Essen. . Erich Beer spielte einst für Rot-Weiß Essen und Hertha BSC Berlin, heute fiebert er beim Pokal-Duell seiner Ex-Klubs mit. Die Entwicklungen der beiden Teams verfolgt der 64-Jährige noch immer mit ganz genau

Wenn Rot-Weiß Essen heute Abend ab 19 Uhr den Versuch unternimmt, Hertha BSC Berlin in der zweiten Runde aus dem DFB-Pokal zu werfen, wird rund 650 Kilometer südlich von der Hafenstraße ein Mann mit schütterem Haar das eine oder andere Mal zur Fernbedienung greifen, um im Videotext den aktuellen Stand zu erfahren. Für Erich Beer ist das Spiel des Revier-Viertligisten gegen den Bundesligavertreter nämlich ein ganz besonderes. Der heute 64-Jährige kickte für beide Klubs in Liga eins.

„Nach meiner Lehrzeit beim 1. FC Nürnberg habe ich in Essen meine Gesellenzeit genossen, um dann in Berlin meine Meisterprüfung abzulegen“, fasst der heute in Grünwald südlich von München lebende Beer die wichtigsten Stationen seiner Karriere zusammen. Es ist nicht so, dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Schließlich stand der Oberfranke in Essen nur von 1969 bis 1971 unter Vertrag, während er in seinen acht Jahren bei der Hertha als „Ete“ Beer zum Publikumsliebling und Nationalspieler reifte. Vizemeister wurde er mit Berlin, Vize-Europameister 1976 mit der Nationalmannschaft.

Hertha-Ehrenmitglied

„Ich bin ein schlechter Prophet“, sagt Beer, „ich wünsche Hertha den Sieg und den Essenern eine fette Einnahme. Ich denke, Berlin gewinnt mit 2:1.“ Der 341-malige Bundesligaspieler ist Hertha-Ehrenmitglied, fährt mindestens fünfmal pro Jahr ins Olympiastadion und lässt sich keinen Auftritt seines Ex-Klubs in München, Nürnberg oder Augsburg entgehen.

Aber auch die zwei Jahre in Essen haben sein Leben geprägt. Wenn er von seiner Zeit mit den Rot-Weißen in der Bundesliga erzählt, ist die Begeisterung aus jedem Wort herauszuhören. Im Stakkato listet er innerhalb von Sekunden die Namen seine damaligen Mannschaftskollegen auf. Fred Bockholt, Werner Kik, Willi Lippens, Helmut Littek, Herbert Weinberg, Egbert-Jan ter Mors und, und, und.

Beer ist informiert

Aber wer steht denn heute Abend für die Rot-Weißen an der Hafenstraße auf dem Rasen? „Puuh“, antwortet Beer, „da muss ich passen.“ Aber auch wenn der einst torgefährliche Mittelfeldspieler seine RWE-Nachfolger wie Markus Heppke oder Timo Brauer nicht beim Namen nennen kann, ist er auf dem Laufenden: „Die sind zuletzt ein wenig aus dem Tritt gekommen. Am Wochenende haben sie 0:2 verloren. Gegen die Sportfreunde Lotte. Die sind doch Tabellenführer, oder?“

Völlig korrekt. Da auch „seine“ Hertha zuletzt nicht gerade Traumfußball geboten hat, schließt Beer eine Pokal-Sensation nicht aus: „An der Hafenstraße ist alles möglich. Die Atmosphäre ist einzigartig.“ Und dann sprudelt es aus ihm heraus. Er schwärmt von den Essener Fans. Wie sie beispielsweise ihre Rot-Weißen mit Erich Beer im April 1970 von der ersten bis zur letzten Minute angefeuert haben und so das sensationelle 1:0 gegen die Mönchengladbacher Stars wie Berti Vogts, Günter Netzer oder Horst Köppel möglich gemacht haben.

Zweimal pro Woche Tennis

Mit einer noch größeren Überraschung verbindet er auch eine bittere Erinnerung. Am 13. Februar 1971 schickte RWE die großen Bayern um Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller mit 3:1 als Verlierer vom Platz. „Danach lief bei uns nichts mehr und wir sind abgestiegen“, sagt Beer. Er ging nach Berlin, ließ sich dann von Dettmar Cramer für zwei Jahre nach Ittahad Dschidda in Saudi-Arabien locken, ehe er seine Karriere bei München 1860 ausklingen ließ.

Bis vor einem Jahr arbeitete er als Fahrzeugdisponent bei BMW in München. Seit einer Knie-Operation darf er nur noch einem kleineren Ball hinterher jagen. Mit Bernd Patzke und Hans Rebele, den Ex-Profis von 1860 München, sowie dem früheren Bayern Peter Kupferschmidt trifft er sich zweimal pro Woche zum Tennis. Heute Abend aber ruht der Filzball, heute Abend zählt für ihn nur das Pokal-Duell seiner geschätzten Ex-Klubs.