eventuelle Prämien. „Die Mannschaft ist günstiger, das war so gewollt“, sagt Sportvorstand Christian Heidel, der im Moment Gegenwind spürt. Teile der Fans kreiden ihm an, zu wenig auf eigene Nachwuchsspieler zu setzen.
Haben Sie nach den Protest-Plakaten beim Stuttgart-Spiel an Rücktritt gedacht?
Christian Heidel: Um Gottes Willen, nein. Ich habe allerdings großes Verständnis für die Bedenken und Ängste. Mir sind Identität und Identifikation extrem wichtig. Den Eindruck, dass es eine negative Stimmung gegen meine Person gibt, teile ich nicht. Ich habe nach dem Spiel mit vielen Fans gesprochen. Der Wechsel von Benedikt Höwedes hat natürlich viele nachdenklich gemacht.
Ein Vorwurf lautet, Sie würden junge Spieler wie Luke Hemmerich oder Haji Wright, die in der Knappenschmiede ausgebildet wurden, nicht einbauen.
Heidel: Mir liegt die Nachwuchsförderung ganz besonders am Herzen. Das wird Ihnen jeder auf Schalke bestätigen. Wir werden jetzt viel Geld in die Hand nehmen, um Infrastruktur und Trainingsbedingungen der Knappenschmiede extrem zu verbessern. Es ist absolut unser Bestreben, unsere Talente top auszubilden und in den Profikader einzubauen. Genau deshalb haben wir Luke und Haji zunächst ein Jahr ausgeliehen, damit sie Profi-Erfahrungen in Bochum und Sandhausen sammeln. Sie bleiben Schalker und gehen jetzt hoffentlich den nächsten Schritt, um dann zurückzukehren.
Auch der nur noch 22 Spieler umfassende Profikader sorgt im Umfeld für negative Stimmen.
Heidel: Dieser Weg ist aus sportlichen und wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Wir haben 22 Bundesligaspieler für 15 Bundesligaspiele plus möglichst zwei DFB-Pokalspiele bis Weihnachten zur Verfügung. Als wir 32 Leute im Profi-Kader hatten, wurden wir auch kritisiert. Wir haben uns seitdem von 16 Spielern getrennt. Davon haben jedoch neun Spieler kein einziges Bundesliga-Spiel für Schalke absolviert.
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Muss man sich von dem Traum, dass ein Spieler von klein auf bei Schalke spielt und dort Profi wird, künftig verabschieden?
Heidel: Der Wunschtraum eines jeden Managers wäre, dass ein Spieler in der U9 anfängt, alle Jugendteams bis zur U19 durchläuft, dann zu den Profis kommt und nach zwölf Jahren mit einem Abschiedsspiel seine Karriere beendet. Das Problem ist, dass sich der Fußball insbesondere in den letzten zwei, drei Jahren in einer Art verändert hat, die sich keiner vorstellen konnte. Wir müssen uns mit der Realität, der Gegenwart und der Zukunft beschäftigen.
Haben Sie das Thema Benedikt Höwedes unterschätzt?
Heidel: Ich habe ein bisschen unterschätzt, dass es wenig sachlich hinterfragt wird und es eine so emotionale Diskussion wird. Wir haben Bene niemals zum Wechsel geraten, aber auch keine Stammplatz-Garantie ausgesprochen. Unser Trainer hat in den vergangenen drei Wochen immer gesagt: Werde topfit und Du bist ein Kandidat für die Start-Elf. Aber auch Kehrer, Stambouli und Insua suchen ihre Chance auf dieser Position und wollen spielen. Dann kam das Angebot von Juventus Turin und sein Wechsel-Wunsch. Ich drücke Benedikt aber wirklich die Daumen, dass er sich bei Juve in die Mannschaft spielt und im nächsten Jahr eine tolle WM erlebt. Er ist ein prima Mensch, und es gab niemals Dissonanzen zwischen uns.
Sie haben jetzt drei Transfer-Perioden seit Ihrem Amtsantritt hinter sich. Wie weit ist das neue Schalke?
Heidel: Es wird nicht mehr so sein, dass zehn Spieler gehen und zehn Neue kommen. Wenn der Kader so bleibt, müssen wir nur noch feinjustieren.
Wie wichtig war der erfolgreiche Saison-Start für Sie?
Heidel: Wir haben kein Vorbereitungsspiel verloren und drei der ersten vier Pflichtspiele gewonnen. Der Start war wichtig, weil die Mannschaft gesehen hat, dass die Dinge funktionieren, die wir uns in der Vorbereitung erarbeitet haben.
Viele Fans haben nicht verstanden, dass Sie Publikumsliebling Sead Kolasinac nicht vom Wechsel zum FC Arsenal abhalten konnten.
Heidel: Wir haben alles versucht, aber es war nicht möglich und wirtschaftlich vertretbar, mit dem Angebot von Arsenal mitzuhalten.
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Die Variante, mit Kolasinac zu verlängern und an anderen Stellen Geld einzusparen, war kein Thema?
Heidel: Die Frage stellte sich nicht, denn es stehen auch in der Zukunft Vertragsverlängerungen an. Das ganze Gehaltsgefüge würde sich verändern. Ich habe eine sportliche und eine wirtschaftliche Verantwortung. Harakiri machen wir nicht.
Also wird der Abstand zu den Top-Klubs für Schalke immer größer?
Heidel: Die Fußball-Welt hat sich in Kürze dramatisch verändert. Das Paket Neymar ist genau so hoch wie Schalkes Gesamt-Konzernumsatz – aber für zwei Jahre. Das sagt alles.
Gibt es bei dieser Entwicklung überhaupt eine Chance, den von Bayern München umworbenen Nationalspieler Leon Goretzka über 2018 hinaus auf Schalke zu halten?
Heidel: Wir werden alles versuchen, Leon Goretzka zu halten. Leon fühlt sich hier sehr wohl, und wir werden bis an die Schmerzgrenze gehen. Er will auch die sportliche Entwicklung abwarten und ein Gefühl entwickeln. Das kann ich verstehen.
Zuletzt soll auch der FC Barcelona interessiert gewesen sein.
Heidel: Wir haben mit keinem Verein verhandelt. Es stand völlig außer Frage, dass Leon Goretzka in dieser Saison bei uns bleibt.
Warum war er nicht zu verkaufen?
Heidel: Das war sportlich und auch wirtschaftlich – aufgrund der gesamten Vertrags-Situation – nie ein Thema.