Sandhausen. Rot-Weiss Essen ließ die große Chance des Sturms auf die Spitze verstreichen und konzentriert sich nun auf die Verteidigung des vierten Platzes.

Es lag eine merkwürdige Stimmung in der Luft nach Abpfiff im GP Stadion am Hardtwald zu Sandhausen: Die mitgereisten 2500 RWE-Fans waren wieder einmal auf eine wilde Fahrt der Gefühle geschickt worden. Jubel brandete im pickepacke vollen Gästeblock schon weit vor der Partie auf, wenn die Ergebnisse aus Dresden und Freiburg (dort spielte Regensburg) bekannt wurden, manch einer fasste sich ungläubig an den Kopf. Ja, ist denn heut schon Weihnachten?

Nein, war es nicht. Gut zwei Stunden später wusste man: es war Anfang Mai, und die Aufstiegsträume zerstoben mehr oder weniger in den lauen Frühlingsabend. Klar, theoretisch ist noch alles möglich, aber das ist es auch für den MSV Duisburg im Abstiegskampf. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte Abwehrspieler Rios Alonso hinterher diesen berühmten Satz, den man so von sich gibt, wenn es so gut wie vorbei ist. Davon wollten die Fans noch nichts wissen, die feierten ihre Mannschaft nach Abpfiff - aber es klang mehr wie ein Resümee für viele schöne Stunden in dieser Saison.

So sehen Besiegte aus: Torschütze Tim Luis Maciejewski dreht jubelnd ab, Torhüter Golz und Sascha Voelcke sind am Boden zerstört.
So sehen Besiegte aus: Torschütze Tim Luis Maciejewski dreht jubelnd ab, Torhüter Golz und Sascha Voelcke sind am Boden zerstört. © imago/foto2press | IMAGO/Oliver Zimmermann

Die RWE-Fans feierten ihre Mannschaft nach Abpfiff

An die dachte Rios Alonso auch, als er auf das letzte Heimspiel in dieser Spielzeit am kommenden Freitag (19 Uhr) gegen die Münchner Löwen blickte, zweifelsohne noch einmal ein Highlight unter Flutlicht: „Wir wollen den Fans auf jeden Fall diesen letzten Heimsieg schenken. Die Unterstützung in Sandhausen war auch wieder brutal. Was die Fans zuhause und auswärts abliefern, ist unbeschreiblich.“

Wir wollen den Fans auf jeden Fall diesen letzten Heimsieg schenken
RWE-Verteidiger Rios Alonso vor der Heimpartie gegen 1860 München am Freitagabend.

Die hätten sich natürlich doch lieber ein Auswärtsgeschenk in Sandhausen gewünscht, aber die Mannschaft nahm sich ausgerechnet in dieser eminent wichtigen Partie eine spielerische Auszeit, die Leichtigkeit und Kombinationssicherheit aus dem Ingolstadt-Spiel war unter der Woche irgendwie abhanden gekommen. Zögerlich und fast schon gehemmt wirkte das Team von Trainer Christoph Dabrowski zu Beginn jeder Halbzeit. Beeindruckt von früh attackierenden Sandhausern, die das bevorzugte Kurzpassspiel der Rot-Weissen, beginnend bei Torhüter Golz, an diesem Nachmittag wieder zu einem Hochrisikospiel machten.

Rios Alonso hatten die anderen Ergebnisse noch heißer gemacht

Natürlich wusste das Team um die Ergebnisse der Aufstiegskonkurrenz, die am Mittag vorlegen mussten. War der Rucksack am Ende doch zu schwer? „Ich habe natürlich drauf geschaut und es auch mitbekommen vor dem Spiel und es hat mich eigentlich nur noch heißer gemacht. Aber wenn der Schiri anpfeift, dann vergisst du das auch schnell und konzentrierst dich nur aufs Spiel“, so der gesetzte RWE-Innenverteidiger. Vielleicht gingen aber nicht alle seiner Mitspieler mit der lukrativen Situation so um.

Vor allem der Sturm zeigte nach der Halbzeit und dem Rückstand die komplette Harmlosigkeit, da konnte Trainer Dabrowski noch so durchwechseln, wie er wollte.. „Das haben wir leider in der Endkonsequenz nicht so zum Abschluss gebracht, den letzten Pass so zu spielen, dass man eine Torchance hat“, analysierte der RWE-Coach hinterher, „wenn man sich das zweite Tor anschaut, wenn der Ball sauber durchkommt zu Müsel, dann sind wir Vier gegen Drei auf der letzten Linie - und das war heute das Manko.“

RWE-Trainer Dabrowski vermisste die Zielstrebigkeit

Ob die Ergebnisse der Konkurrenz die Beine seiner Spieler diesmal ein wenig gelähmt hatten, darüber konnte Dabrowski auch nur rätseln: „Das ist eine gute Frage, ich kann auch nicht in die Köpfe der Spieler schauen, was da abgeht. Ich glaube, jeder wollte den Schritt machen, es wäre natürlich überragend gewesen. Aber heute sind wir leider nicht in diese Zielstrebigkeit reingekommen, um dieses Spiel zu gewinnen.“

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Bitter waren natürlich in diesem Zusammenhang die Ausfälle auf den Flügeln von Sandro Plechaty und Lucas Brumme, der einen „Mega-Pferdekuss“ davongetragen hatte und auch nach der Partie kaum auftreten konnte. Rot-Weiss konnte da nicht Eins zu Eins wechseln, der Trainer versuchte es mit Ron Berlinski auf dem rechten Flügel, was aber gänzlich verpuffte. Auch Moussa Doumbouya fehlte im Wechsel mit Leo Vonic die absolute Durchschlagskraft.

Rot-Weiss Essen: Der vierte Platz ist die Garantie für den DFB-Pokal

Fast schon trotzig schaute Christoph Dabrowski auf die Lage an der Tabellenspitze: „Es hat sich nicht viel geändert, nur haben wir ein Spiel weniger. Wir haben es nicht in der Hand, versuchen es, unsere Hausaufgaben zu erledigen mit zwei Siegen. Wir sind jetzt nach diesem Spieltag auf dem vierten Platz - es lohnt sich, diesen zu festigen. Das haben wir in der eigenen Hand, das andere leider nicht. Aber: der Glaube ist trotzdem noch da.“

Der vierte Platz wäre quasi der Trostpreis: Nicht der große Wurf, aber die garantierte Teilnahme am DFB-Pokal - unabhängig vom Ausgang des Niederrheinpokal-Finales. An mehr zu glauben, verbieten eigentlich die letzten Eindrücke von Sandhausen.

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