Lottes Kapitän David Czyszczon freut sich am Samstag auf ein Wiedersehen mit den Rot-Weißen. Der Ex-Essener Silvio Pagano ist ebenfalls Leistungsräger beim Spitzenreiter.
Einige RWE-Fans können sich wohl noch immer nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass die Rot-Weißen in der 4. Liga spielen. Und schon gar nicht wollen diese Fans akzeptieren, dass der Absturz womöglich mehr als ein kleiner Betriebsunfall gewesen ist. Doch spätestens wenn sie auf die aktuelle Regionalliga-Tabelle blicken, werden sie von der Realität eingeholt: Ihr geliebter Klub steht nur auf Platz neun. Und ganz obenauf, an der Spitze thronen die Sportfreunde aus Lotte. Und dort ist RWE an diesem Samstag zu Gast (14 Uhr, PGW-Arena).
Als die Essener im Vorjahr in die Saison starteten, mussten sie in der PGW-Arena beginnen. Und Lotte war für den Anhang des Metropolen-Klubs der Inbegriff des Provinziellen. Lotte? Wer ist schon Lotte? Die meisten kannten diesen Ort, der rund 13 000 Einwohner zählt, nur aus dem Verkehrsfunk, weil es dort ein Autobahnkreuz gibt. Die Essener, schon damals Titelfavorit, triumphierten mit 4:1. Standesgemäß, wie es hieß.
Auch heute werden die Fans wohl wieder ihre Autos auf dem Stoppelfeld hinterm Stadion bei Bauer Hindersmann abstellen, das ausgerechnet mit rotweiß-farbigem Flatterband abgegrenzt sein wird. Das Stadion, damals noch im Umbau, ist nun ein Schmuckkästchen. Das Umfeld hat sich gut gemacht, wie das Team auf dem Rasen. Trainer Maik Walpurgis hatte es damals als Schlusslicht übernommen und nach oben geführt.
Zu dieser Saison gab es dennoch einen Umbruch. 15 Spieler, darunter der Ex-Essener Tim Gorschlüter, verließen den Klub, 13 sind gekommen. Alles lernfähige und motivierte Spieler, heißt es, die hart und intensiv arbeiten. Man hat sich erstaunlich schnell gefunden und in dieser Spielzeit noch nicht verloren. Nach sieben Siegen und fünf Unentschieden liegt Lotte satte zehn Punkte vor Essen. Und das, obwohl offiziell nur rund 800 000 Euro investiert wurden. Bei RWE ist es gut dreimal so viel.
Was machen sie nur besser als an der Hafenstraße? „Das weiß ich auch nicht”, sagt David Czyszczon (28). „Aber wir verstehen uns toll, und das sind alles gute Jungs”, lobt der Kapitän, der bis zum Sommer noch das Essener Trikot trug. Der hoch aufgeschossene Abwehrrecke gilt als zuverlässig, kampfstark, aber nicht gerade filigran. Der ehemalige RWE-Manager Thomas Strunz plante nicht mehr mit ihm, also wechselte Czyszczon nach Lotte. „Ein absoluter Leistungsträger”, stellte Walpurgis bald fest. „Wir haben ein gutes Konzept”, bedankt sich der Gelobte. „Das hat alles bisher wunderbar geklappt.” Silvio Pagano erging es genauso. In Essen aussortiert, in Lotte aufgeblüht. Auch er ist eine feste Größe beim Spitzenreiter.
Auf die beachtliche Entwicklung der beiden angesprochen, zucken sie an der Hafenstraße mit den Schultern: „Das ist Vergangenheit. Unsere Jungs jetzt sind auch klasse.” Das müssen sie heute beweisen. Und natürlich freut sich Czyszczon schon. „Für uns ist Platz eins eine schöne Momentaufnahme”, sagt er. Groll hegt er keinen gegen seinen Ex-Verein. Er habe dort eine schöne Zeit gehabt, auch wenn er wenig Erfolg hatte. Und so ein Wechsel sei doch normal im Fußballgeschäft. „RWE ist und bleibt für mich Titelfavorit.”