Gelsenkirchen. Im Interview stellt Marketing-Vorstand Alexander Jobst seine Pläne vor: Schalke will einen festen Platz unter den Top-Clubs in Europa.

  • Im großen Interview verrät Schalkes Marketingvorstand Alexander Jobst seine neue Strategie
  • Er will Schalke langfristig unter den großen Klubs in Deutschland etablieren
  • Zudem reagierte Jobst auf Spitzen von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke

Anlaufprobleme? Alexander Jobst muss schmunzeln. Seit einem halben Jahr steht Schalkes Vorstand in der Dreier-Konstellation mit Finanzchef Peter Peters (54), Manager Christian Heidel (53) und Alexander Jobst (43), aber noch nie in seinen bislang fünf Jahren auf Schalke hat der Marketing-Experte die interne Zusammenarbeit als so produktiv empfunden wie derzeit. Schalke hat eine neue Unternehmensstrategie entwickelt, die zum Ziel hat, die Königsblauen langfristig unter den großen Klubs in Europa zu etablieren. Jobst stellt die Pläne im Interview vor.

Herr Jobst, Schalke ist in der Bundesliga Elfter, aber Sie wollen unter die großen Clubs in Europa. Was steckt dahinter?

Alexander Jobst: Bei unserem Ziel geht es um die operative Arbeit des Vereins, die nicht nur von der sportlichen Platzierung abhängt, aber sie natürlich mit einschließt. Wir wollen uns in den nächsten zehn Jahren im hart umkämpften Wettbewerb europäisch unter den großen Clubs etablieren, und zwar sportlich, wirtschaftlich und emotional. Dazu brauchen wir Kontinuität in unserer Arbeit, unsere Unternehmensstrategie wird uns Leitplanken in wichtigen Entscheidungen geben.

Wo ordnen Sie Schalke derzeit in dieser Auflistung ein?

Jobst: Wenn man die wichtigsten Komponenten wie sportliches Ranking, Umsatz und Rechte-Verwertung des Vereins (Marketing, Arena, Catering etc.) mit knapp 145 000 Mitgliedern einfließen lässt, stehen wir im Moment nach Ergebnis der wichtigsten renommierten Studien europäisch auf Platz 13. Wir sind damit zum Beispiel weit vor Paris St. Germain, weil unser Markenwert ein ganz anderer ist.

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Das jetzt vergangene Jahr spiegelt das nicht unbedingt wider...

Jobst: Man kann nicht verleugnen, dass unsere Außendarstellung in der Rückrunde der letzten Saison alles andere als professionell war, geschweige denn sympathisch. Mit der für den Verein enorm wichtigen Wiederwahl von Clemens Tönnies und dem Amtsantritt von Christian Heidel haben wir aber einen neuen Weg eingeschlagen.

Welchen?

Jobst: Der Blick auf Schalke muss künftig ein anderer sein, als das seit einigen Jahren in der Wahrnehmung bei uns ankommt. Wir haben deshalb erarbeitet, wofür Schalke 04 zukünftig stehen will und daraus unsere Ziele für den Verein entwickelt. Diese werden den wichtigsten Trägern, den Mitarbeitern des Vereins, Ende Januar vorgestellt. Es handelt sich somit um eine interne Strategie für die operative Arbeit. Wir möchten einen Weg gehen, der, geprägt von Zuversicht und Mut, langfristig erfolgreich ist und von dem wir überzeugt sind. Wichtig ist uns dabei, dass unser Versprechen „Wir leben dich“ auch in Zukunft für alle Fans und Mitglieder eine zentrale Rolle spielt.

Sie sind der Marketing-Chef: Wie wirkt sich das jetzt zweimalige Verpassen der Champions League auf die Vermarktungserlöse aus?

Jobst: Unsere Verträge sind auf Champions-League-Niveau abgeschlossen, so konnten wir die Vermarktungserlöse seit dem Jahr 2011 um insgesamt 50 Prozent steigern. Dadurch, dass wir jetzt zweimal in Folge Europa League spielen, können wir nicht davon ausgehen, dass wir die Erlöse jetzt noch einmal steigern werden. Ich hoffe, dass wir mit dem Niveau von ca. 90 Millionen Euro auch für das Jahr 2017/18 abschliessen werden.

Das heißt, es gibt keinen Einbruch, sondern nur eine Stagnation?

Jobst: Richtig. Es wird keinen Einbruch geben, weil wir in vielen Feldern wie in der Internationalisierung trotzdem große Fortschritte machen und die meisten werthaltigen Sponsorenverträge auf Langfristigkeit ausgelegt sind.

Die Verträge laufen aber auch einmal aus. Und dann?

Jobst: Ich mache gar kein Hehl daraus, dass die Ambition Champions League für meine Arbeit elementar wichtig ist, um eine weitere Steigerung der Erlöse zu erreichen. Es muss der Anspruch des Clubs sein, wieder international zu spielen – bestenfalls in der Saison 2017/18, spätestens aber 2018/19.

Im Moment können Sie die Sponsoren also noch mit der Hoffnung auf die Zukunft im Boot halten?

