Orlando. Im Florida-Trainingslager des FC Schalke 04 haben wir mit Schalke-Trainer André Breitenreiter über die Zugänge und den Sané-Hype gesprochen.
- Im Interview verrät Schalke-Trainer Breitenreiter, was er von den Zugängen hält.
- Er bezeichnet den umworbenen Leroy Sané als "coole Sau".
- Breitenreiter bedauert Verletzung von Benedikt Höwedes.
André Breitenreiter kommt vom Training und ist heiser: In Orlando hat es an diesem Tag geregnet, als wenn es kein Morgen mehr gäbe; außerdem musste er auf dem Platz laut schreien, weil Lärm von einer Großveranstaltung auf dem Sportgelände nebenan herüberzog. Doch der Trainer des FC Schalke 04 kann sich Gehör verschaffen: Im WAZ-Interview im Trainingslager in Florida spricht er auch über den Hype um Leroy Sané, über Schalkes Transferpolitik und über die Muskel-Verletzung von Kapitän Benedikt Höwedes, der für mehrere Wochen ausfällt und aus Florida abreisen musste.
Herr Breitenreiter, wie schwer trifft Sie die Verletzung von Benedikt Höwedes?
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André Breitenreiter: Unser Kapitän wird einige Wochen ausfallen, damit haben wir natürlich wieder Qualität verloren. Wir arbeiten jetzt erst einmal mit dem vorhandenen Kader weiter, weil wir den Spielern vertrauen. Leid tut es mir vor allem für Benedikt.
Sie haben die Verletzung auch darauf zurückgeführt, dass die Mannschaft sich vor dem Spiel gegen Fort Lauderdale nicht richtig aufwärmen konnte.
Breitenreiter: Das war sehr unglücklich. Wir sind von einem Platz auf den anderen geschickt worden und haben dadurch sicher zehn bis 15 Minuten unseres Aufwärmprogramms verpasst.
Die Bedingungen hier in Florida sind ungewöhnlich. Wie kommen Sie damit klar?
Breitenreiter: Für den Verein ist es wichtig, neue Märkte zu erschließen und sich zu präsentieren - da bin ich zu 100 Prozent dabei. Gegen das Wetter können wir uns nicht wehren, es regnet ja auch nicht jeden Tag.
Und an den Lärmpegel muss man sich gewöhnen?
Breitenreiter: Man sieht, dass der Fußball hier nicht die Nummer eins ist. Da haben wir mit einigen Hindernissen umzugehen. Es ist natürlich nicht so schön, wenn eine Woche lang auf unserem Trainingsgelände eine Großveranstaltung ist und man nicht ungestört arbeiten kann. Meine Stimme ist fast schon weg - das ist sicherlich unglücklich.
Mit Younes Belhanda und Alessandro Schöpf haben Sie zwei neue Spieler dazu bekommen. Wie schwer fiel es Ihnen, auf Renato Augusto und Gökhan Inler zu verzichten, die ja Ihre Wunschspieler waren?
Breitenreiter: Auf unserem Zettel waren noch viele andere Spieler, deren Verpflichtung ebenfalls nicht zu realisieren war - nicht nur diese beiden. Aber wenn sich die Spieler nicht zu 100 Prozent für uns entscheiden können oder nur zu uns wollen, weil sie hier viel verdienen können, dann sind es nicht die Richtigen für uns. Dann verzichte ich auf Qualität. Wobei Alessandro Schöpf mit Sicherheit keine B-Lösung ist. Er wird uns perspektivisch sehr weiterhelfen.
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Was versprechen Sie sich von Schöpf und Belhanda?
Breitenreiter: Wir haben ja von vornherein gesagt, dass wir neue Spieler benötigen, um den Konkurrenzkampf zu erhöhen, damit jeder Spieler schon im Training Vollgas geben muss, um sich weiter zu entwickeln. Von Alessandro Schöpf erwarte ich nicht, dass er im nächsten halben Jahr sofort Stammspieler wird - er ist eine Investition für die Zukunft. Und Younes Belhanda hat in der Vergangenheit in Frankreich nachgewiesen, wie gut er spielen kann.
Kann man sagen, dass bei beiden auch die Lust auf Schalke den Ausschlag gab? Das scheint bei Ihnen ja eine klare Strategie zu sein?
Breitenreiter: Absolut. Für mich ist es einfach wichtig, mit Spielern zu arbeiten, die nicht das Geld als Hauptargument sehen, um nach Schalke zu kommen. Qualität kostet immer Geld, aber im Vordergrund muss stehen, dass die Spieler hier bei einem der geilsten Vereine überhaupt spielen können. Diejenigen, die das so sehen, sind dann auch die Richtigen. Das haben Schöpf und Belhanda getan. Und das ist dann der Spielertyp, der auch wichtig ist, um die Mentalität in der Mannschaft zu erhöhen.
Also Mentalität vor Qualität?
Breitenreiter: Es geht um beides. Auf diesem Niveau reicht es nicht aus, nur eine gute Mentalität zu haben. Aber wenn es eng ist, dann schlägt doch eher die Mentalität die Qualität.
Stimmt es, dass Sie sich auch bei Ihren früheren Vereinen mit jedem möglichen Neuzugang erst persönlich zum Kennenlernen getroffen haben, bevor Sie ihn verpflichten?
