Gelsenkirchen. Schalke-Manager Horst Heldt spricht im Interview über seine Transferpolitik, die Chancen auf den Achtelfinal-Einzug in der Champions League und die BVB-Krise.
Bayerns Dominanz, der Dortmunder Absturz und die Lage von Schalke 04. Horst Heldt sieht Königsblau auf Kurs. Um diesen fortsetzen zu können, seien in den kommenden Jahren aber auch weitere Investitionen in die Mannschaft nötig. Nicht aber unbedingt schon in der kommenden Winterpause.
Horst Heldt, Schalke 04 hat nach dem 13. Spieltag neun Punkte Vorsprung auf Borussia Dortmund. Machen Sie sich schon Sorgen, dass es im nächsten Jahr kein Derby gibt?
Horst Heldt: Nein, da mache ich mir gar keine Sorgen, weil Borussia Dortmund da unten raus kommen wird, denn da sind überall sehr fähige Leute am Werk, zum Beispiel mit Jürgen Klopp einer der besten Trainer in Deutschland. Der jetzige Tabellenplatz ist daher aus meiner Sicht nur eine Momentaufnahme. Von außen betrachtet, haben unsere Nachbarn ähnliche Probleme wie wir, sprich eine lange Verletztenliste. Wenn wichtige Spieler wie Marco Reus fehlen, dann kann man das nur schwer auffangen.
Zeigt das Beispiel Borussia Dortmund aber nicht um so mehr, dass im Profifußball Erfolg schlecht zu planen ist?
Heldt: Natürlich treten im Fußball immer wieder Situationen ein, mit denen man nicht gerechnet hat. Wir sind 2011 beispielsweise Pokalsieger geworden, aber zeitgleich in der Bundesliga nur auf Platz 14 gelandet.
Wer Meister wird, steht hingegen fest. Ist es fürs Geschäftsmodell Bundesliga nicht schädigend, wenn Bayern München so dominiert?
Heldt: Einerseits muss man immer wieder anerkennen, was Bayern München leistet. Diese Vormachtstellung ist dem Verein nicht zugeflogen, sondern die haben sie sich in langen Jahren erarbeitet. Nichtsdestotrotz weiß man auch beim FC Bayern, dass es nur in einer starken Liga und mit Mannschaften, die in gewisser Weise auch mal Paroli bieten können, funktioniert. Deshalb sprechen sie sich ja auch für die Zentralvermarktung aus, obwohl die großen Klubs, wie Bayern, Dortmund und wir, die Profiteure von einer Einzelvermarktung wären.
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Bei der Jahreshauptversammlung am 4. Mai haben Sie angekündigt, dass Schalke da sein muss, wenn die Bayern mal straucheln. Mal abgesehen davon, dass es nicht so aussieht, als ob sich München eine Schwäche erlauben würde: Haben Sie da bei den S04-Fans nicht zu hohe Erwartungen geweckt?
Heldt: Ich bereue meine Aussage nicht. Unsere Mitglieder können schließlich von den Verantwortlichen erwarten, dass sie Aussagen zur zukünftigen Entwicklung des Vereins machen. Und es bleibt dabei, wir möchten auch zukünftig so aufgestellt sein, um ganz oben mitzuspielen. In den letzten drei Jahren haben wir immerhin hintereinander die Champions League erreicht. Daher sind wir auf einem ganz guten Weg.
Vor allem in dieser Saison aber fehlte doch die Konstanz, weshalb Trainer Jens Keller dann auch gehen musste.
Heldt: Ich habe schon nach dem Augsburg-Spiel gesagt, dass wir uns bis zur Winterpause durchwursteln müssen. Das habe ich nicht gesagt, um irgendwelche Alibis zu schaffen, sondern weil wir dauernd Englische Wochen haben, in denen der Trainer kaum vernünftig trainieren kann, und die Verletztenliste nicht kleiner wird. Erst nach dem Spiel in Hamburg am 20. Dezember können wir eher absehen, in welche Richtung es gehen wird.
Schon nächste Woche fällt die Entscheidung in der Champions League. Wie groß sind Schalkes Chancen aufs Weiterkommen?
Heldt: Vom Ergebnis her ist von Platz zwei bis vier alles möglich, also der Einzug ins Achtelfinale oder das komplette Ausscheiden. Es ist aber klar, dass wir uns auf den bestmöglichen Fall fokussieren. Dafür müssen wir in Maribor gewinnen und sind darauf angewiesen, dass Lissabon nichts in Chelsea holt. Unsere Ausgangsposition ist nicht sonderlich gut, aber wir werden alles dafür tun, um unseren Part zu erfüllen und dann schauen wir nach London.
Sind für Trainer Roberto Di Matteo nur beim Einzug ins Achtelfinale Neuverstärkungen drin?
Heldt: Mit dem Thema werden wir uns konkret erst nach dem letzten Hinrundenspiel beschäftigen. Ob wir noch Spieler holen, hängt aber nicht nur vom Weiterkommen in der Champions League ab, sondern auch davon, wie und wann unsere Langzeitverletzten zurück kommen.
