Essen. DFB-Präsident Grindel ist für einen Dialog und gegen Kollektivstrafen. Der BVB und Schalke 04 unterstützen den Vorschlag - sehen aber Grenzen.

  • DFB-Präsident Grindel ist für einen Dialog und gegen Kollektivstrafen
  • Der BVB und Schalke 04 unterstützen den Vorschlag
  • Sie sehen aber Grenzen

Der Vorstoß kam überraschend. DFB-Präsident Reinhard Grindel schrieb in einer von seinem Verband verbreiteten Erklärung, er wolle den Dialog mit Fanvertretern und Ultragruppen intensivieren. Und: „Der DFB empfiehlt seinem Kontrollausschuss, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelbare Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligung an Verstößen gegen die Stadionordnung nicht nachgewiesen ist.“

Im Klartext: Zuschauer-Teilausschlüsse oder Geisterspiele soll es erst einmal nicht mehr geben – eine bemerkenswerte Ansage angesichts vieler unschöner Ereignisse in den vergangenen Wochen und eines angespannten Verhältnisses zwischen Verbänden und Fans.

Nicht so für Peter Peters, den Vorstand des FC Schalke 04 für Finanzen und Organisation, der Grindels Vorstoß ausdrücklich begrüßt: Dieser sei „ein richtiges und ein starkes Zeichen“, sagt der Schalke-Vorstand, der zudem Vizepräsident von DFB und DFL ist. Kollektivstrafen träfen immer auch Unbeteiligte: „Wir haben festgestellt, dass diese Strafen nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. Wenn man das erkennt, ist es klug, richtig und notwendig, das abzuändern.“

Als Beispiel nennt er den eigenen Klub: Schalke habe „seit Jahren einen vernünftigen Austausch mit allen Fangruppierungen, auch den Ultras“ – und trotz seiner großen Fangemeinde in den vergangenen Jahren nur wenige Verbandsstrafen wegen Gewalt erhalten.

Zustimmung kommt auch von Borussia Dortmund: „Grundsätzlich ist das der richtige Weg“, sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Jeder weiß ja, dass Kollektivstrafen im Prinzip ungerecht sind.“ Der BVB erlebte es im Februar selbst: Nach Ausschreitungen vor dem Stadion beim Heimspiel gegen Leipzig wurde die komplette Südtribüne beim Spiel gegen Wolfsburg gesperrt.

Bei Pyrotechnik keine Diskussion

Grindels Schritt, so hoffen nun alle, kann dazu beitragen, die zuletzt etwas verhärteten Fronten aufzuweichen – auch wenn es viele offene Fragen gibt. „Wenn diejenigen, die solche Dinge tun wie jetzt in Rostock, sich vermummen, ist es relativ schwierig, überhaupt jemanden zu bestrafen“, sagt Watzke. „Und wir werden denjenigen, der Gewalt verüben will, sowieso schwer daran hindern.“

Diese Fragen wollen Verbände und Fanvertreter in nächster Zeit miteinander klären: „Wie bestrafen wir denn ein Fehlverhalten so, dass es nicht nur akzeptiert wird, sondern das Fehlverhalten nicht mehr vorkommt und damit die Strafe wirksam ist?“, fragt Peters.

Doch auch der Dialog hat Grenzen: „Beim Thema Pyrotechnik gibt es keinen Konsens“, betont Peters. „Wir leben nun einmal in einem Staat, in dem Veranstaltungen nur auf Basis gültiger Gesetze durchgeführt werden können.“

Minister schlägt Lockerung vor

Die sind aber nicht in Stein gemeißelt: Als erster hochrangiger Politiker kann sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Lockerung vorstellen: „Wenn die Diskussion, ob wir Pyrotechnik in abgesperrten Bereichen zulassen wollen, dabei hilft, die Situation zu befrieden, dann bin ich dazu bereit“, sagt er.

Bis dahin kann es dauern. Am Wochenende beginnt die Bundesliga, und Schalke spielt gleich zum Start am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen den umstrittenen Vizemeister RB Leipzig. Drohen Probleme? Peters sagt „nein“: Beide Spiele der vergangenen Saison seien „unaufgeregt und ohne Beanstandungen“ durchgeführt worden.