Essen. Insgesamt fünfeinhalb Jahre war Uwe Neuhaus als Spieler und Trainer für Rot-Weiß Essen aktiv. Nun kehrt er im DFB-Pokal mit Union Berlin an die Hafenstraße zurück. Im Interview spricht er über das bevorstehende Duell und seine Gefühlslage.

Wenn die Rot-Weißen am Freitag (20.30 Uhr) in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals den Zweitligisten Union Berlin herausfordern, wird es ein ganz besonderes Wiedersehen geben. Unions Trainer Uwe Neuhaus (51) hat vier Jahre lang als Spieler die RWE-Defensive gestärkt (1984-88) und gut anderthalb Jahre lang an der Hafenstraße auf der Trainerbank gesessen (05/06). Mit Berlin ist der Fußball-Lehrer inzwischen in die fünfte Saison gestartet. Damit ist Neuhaus im deutschen Profi-Fußball hinter Thomas Schaaf (Werder Bremen) der Trainer, der am längsten bei einem Verein im Amt ist.

Dürfen wir sagen: Willkommen zu Hause?

Uwe Neuhaus: Ja, schon. Ich habe schließlich über 20 Jahre lang in Essen gewohnt. Vier Jahre bin ich jetzt von dort weg. Insgesamt habe ich fünfeinhalb Jahre in Essen gearbeitet und bin mit RWE als Spieler und Trainer in die 2. Liga aufgestiegen. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es sei ein stinknormales Spiel für mich.

Was haben Sie denn gedacht, als Berlin den Rot-Weißen zugelost worden ist? Haben Sie sich gefreut?

Neuhaus: Irgendwie habe ich es fast schon geahnt. Das sind die verrückten Geschichten, die der Fußball schreibt. Aber man kann es sich nicht aussuchen, insofern haben ich kaum darüber nachgedacht. Dass es so gekommen ist, darüber habe ich mich schon gefreut. Nur, zu große Emotionen verhindern klares Denken.

Wie waren nach der Auslosung die Reaktionen aus der alten Heimat?

Neuhaus: Ich bin privat noch mit RWE-Anhängern befreundet. Natürlich haben wir auch damals miteinander telefoniert. Aber das ist nun vorbei. Die Leute wissen, dass ich das eine Woche vor so einem Spiel ganz ungern mache. Da braucht man Abstand, um sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren zu können.

Haben Sie die Entwicklung bei RWE in den vergangenen Monaten verfolgt?

Neuhaus: Natürlich habe ich es verfolgt. Das geht wohl jedem so, der früher mal für den Verein gearbeitet hat.

Von April 2005 bis November 2006 stand Uwe Neuhaus bei RWE an der Seitenlinie. Foto: Michael Gohl/WAZFotoPool
Von April 2005 bis November 2006 stand Uwe Neuhaus bei RWE an der Seitenlinie. Foto: Michael Gohl/WAZFotoPool

Nun zum Sportlichen. Wie schätzen Sie die Aufgabe an der Hafenstraße ein?

Neuhaus: Ich habe die Pressekonferenz von Waldemar Wrobel im Internet gesehen. Er hat die Situation realistisch eingeschätzt und gut dargestellt: Wir sind der klare Favorit in diesem Spiel, diese Rolle können und wollen wir gar nicht abstreifen. Aber es ist schon so: In acht Spielen hat der Außenseiter keine Siegchance, im neunten ist er nah dran, und im zehnten ist es dann soweit mit der Überraschung.

Diesen Moment hat ihre Mannschaft im Vorjahr erlebt, als sie in der ersten Pokalrunde gegen den Regionalligisten Hallescher FC mit 0:1 verloren hat.

Neuhaus: Daher kennen wir auch die Gefahr. Solche Spiele können eine Eigendynamik entwickeln. Aber wir müssen die Lehren daraus ziehen und dürfen die Dinge, die dazu führen, am Freitag nicht zulassen. Das ist auch eine Frage des Kopfes. Aber vor einem Jahr hatten wir im Vergleich zu heute eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz, auch von den Charakteren.

Sehen Sie es als Vorteil, dass ihre Mannschaft schon zwei Saisonspiele bestritten hat, während es für RWE das erste Pflichtspiel ist?

Neuhaus: Ich denke schon, dass es ein kleiner Vorteil für uns ist, weil man einen Rhythmus aufgenommen hat. In der Vorbereitung wird einiges ausprobiert. Zum Start weiß man noch nicht so genau, wo man steht, ob die Mannschaft in der gewählten Konstellation hundertprozentig zusammenpasst. Man muss schließlich auch noch die neuen Spieler integrieren.

Union Berlin hat am vergangenen Wochenende bei der Heimpremiere gleich eine 0:4-Heimklatsche gegen Greuther Fürth kassiert. Kann das verunsichern?

Neuhaus: Das ist natürlich ein brutales Ergebnis, aber es wird dem Spiel absolut nicht gerecht. Natürlich haben wir viel zu viele Fehler gemacht. Aber wir müssen das Positive aus dem Spiel mitnehmen. Zum Beispiel haben wir 28 Torabschlüsse gehabt. Auch das zeugt von einer gewissen Qualität. Aber es hat an diesem Tag selbst nicht dazu gereicht, einen Elfmeter zu verwandeln. Dennoch: Wir kommen mit Selbstvertrauen nach Essen.

Und die Union-Fans haben ihre Mannschaft nach dieser Pleite sogar noch gefeiert.

Neuhaus: Ja, das ist wirklich außergewöhnlich und im positiven Sinn nicht normal, dass man nach einem bitteren 0:4 mit Ehrenrunde und Applaus verabschiedet wird. Das ist ein richtig gutes Gefühl, wenn man etwas zurückbekommt von den Rängen, sofern die Einstellung stimmt. Und aufgegeben haben sich die Spieler zu keinen Zeitpunkt – trotz eines klaren Rückstandes.

Auch Sie haben sich in den vier Jahren in Berlin offenbar eine Menge Kredit bei den Fans erarbeitet.

Neuhaus: Das kann man so sagen. Die Zeit hier war aber auch vom Erfolg geprägt. Im ersten Jahr haben wir die Drittliga-Qualifikation geschafft, sind ein Jahr später aufgestiegen und haben zwei Jahre lang die 2. Bundesliga gehalten.

Erfolgreich war Rot-Weiss Essen in der vergangenen Saison ebenfalls. Wie schätzen sie die Essener ein, was erwarten Sie am Freitag?

Neuhaus: Es wird nicht leicht. Das ist eine junge Mannschaft, die total hungrig ist. Sie wird kompakt stehen, wie immer aggressiv und laufstark sein. RWE hat aber auch Spieler, die von ihrer Qualität individuell Ausrufezeichen setzen können. Und Rot-Weiss wird natürlich versuchen, im Zusammenspiel mit den Zuschauern Begeisterung zu entfachen.