Gelsenkirchen. . Tim Reichert ist Chef der Schalker Esports-Abteilung. Er erklärt, warum es für den Klub Sinn macht, auf hohem Niveau League of Legends zu spielen.

Tim Reichert ist auf Schalke der Chef. Zumindest auf seinem Gebiet. Der 37-Jährige ist der Head of Esports. Die Abteilung wurde erst im Mai gegründet. Bei den „Scouting Days“ hat sich Reichert kürzlich auf die Suche nach neuen Talenten gemacht.

„Ich habe auf Schalke meinen Traumjob gefunden“, sagt er. Auf Schalke kann der gebürtige Essener zwei seiner großen Leidenschaften vereinen. Seit dem Kindesalter ist der ehemalige Fußballprofi von Rot-Weiß Oberhausen nämlich auch großer Fan von Computerspielen.

Herr Reichert, ist es zulässig, Sie als den Christian Heidel des Schalker Esports zu bezeichnen?

Tim Reichert: Aktuell übernehme ich Aufgaben aus allen drei Vorstands-Bereichen, wenn es um den Esport geht. Wir hatten in der letzten Saison noch einen Teammanager, waren mit seiner Arbeit aber nicht so zufrieden, sodass wir uns von ihm getrennt haben. Aktuell verantworte ich also auch den sportlichen Bereich alleinverantwortlich. Wir sind aber auf der Suche nach einem Nachfolger.

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf dem Spiel League of Legends. Warum nicht auf einem Fußballspiel? Das würde doch viel besser zu Schalke passen.

Reichert: Wir widmen uns beiden Titeln momentan sehr intensiv. Allerdings wird League of Legends zur Zeit von wesentlich mehr Menschen verfolgt und geschaut, als es bei Fifa der Fall ist. Auf Twitch, einer Videoplattform für Gamer, schauen quasi zu jeder Tageszeit mindestens 100 000 Menschen anderen beim spielen zu. Die einzelnen Ligaspiele werden von 150 000 bis 300 000 Menschen geschaut. Die Finalspiele der Weltmeisterschaft haben 27 Millionen Zuschauer zeitgleich verfolgt. Fifa hinkt da noch etwas hinterher.

Können Sie uns kurz erklären, worum es beim Spiel League of Legends geht?

Reichert: Das Spiel ist eine Mischung aus Echtzeit Aktion-, Echtzeit Strategie-, Teamplay- und Rollenspiel. Zu Anfang kann jeder Spieler einen Helden wählen und mit diesem in das Match gehen. Ziel ist es, mit seinem Team gegen das andere Team zu bestehen und die gegnerische Basis zu zerstören. Letztendlich geht es wie in jedem anderen Teamsport darum, gemeinsam Wege zu finden, um besser zu sein als der Gegner.

© Michael Korte

Sportlich lief die erste Saison aber nicht gerade rosig. Schalke ist aus der 1. Liga, der LCS, abgestiegen. Soll es direkt wieder hoch gehen?

Reichert: Genau. Daran arbeiten wir gerade akribisch. Wir sind gut in unsere erste Saison gestartet, standen zwischenzeitlich auf Rang drei, sind dann aber in einen Abwärtsstrudel geraten, aus dem wir uns nicht mehr befreien konnten. Leider haben wir den Abstieg in den Play-downs dann nicht mehr verhindern können. Der Aufstieg ist auf jeden Fall das Ziel. Jetzt, wo Paris St. Germain eingestiegen ist, wird es nicht einfacher. Ich gehe davon aus, dass noch ein zwei andere Sportorganisationen mit viel Power an den Start gehen werden. Aber das macht die Liga auch interessanter.

Wann beginnt die neue Saison?

Reichert: Ende Januar geht es los. Das Transferfenster öffnet am 21. November, dann werden wir versuchen, die perfekten Spieler für unsere Mannschaft zu finden. Es wird also noch einige Wochen dauern, bis wir das finale Team zusammen haben.

Wie zufrieden waren Sie mit den Scouting-Days auf Schalke?

Reichert: Wir haben fast 400 Bewerbungen erhalten und die vielversprechendsten zwölf Kandidaten eingeladen. Die haben wir drei Tage genau unter die Lupe genommen, mit den besten sind wir zu einem Turnier nach Warschau gefahren. Aktuell können wir uns gut vorstellen, ein oder zwei von ihnen unter Vertrag zu nehmen. Der Ehrgeiz der Teilnehmer hat uns schon bei den Scouting-Days beeindruckt. Nach dem Abendessen sind alle sofort an ihre Rechner zurück und haben weitergespielt.

