Gelsenkirchen. Das Traumtor von Leroy Sané in Wolfsburg belegt erneut die vorbildliche Nachwuchsarbeit des FC Schalke 04. Ein Versprechen für die Zukunft.

Es ist zum Verzweifeln. Woche für Woche schaut sich Roberto Di Matteo, der Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, in der Kabine um und zählt durch. Wie viele gesunde Profis habe ich noch? Wer ist noch kurzfristig ausgefallen? Vor der Partie am Sonntag beim Tabellenzweiten VfL Wolfsburg fehlten ihm sage und schreibe zwölf Spieler. Dem Italiener blieb wieder nichts anderes übrig, als zu improvisieren. Er beorderte die beiden 19-jährigen Leroy Sané und Marvin Frie­drich in die Startelf und füllte die Ersatzbank mit drei weiteren Talenten auf, die jeweils noch ohne Bundesliga-Erfahrung sind: Maurice Multhaup, Axel Borgmann, Marcel Sobottka.

Zwangsläufig drängte sich die Frage auf, wie man unter solchen Voraussetzungen bei der heimstärksten Mannschaft der Liga eine Pleite vermeiden sollte.

Schon Sanés drittes Traumtor

Und dann das: In Minute 53 gelang Leroy Sané ein Tor, das nur ganz wenige Spieler der Bundesliga erzielen könnten. Denn zu einem solchen Treffer gehören vier Komponenten, die nicht jedem gegeben sind: Sprintstärke, Durchhaltevermögen, Technik und Abschlusskälte. Mehr als 70 Meter jagte der Junge, der noch für Schalkes A-Jugend spielberechtigt ist, mit dem Ball am Fuß dem Wolfsburger Tor entgegen, die Gegner in Grün-Weiß sahen nur noch seine Rücklichter. Kurz vor dem Ziel schien er doch noch zu straucheln, dann aber brachte er den Ball ganz cool im Netz unter. Sein bereits drittes Traumtor in dieser Saison.

Selbst Dieter Hecking zog den Hut. „Klasse gemacht“, urteilte der Trainer des VfL Wolfsburg nach der Partie, an deren Ende vor allem die Schalker mit dem 1:1 zufrieden waren. Denn sie konnten stolz darauf sein, dass sie es wieder einmal geschafft hatten, dank ihrer schier unerschöpflich sprudelnden Talentquelle eine personelle Notlage zu überstehen.

Jahr für Jahr bringt die Schalker Nachwuchs-Abteilung, Knappenschmiede getauft, junge Profis mit prächtigen Perspektiven hervor. Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes und Julian Draxler sind mittlerweile Weltmeister, Ralf Fährmann ist ein Vorzeige-Schalker, und wie weit überdurchschnittlich Begabte wie Max Meyer, Kaan Ayhan und Leroy Sané kommen werden, ist noch gar nicht abzusehen.

Elgerts Fußball- und Lebensschule

Eine solche Trefferquote bei der Rekrutierung von Profis hat natürlich nur wenig mit Zufall und Glück zu tun. Auf Schalke arbeiten kluge und fleißige Menschen im Nachwuchsbereich, an ihrer Spitze der vor einem Jahr mit dem DFB-Trainerpreis ausgezeichnete A-Jugendcoach Norbert Elgert. Die Strategie des 58-jährigen beschränkt sich nicht allein auf den sportlichen Feinschliff von Rohdiamenten. Es ist ihm genauso wichtig, die umschwärmten und umschmeichelten jungen Männer am Boden zu halten, Elgert sagt Sätze wie diesen: „Keiner ist ein besserer Mensch, nur weil er mehr verdient als ein anderer.“

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Um die Zukunft von Leroy Sané kümmert sich auch Vater Souleyman, einst Bundesliga-Torjäger in Wattenscheid. Erst kürzlich hat er über die Möglichkeit einer Ausdehnung des bis 2017 laufenden Vertrages seines Sohnes gesagt: „Wenn seine Leistung stimmt, kommt alles andere wie von selbst.“ Nach dem Tor von Wolfsburg sagte nun Schalkes Manager Horst Heldt: „Leroys Vertrag geht mit seinen Leistungen nicht mehr konform.“ Der Verein bietet höhere Bezüge an und will langfristig verlängern. Leroy Sané reagierte bescheiden: „Ich freue mich, dass ich bleiben darf.“ Er hatte seinem Jugendtrainer und seinem Vater offenbar gut zugehört.