Breitenreiter: Wenn es ging, ja. Wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzt, erkennt man das eine oder andere. Das ist nicht immer realisierbar, aber ein Telefonat für einen persönlichen Eindruck ist das Mindeste.
Wir haben einmal über Sie geschrieben: Sie sind in Ihrer Art, niemals locker zu lassen, wie der junge Ralf Rangnick, der vor zehn Jahren Trainer auf Schalke war.
Breitenreiter (schmunzelt) : Ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst und auch an alle, die um mich herum sind. Ich möchte, dass alles perfekt funktioniert. Das kann nicht immer klappen, aber es ist eben mein Anspruch. Und dann erwarte ich auch, dass drumherum alles so gut wie möglich organisiert ist. Da bin ich sicherlich auch nicht immer angenehm, und deswegen kann ich mit dem Vergleich gut leben.
Rangnick hätte am liebsten auch die Ein- und Verkäufe persönlich abgewickelt. Wie kämpfen Sie gerade um Joel Matip?
Breitenreiter: Da sehe ich meine Aufgabe nicht darin, mich permanent mit diesem Thema zu beschäftigen. Für mich ist wichtig, dass ich mich auf der sportlichen Ebene mit ihm austausche. Klar fragt man auch mal, wie der Stand mit der Vertragsverlängerung ist. Es ist sehr wichtig, dass Joel bleibt - dafür muss der Verein alles Mögliche tun. Aus der sportlichen Sicht brauche ich ihm nicht mehr Argumente zu liefern, als dass er sich in dieser Saison sehr weiterentwickelt hat und für mich ein ganz wichtiger Spieler ist. Ich halte es aber für total legitim, dass er sich jetzt auch einmal in Ruhe überlegt, was an möglichen Angeboten kommt.
Und Benedikt Höwedes, der im Sommer nach einem Gespräch mit Ihnen entschieden hat, Schalke nicht zu verlassen?
Breitenreiter: Wir sprechen sehr viel miteinander, aber momentan gar nicht über seine Zukunft, weil er ja auch noch einen Vertrag hat, der über die Saison hinaus läuft.
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Sie haben Höwedes einmal als den einzigen Spieler neben Ralf Fährmann in Ihrem Kader bezeichnet, der auf dem Platz auch mal den Mund aufmacht. Fehlt es an Führungsspielern?
Breitenreiter: Wir haben schon noch andere Führungsspieler, aber die beiden gehen verbal voran und haben bei Widerständen das Kommando - das ist eine Sache, die ich auch von anderen etablierten Spielern einfordere. Es geht darum, aktiv zu sein und nicht auf den Platz zu gehen mit der Einstellung: Jetzt schauen wir mal, wie es läuft. Insgesamt finde ich aber, dass sich die Mentalität der Mannschaft schon deutlich verändert hat im Vergleich zur letzten Saison. Aber das geht nicht von heute auf morgen.
Erwarten Sie demnach nochmal eine Steigerung in der Rückrunde?
Breitenreiter: Das kann ich heute noch nicht beantworten, weil wir erst sehen müssen, wie die Vorbereitung läuft und wie wir in die Rückrunde starten. Das Ganze ist sehr komplex. Wir haben Spieler dazugewonnen, aber die Qualität von Julian Draxler haben wir augenscheinlich noch nicht ersetzen können. Das heißt jedoch nicht, dass Belhanda und Schöpf diese Position nicht ausfüllen können. Wir wollen uns verbessern und auch mehr Punkte holen als in der Hinserie, aber versprechen kann man das nicht.
So denkt Schalke-Trainer Breitenreiter über Leroy Sané
Viel Wirbel gibt es auch um Leroy Sané. Wie geht er aus Ihrer Sicht damit um?
Breitenreiter: Wir haben einen sehr engen Austausch und sprechen beinahe täglich über diese Dinge, wenn mir etwas auffällt. Nur ganz wenige können nachvollziehen, was auf den Jungen gerade einprasselt - das ist immens. Jeder achtet auf ihn, und dann fallen Dinge auf, die normalerweise gar nicht wahrgenommen werden. Insgesamt nimmt er das aber sehr positiv an.
Sie machen sich also keine Sorgen um ihn?
Breitenreiter: Leroy stellt sich ja durch hervorragende Leistungen so in den Vordergrund. Selbstverständlich ist es bei jungen Spielern manchmal so, dass sie geneigt sind, mal einen Schritt weniger zu machen. Aber das Schöne bei ihm ist: Er reagiert sofort, wenn ich ihm etwas sage, und zeigt danach super Trainingsleistungen. Leroy ist als Typ ja auch eine coole Sau, diese Unbekümmertheit zeichnet ihn aus.
Seine sportliche Entwicklung muss Sie ja begeistern.
Breitenreiter: Wenn man überlegt: Im vergangenen Sommer hat er noch überlegt, ob er zur U19-EM fährt oder nicht, um nicht für die Bundesliga ins Hintertreffen zu geraten. Und dann macht er innerhalb eines halben Jahres so einen Entwicklungssprung. Das geht nur durch harte Arbeit, und dann ist bei ihm noch viel mehr möglich.
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