Wie groß ist das Team, das für Schalke in der Liga antritt?

Reichert: Im Ligabetrieb bilden fünf Spieler eine Mannschaft. Es spielen immer die gleichen Spieler – es sei denn, sie fallen wegen Krankheit aus. Wir planen, eine Nachwuchsmannschaft zu gründen, die in der deutschen Liga antritt. Das stärkt die nationale Identität. Außerdem könnten bei Bedarf Spieler ins Profiteam aufrücken. Die Spieler werden jedoch im Gegensatz zum ersten Team keine Vollzeitprofis sein.

Die Spieler aus der internationalen Liga sind also Vollprofis.

Reichert: Ja, sie sind Vertragsspieler bei uns. Um auf Toplevel bestehen zu können, ist es notwendig, sechs bis acht Stunden am Tag zu trainieren. Da ist es kaum möglich, einem anderen Job nachzugehen.

Was verdienen die Schalker Spieler?

Reichert: Über Summen spreche ich nicht. Als Richtlinie würde ich sagen: unsere Topspieler werden wie ein guter Arbeitnehmer in Deutschland bezahlt.

Und wo wohnen Ihre Spieler?

Reichert: Wir haben in Gelsenkirchen eine schmucke Immobilie gefunden, in der sie und die Trainerteams in Appartements wohnen. Die Spieler sind zwischen 18 und 23 Jahre alt. Trainiert wird normalerweise in der Veltins Arena, dort stehen uns Räumlichkeiten zur Verfügung. Finden Veranstaltungen in der Arena statt, wird in den Appartements trainiert.

Was macht einen guten League of Legends-Spieler aus?

Reichert: Er muss schnelle Entscheidungen treffen, die Hand-Augen-Koordination ist sehr wichtig. Das Profil ähnelt einem guten Fußballspieler. Es geht um Talent und um Ehrgeiz. Die Konzentrationsfähigkeit über einen langen Zeitraum ist ebenfalls wichtig. Beim Esports geht es natürlich nicht um Laufstärke, sondern um den Zeitraum, den man hochkonzentriert sein kann.

Wieviel Prozent ist beim E-Sports Talent und wieviel Ehrgeiz und Fleiß?

Reichert: Ich würde sagen: 40 Prozent Talent, 60 Prozent Ehrgeiz. Aber das ist meine persönliche Einschätzung. Ich komme selbst aus einer Gamer-Familie und habe viel und sehr gerne gespielt. Mein jüngerer Bruder hat deutlich weniger als ich gespielt, war aber dennoch erfolgreicher als ich. Er hatte mehr Talent.

Auch Fußball auf der Konsole hat für Tim Reichert einen hohen Stellenwert 

Sie haben auch ein Fifa-Profiteam an den Start gebracht.

Reichert: Ja, Fifa ist unser zweites Steckenpferd in unserem Esport-Engagement. Wir wollen hier auch ähnlich vorgehen wie in League of Legends und auf die Jugendförderung setzen. Mit Hilfe eines von uns veranstalteten Scouting-Turniers konnten wir Tim Schwartmann, einen 18-jährigen Gelsenkirchener verpflichten, der für mich aktuell eines der größten Fifa-Talente Deutschlands ist und auch gleich auf dem ersten großen Fifa-Event der im Esport vertretenen Fußballvereine den zweiten Platz erringen konnte. Im Finale musste er sich nur dem mehrmaligen Weltmeister „Agge“ von Paris Saint Germain geschlagen geben.

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Steuern Ihre Spieler auf der Konsole dann auch tatsächlich Schalke?

Reichert: In der Virtual Bundesliga, die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) organisiert wird, ist es so, dass die Spieler ihre eigenen Vereinsmannschaften steuern können. Die Teams haben aber die gleichen Stärken. In der ESL-Liga ist das anders. Da haben die Vereine unterschiedliche Stärken und Voraussetzungen. In den anderen Ligen oder Events ist es nicht möglich, da sich die Teamstärken stark unterscheiden und Schalke leider nicht die gleichen Fähigkeiten besitzt, wie beispielsweise der FC Barcelona. Würden unsere Spieler mit Schalke spielen, hätten sie einen Wettbewerbsnachteil.