Jobst: Ein Engagement bei Schalke 04 ist für unsere Partner mehr als der alleinige Fokus auf sportlichen Erfolg. Um in Ihrem Bild zu bleiben: Das Boot fährt schnell, ist zuverlässig und bei allen Witterungen stabil. Von grosser Bedeutung ist unseren Partnern die riesige Fanbasis und Emotionalität des Clubs. Deshalb ist es ganz wichtig, dass Schalke nie langweilig wird, aber da mache ich mir keine Sorgen (lacht).

Ist Schalke in punkto Vermarktung in der Bundesliga immer noch die Nummer drei hinter Bayern und Dortmund?

Jobst: Absolut. Gemessen an den Vermarktungserlösen ist der Champions-League-Platz auch in den nächsten Jahren manifestiert, der Markt entwickelt sich jedoch rasant. Deshalb müssen wir weiter fleißig sein und die Erlöse steigern.

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Befürchten Sie, dass Dortmund Schalke langfristig abhängt? Lange Zeit war es ja noch ein Gerangel um die Nummer zwei.

Jobst: Man muss zugeben, dass Dortmund aufgrund des außerordentlichen sportlichen Erfolges, der ein großer Treiber insbesondere beim Fanartikel-Verkauf ist, uns in den letzten Jahren ein Stück weit weggerückt ist – nicht enteilt. Ohne diesen außerordentlichen sportlichen Erfolg haben wir es aber geschafft, die Schere nicht zu groß werden zu lassen. Wenn wir sportlich großen Erfolg haben werden, sind wir felsenfest davon überzeugt, dass wir diese Lücke auch wieder schließen können.

Dortmund hat Schalke auch bei der Mitgliederzahl überholt – gibt es eine Gegenkampagne?

Jobst: Fakt ist, dass Dortmund im Moment ca. 800 Mitglieder mehr hat als Schalke 04. Das exorbitante Mitgliederwachstum ist aber einzig und allein durch den sportlichen Erfolg zu begründen. Wir werden jetzt keine aktionistische Gegenkampagne starten, sondern wir werden uns genau überlegen, ob und zu welchem Zeitpunkt wir welche Maßnahmen ins Leben rufen. Wir wachsen nach wie vor in unseren Mitgliederzahlen, sind mit knapp 145 000 jetzt die Nummer fünf weltweit, das ist grandios. Ich teile absolut nicht die doch sehr wagemutige Aussage von Herrn Watzke, wir würden die Dortmunder nie wieder einholen – ich freue mich vielmehr darauf, dass sich das Bild auch wieder drehen kann.

Aus Dortmund wurde auch Schalkes Engagement im eSport kritisiert...

Jobst: Ich weiß nicht, was hinter diesen Spitzen und Polarisierungen aus 30 Kilometern Entfernung steckt. Dass Herr Watzke eSport für totalen Mist hält, ist seine persönliche Ansicht. Ob die aber zielführend ist für die Entwicklung seines Clubs, versehe ich einmal mit einem großen Fragezeichen. Ich sehe das insgesamt jedoch entspannt, denn wir haben uns bewusst für dieses neue Geschäftsfeld entschieden und sind vom Erfolg überzeugt.

Für Traditionalisten im Fußball klingt das gewöhnungsbedürftig…

Jobst: Das mag sein, aber wir müssen Veränderungen positiv angehen und sie eigenmächtig gestalten – wenn wir sie erleiden, werden wir nicht erfolgreich sein, insbesondere nicht in unserer Vereinsstruktur als eingetragener Verein, zu der wir uns fest bekennen. Schalke 04 muss auch Schalke 4.0 sein. Schauen wir uns um: der Friedhof ist voll mit Traditionsvereinen. Mich freut es sehr, dass unsere Mitglieder und Fans diesen Spagat sehr wohl verstehen. Wir stellen uns der Vermarktung, Internationalisierung und Digitalisierung, werden aber gleichzeitig unsere Identität und die regionale Verbundenheit genauso bewahren und schützen.

Herr Jobst, bei der vergangenen Mitgliederversammlung haben Sie gesagt, auf Schalke sei das Glas in der Wahrnehmung der Menschen tendenziell immer halbleer, nicht halbvoll. Woran machen Sie das fest?

Jobst: Da kann ich Ihnen gerne ein Beispiel nennen. Wenn wir in den vergangenen Jahren einmal eine schlechte Phase hatten und ich gesagt habe, dass wir da ganz sicher auch wieder herauskommen werden, haben mir viele Menschen im Umfeld entgegnet: Herr Jobst, Sie sind noch nicht so lange hier, das wird noch viel schlimmer in den nächsten Wochen. Aber dieses Denken ist nicht erfolgversprechend, deswegen habe ich appelliert: Lasst uns die Dinge mal in einen positiven Kontext rücken. Und im Moment habe ich das Gefühl: Vieles davon ist verinnerlicht. Die Leute haben trotz des 11. Tabellenplatzes Vertrauen in uns und unsere Arbeit – und wir wollen das mit Kontinuität und Fleiß zurückzahlen.