Gelsenkirchen. Der Schalker Johannes Geis hatte als Kind nur einen Berufswunsch: Fußballprofi. Dafür ist er immer abends bei Flutlicht mit seinem Vater auf den Platz gegangen und hat aufs Tor geschossen

  • Der Schalker Johannes Geis hatte als Kind nur einen Berufswunsch: Fußballprofi
  • Dafür ist er abends mit seinem Vater auf den Platz gegangen
  • Im Interview spricht er offen über das Leben als Profi

Johannes Geis ist auf Schalke der Mann für die Standardsituation. Das weiß auch Markus Weinzierl. Gegen Berlin setzte Schalkes Cheftrainer Johannes Geis noch auf die Tribüne, bei den Heimspielen gegen Salzburg und Borussia Mönchengladbach stand Geis wieder in der Startelf. Er spielte stark, und Schalke gewann. Dass so ein Tritt in den Hintern Wirkung haben kann, erlebte der Mittelfeldspieler auch schon vor seinem Wechsel nach Schalke.

Frage: Herr Geis, als junger Spieler haben Sie bei der SpVgg. Greuther Fürth unter Mike Büskens trainiert. Ist Ihre Erinnerung an diese Schule positiv oder negativ?

Johannes Geis: Absolut positiv. Mike Büskens hat mich geprägt und als Junioren-Spieler zu den Profis geholt - ohne ihn wäre ich jetzt vielleicht kein Profi. Er hat mir auch ein paar Arschtritte verpasst. Aber es gehört dazu, einem jungen Spieler das Gefühl zu geben, dass es nicht immer nur bergauf geht.

Mike Büskens hat Sie damals in die zweite Mannschaft geschickt. Ist das positiv?

Johannes Geis: In dem Moment nicht, aber später profitiert man davon, diese Erfahrung gemacht zu haben. Man weiß dann, wie es ist, gegen Widerstände anzugehen. Klar hätte ich damals mit Fürth gerne in der Bundesliga gespielt, aber ich war ein junger Spieler - da war das absolut okay.

Im ersten Spiel nach der Trennung von Büskens haben Sie sofort gespielt…

Johannes Geis: Genau. Ein 1:1 gegen Leverkusen und danach kam das Derby gegen Nürnberg - da habe ich sogar ein Tor geschossen. So wird man in Fürth zum Derby-Held…

Manche Spieler brauchen Rückendeckung vom Trainer, andere den Tritt in den Hintern. Wie sind Sie?

Johannes Geis: Grundsätzlich bin ich einer, der vom Vertrauen lebt und auch eine hohe Eigenmotivation mitbringt. Aber wenn man zwischendurch trotzdem mal gekitzelt wird, ist das schon gut für mich.

So wie beim Spiel in Berlin, als Markus Weinzierl Sie auf die Tribüne gesetzt hat?

Johannes Geis: Ja, das kann man vergleichen. Mir hat es gut getan, obwohl es im ersten Moment sehr enttäuschend war. Das ist das, was ich aus der Geschichte mit Mike Büskens mitgenommen habe: Man lernt, trotzdem weiter zu arbeiten. Wenn unser Trainer das jetzt damit bezwecken wollte, hat er damit alles richtig gemacht.

Es hieß, Sie würden nicht genug laufen - gegen Gladbach waren Sie dann einer der laufstärksten Spieler...

Johannes Geis: An meiner Spielweise gibt es sicher immer auch etwas zu verändern. Ich musste mich zum Beispiel daran gewöhnen, dass wir jetzt sehr hoch pressen und aktiv gegen den Ball spielen - mein Spiel ist ja mehr das mit dem Ball. Doch ich kann auch laufen. Und wenn der Trainer von mir verlangt, dass ich viel laufen soll, dann laufe ich viel - das ist für mich kein Problem.

Sie haben im Sommer sehr viel getan, um in einem Top-Zustand zu sein. Kann man daraus schließen, dass Sie mit Ihrer Entwicklung zuvor selbst nicht zufrieden waren?

Johannes Geis: Es war mein erstes Jahr auf Schalke und das war nicht einfach nach der Roten Karte gegen Gladbach. Danach war es schwer, wieder reinzukommen. Ich bin ein Spieler, der sich immer verbessern will, und bei der Analyse von gewissen Dingen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass da auf jeden Fall noch etwas geht.

Sie haben zum Beispiel Ihre Ernährung umgestellt. Wie viel haben Sie abgenommen?

Johannes Geis: Etwa vier Kilo. Das war wichtig, denn jedes Kilo weniger tut auf diesem Niveau gut. Auf Schalke ist man bei einem Topklub, da muss man einfach alle Dinge ausschließen, die leistungsmindernd sein könnten. Das war mir wichtig, damit ich nicht ein Jahr später sagen muss: Mist - du hättest vielleicht dieses oder jenes noch machen sollen.

Die Rote Karte als Knick haben Sie selbst angesprochen: Vor einem Jahr haben Sie immer gesagt, Sie könnten damit umgehen, aber innerlich sah es vermutlich anders aus, oder?