Clemens Tönnies hat angekündigt, Schalke müsse zwar mehr Geld für Personal in die Hand nehmen.
Heldt: Er meint damit die mittelfristige Entwicklung des Fußballs und welche Rolle Schalke 04 darin einnehmen wird. Einige Vereine haben ihre Profimannschaften schon ausgegliedert und in Kapitalgesellschaften umgewandelt, weitere Vereine werden das in naher Zukunft tun. So kommt viel frisches Kapital in den Fußball und für Schalke 04 stellt sich die Frage: Wie können wir da mithalten? Wenn wir dauerhaft um die begehrten Plätze mitspielen wollen, werden wir also wahrscheinlich weiter in Personal investieren müssen.
Tönnies behauptet auch, Schalke käme ein paar Jahre ohne die Einnahmen aus einem internationalen Wettbewerb über die Runden . . .
Heldt: Da hat er Recht! In den letzten drei Jahren haben wir allerdings die Champions League erreicht, das macht in wirtschaftlicher Hinsicht einiges mehr möglich und steigert gleichzeitig unser sportliches Renommee. Unsere mittelfristige Finanzplanung ist aber darauf aufgebaut, dass wir nicht zwingend auf diese Zusatzeinnahmen angewiesen sind und wir trotzdem auf unserem ehrgeizigen Konsolidierungskurs bleiben. Die Einnahmen durch Fernsehgelder werden steigen, außerdem haben wir einen erheblichen Mehrwert an Rücklagen geschaffen. Spieler aus der eigenen Jugend stehen in unserer Bilanz mit einer Null, auch Julian Draxler oder Max Meyer. Was sie Wert sind, weiß jeder. Das heißt nicht, dass wir sie verkaufen wollen, aber sie sind natürlich stille Reserven.
Schalke-Manager Heldt: "Di Matteo ist ein akribischer Arbeiter"
Sie sind in letzter Zeit stark in die Kritik geraten, dabei wird meistens Ihre Transferpolitik angeprangert. Wie fassen Sie diese Vorwürfe auf?
Heldt: Nur so viel: In der aktuellen Tabelle der Transferausgaben sind wir 14., 13 Vereine haben vor der Saison mehr Geld für neue Spieler ausgegeben als wir. Bei den Transfereinnahmen sind wir auf Platz sieben. Damit will ich sagen, dass wir auf Schalke andere Voraussetzungen als die meisten unserer Konkurrenten um die internationalen Plätze haben.
Sidney Sam hat sicher noch viel Luft nach oben, während Eric Maxim Choupo-Moting wie eine Bombe auf Schalke eingeschlagen ist...
Heldt: Das freut mich für ihn und für uns. Er ist ein toller Instinktfußballer, extrem spielfreudig, trickreich und treffsicher. Er hat sich auch vom ersten Tag an voll und ganz mit Schalke identifiziert, das ist sicher genauso wichtig.
Und wie bewerten Sie die bisherige Arbeit von Roberto Di Matteo?
Heldt: In der jetzigen Phase hat er schon viele verändert und auch erreicht, weil er ein akribischer Arbeiter ist. Er ist höchst professionell und setzt sich permanent mit Schalke auseinander. Anfangs ist er ja in Frage gestellt worden, weil er fast zwei Jahre aus dem Geschäft war. Aber es ist eher von Vorteil, wenn ein Trainer im heutigen Profifußball eine gewisse Auszeit hat, um sich dann ausgeruht und gestärkt auf seine neue Aufgabe einlassen zu können. Er hat seine ersten Ideen eingebracht, aber seine Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft.
Nach außen hin wirkt er sehr ruhig, bisweilen teilnahmslos.
Heldt: Es mag sein, dass er so wirkt, aber in der Kabine kann er auch ganz anders auftreten. Er hatte den Mut, innerhalb der laufenden Saison einen Systemwechsel durchzusetzen und das sogar während eines Spiels. Die heutigen Top-Trainer müssen ja ohnehin ein Rundumpaket liefern, sich auf die Spieler einlassen, eine weiche und harte Seite zeigen können. Das kann Roberto Di Matteo.
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Am Samstag trifft er auf seinen Vor-Vorgänger. Haben Sie gedacht, dass Sie Huub Stevens so bald in der Bundesliga wieder sehen würden?
Heldt: Im Doppelpass hat er bereits vor eineinhalb Wochen gesagt, dass er für einen neuen Verein bereit ist. Dass es so schnell gehen würde, war vielleicht nicht vorauszusehen, aber er hat Stuttgart in der letzten Saison vor dem Abstieg gerettet und beim VfB eine hohe Reputation.
Wird es am Samstag daher schwieriger für Schalke?
Heldt: Für uns war es da in den letzten Jahren nie einfach. Ich hoffe, dass es am Samstag anders läuft, aber das wird natürlich eine schwierige Aufgabe. Huub Stevens weiß genau, wie er mit seiner Mannschaft agieren muss, das hat er in Freiburg gezeigt. Er kann uns wehtun, ganz klar. Wir hingegen müssen es ganz anders, viel besser machen als zuletzt auswärts, zum Beispiel in Freiburg.