Johannes Geis: Man versucht das eigentlich auszublenden, aber im Unterbewusstsein war der Gedanke schon da: Was ist, wenn ich wieder hart in einen Zweikampf komme und der Gegenspieler sich verletzt? Ein bisschen gehemmt war ich schon und dazu kam der Druck von außen: Es lief bei mir nicht mehr so, und dann hat die ganze Mannschaft nicht mehr funktioniert. Das war dann schon so ein Knackpunkt.

Sie wurden in einigen Medien als bewusster Treter dargestellt und hatten bei jedem Zweikampf Angst, dass die Geschichte wieder von vorne losgeht?

Johannes Geis: Ja, man lebt dann fast als Vorbestrafter. Selbst, wenn man den Ball spielt, kann ja etwas passieren, wenn der Gegner vielleicht unglücklich umknickt. Aber jetzt kann ich sagen, dass ich darüber weg bin. Geholfen hat mir unser letztes Spiel, weil es wieder gegen Gladbach ging und mit vielen Zweikämpfen intensiv war.

Johannes Geis über die Nationalmannschaft 

Bis zur Roten Karte schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann Sie in der Nationalmannschaft auftauchen würden.

Johannes Geis: Das weiß ich nicht, ob ich dabei gewesen wäre. Man muss sich nur die Qualität in der Nationalmannschaft anschauen: Da ist es schwer, rein zu kommen. Aber vielleicht wäre es ohne die Rote Karte anders gelaufen.

Die Nationalmannschaft bleibt aber ein Ziel?

Johannes Geis: Natürlich. Mein Verein ist Schalke, das hat die höchste Priorität. Aber die A-Nationalmannschaft ist immer ein Ziel. Wenn man das mit 23 Jahren nicht hätte, könnte man als junger Spieler auch aufhören.

Ein Vorbild war für Sie Bastian Schweinsteiger. Der wurde auch einmal als Chefchen verspottet, und später wurde er Weltmeister.

Johannes Geis: Genau das ist für mich so ein Beispiel. An ihm wurde gezweifelt, es wurde gesagt, dass er keine große Mannschaft führen kann. Aber er hat nie aufgegeben. Und wenn man dann sieht, was er im WM-Finale geleistet hat, kann man ihn sich ruhig zum Vorbild nehmen.

Auf Schalke sind Sie jetzt auch über Ihre Standards wieder in die Mannschaft gekommen: Der Trainer weiß, dass diese Qualität fehlt, wenn er Sie draußen lässt. Woher kommt eigentlich diese Stärke?

Johannes Geis: Ich bin schon als kleiner Junge mit meinem Papa raus auf den Platz gegangen und habe geübt. Tagsüber musste mein Papa arbeiten, also sind wir abends gegangen, wenn bei uns in Oberstreu die Dorfmannschaft trainiert hat und das Flutlicht an war. Dann haben wir aufs Tor geschossen, sobald die erste Mannschaft mit dem Training fertig war. Als es dann später in den Leistungsbereich ging, habe ich das weiter verfeinert, weil ich gemerkt habe: Da bin ich sehr gut.

Johannes Geis über das Leben als Profi 

War es schon als kleiner Junge Ihr Ziel, Profi zu werden?

Johannes Geis: Meine Eltern sagen, ich hätte schon mit drei oder vier Jahren immer nur den Ball dabei gehabt. Erinnern kann ich mich nicht mehr, aber ich habe wohl einmal zu meinem Papa gesagt, dass ich nur Fußballprofi werden will - andere wollten Feuerwehrmänner werden, aber für mich gab es nur das Ziel, irgendwann in der Bundesliga zu spielen. Dass es geklappt hat, hat natürlich auch mit einem Quäntchen Glück zu tun.

Und ist das Leben so, wie Sie es erwartet haben?

Johannes Geis: Als Außenstehender denkt man immer: Fußballprofi ist ein leichter Beruf. Und es ist ja auch schön: Wir bekommen sehr viel Geld und haben die besten Arbeitszeiten - ein Arzt oder eine Krankenschwester müssen tagtäglich Schwerstarbeit leisten. Als kleiner Junge will man nur auf den Platz gehen und vor vielen Fans spielen, die einem dann zujubeln. Das ist so, das habe ich mir genauso vorgestellt. Das Drumherum ist jedoch schon eine Nummer größer, als man denkt. Es ist schwer, abzuschalten.

Stört der Ergebnisdruck manchmal?

Johannes Geis: Vielleicht sollte man sich ein bisschen davon lösen. Auf Schalke honoriert es das Publikum, wenn man alles gibt und trotzdem unglücklich verliert. Aber am Ende ist Fußball ein Ergebnissport, darüber brauchen wir nicht zu reden. Und der Druck ist schon enorm, wenn du zwei Spiele verlierst und das dritte unbedingt gewinnen musst.

Glauben Sie, dass Schalke jetzt soweit ist für eine Entwicklung, bei der die Ergebnisse auch auf Dauer stimmen werden?

Johannes Geis: Wir sind nach wie vor eine Mannschaft, die sich noch finden muss. Die Siege gegen Salzburg und Gladbach haben uns geholfen. Wenn wir diesen Willen auf den Platz bringen, dann wird es schwer, gegen uns ein Tor zu schießen. Augsburg wird aber ein ganz anderes Spiel als Gladbach, die werden uns mit dem Messer zwischen den Zähnen erwarten. Das müssen wir annehmen - es muss auf jeden Fall ein Sieg her.